Gleich zu Beginn erwartet den diesem aus Sonys Classics Collection stammenden Werk geneigten Zuschauer eine kurze Texttafel, die nachdenklich stimmt. Sie verrät, dass in dem Film tote Aborigines zu sehen sind, was dem Ganzen schon von Anfang an eine gewisse Intensität gibt.
Dann fängt der Film an, ganz ruhig und völlig aus der Situation gegriffen. In Jindabyne, einem kleinen australischen Örtchen, planen eine Gruppe von Männern, wie jedes Jahr, ihren Angelausflug. Zugleich kommen dabei die Probleme einer belasteten Ehe zum Vorschein.
Die vier Männer, von denen einer der jüngeren Generation angehört, begeben sich also auf ihren Trip, genießen die Natur, leben ihr Hobby aus. Bis Stewart (Gabriel Byrne) einen grausigen Fund macht: ein Aborigine-Mädchen treibt leblos im Wasser. Um sie nicht einfach flussabwärts treiben zu lassen, holen die Männer in einer Kurzschlussreaktion die Leiche aus dem Wasser und binden sie mit dem Fuß an einem Baum fest, sodass sie weiterhin im kalten Wasser treibt, damit sie nicht verfault. Trotz des anfänglichen Schocks beschließen die Männer, ihre Angeltour zu beenden und gehen die folgenden drei Tage ihrem Hobby nach, bevor sie, nachdem sie die Leiche am Freitag gefunden hatten, am Montag in den Ort zurückkehren. Die Polizei haben sie natürlich gerufen. Doch die stellt natürlich ganz andere Fragen und interpretiert die Sache anders, als den Männern lieb ist. Ihr Verhalten wird als pietätlos angesehen. So werden die
Beziehungen der Menschen auf die Probe gestellt, die ohnehin schon belastete Ehe von Stewart und seiner Frau Claire (Laura Linney) steht vor einer Zerreißprobe…
Was diesen Film so besonders macht, sind nicht nur die superben schauspielerischen Leistungen, allen voran von Laura Linney („Kinsey“), die fast immer heraus sticht, und Gabriel Byrne („End of Days“), die hier beide eine absolut tolle und authentische Leistung abliefern. Auch die bedächtige Erzählweise, die trotz ihrer Ruhe seltsame Momente voller Unbehagen konstruiert, schlägt sich auf die Atmosphäre nieder. Die tolle Kameraarbeit, die einige wundervolle Naturaufnahmen Australiens einfängt, tut zur Stimmung ihr Übriges.
Der Film ist sehr ruhig erzählt, Musik ertönt sehr schwerfällig, und das alles ergibt ein Bild des Konfliktherdes, der aus dem kleinen Örtchen Jindabyne geworden ist, seitdem die Leiche gefunden wurde. Die Charaktere scheinen ab sofort fast alle undurchschaubar, jeder scheint geladene Energien und brodelnde Aggressionen in sich zu tragen, die offenbar nur darauf warten, auszubrechen.
Bemerkenswert ist auch die Verbindung zwischen Althergebrachtem, Rationalem und Neumodernem, die der Film eingeht. Die Charaktere entstammen jeder Altersklasse: von kleinen Kindern (Tom, Sohn von Stewart und Claire), über junge Erwachsene (Billy, einer der Angler) und Leute mittleren Alters (Claire) bis zu älteren (Stewart und die anderen Angler) und „alten“ Menschen (Aborigines). Zwar zwingt der Film dem Zuschauer keine vor Klischees triefenden Generationskonflikte auf, trotzdem lässt er ab und an clevere Anspielungen auf die Generationsunterschiede durchsickern. Am deutlichsten zu sehen ist das wohl in der Szene, in der die Männer im entlegenen Waldstück ankommen, Stewart die Ruhe genießt und die anderen darauf aufmerksam machen möchte, wie schön der Klang der Natur ist. Auf Stewarts Bemerkung „Hört mal…“ hin, nimmt Billy sich die Kopfhörer seines MP3-Players aus dem Ohr und fragt „Was hast du gesagt?“. Der mobile Krachmacher, ein MP3-Player, als Störfaktor in der Natur, bezeichnet hier zum einen die zunehmende Hegemonie der Medien in der Gesellschaft und zum anderen die Differenz der Altersklassen, die sich hier überaus treffend dadurch äußert, dass Stewart daraufhin abwertend abwinkt, ohne seine Aussage zu wiederholen. Die, für die diese Aussage gedacht war, haben es schließlich schon verstanden…
Weiterhin lässt sich sagen, dass sich der Film positiv vom üblichen Story-08/15-Brei abhebt, und statt einer ein größeres Mainstream-Publikum anziehenden Tätersuche den Fokus lieber auf die zwischenmenschlichen Folgen des Verhaltens der Männer legt. Enthalten in diesen durchaus mit ansprechenden Dialogen versehenen menschlichen Auseinandersetzungen sind ebenfalls Anspielungen auf andere Faktoren des täglichen Lebens: die sensationsgeile Presse, die sich wie Hyänen auf zurückgekehrten Männer stürzt und mit Schlagzeilen auf BILD-Niveau alles nur noch schlimmer macht, scheint wie ein Anlasser für die ganzen Probleme zu wirken, denen sich die Menschen nun stellen müssen.
Ohne große Spielerei mit verwirrenden Bildeffekten oder zwanghaften Flashbacks, schildert der Film einzig und allein durch genaue Dialoge, was gerade in den Menschen vorgeht. In der ersten Nacht beispielsweise, in der Stewart nach dem Angelausflug nach Hause kommt, redet er kurz mit seiner Frau Claire, und als er sie anfasst, mit jenen Händen, mit denen er vor einigen Stunden noch die Leiche der jungen Frau an einen Baum gebunden hat, bemerkt er nur, „wie weich und warm“ sie ist. Hier wird auf simple Art und Weise ein viel eindringlicheres Bild geschaffen, als wenn hier wilde Rückblicke den Moment zerstört hätten.
Auch einige kleinere Nebenhandlungen, wie die Tatsache, dass Sohn Tom nicht schwimmen kann und aufgrund eines infantilen Kinderstreiches in Gefahr gerät, oder dass er durch schlechten Umgang zu grausamen Tiermorden animiert wird, erweisen sich als gute Züge, um die Haupthandlung etwas zu entlasten, damit diese sich nicht abnutzt und langweilig wird.
Natürlich lässt es sich bei einem derart ruhig gelagerten und auch anstrengenden Film nicht vermeiden, dass die eine oder andere Länge entsteht. Da der Film, aber ohnehin kein Streifen ist, den man jeden Monat zweimal guckt, erübrigt sich diese Tatsache.
Die Spiritualität, die die Aborigines vor allem gegen Ende in den Film einfließen lassen, als sie eine kleine Gedenkfeier veranstalten, Lieder singen und die Seele der Toten durch den Rauch tanzen und entfliehen lassen wollen, wirkt insgesamt gesehen etwas fremd, ist aber eigentlich nur die Zusammenführung der beiden Kulturen, die durch diesen verübten Mord, ohne den der Leichenfund ja nie zustande gekommen wäre, aufeinander geprallt sind.
Insgesamt hat man es hier also durchaus mit einem kleinen Juwel zu tun, das zwar durch seine Unbequemlichkeit und seine stoische Ruhe kein großes Publikum finden wird, als Geheimtipp aber absolut empfehlenswert ist, wenn es mal wieder anspruchsvollem Kino bedarf. Die schauspielerischen Leistungen sind erstklassig, die Dramaturgie zwar etwas flach, aber stets interessant, die Storygestaltung etwas Besonderes und die vermittelten Symbole und Moralvorstellungen durchaus wertvoll.