J.R.R. Tolkien, welcher die „Der Herr der Ringe“-Trilogie stets als unverfilmbar erachtete, hatte die Filmrechte für sein Werk sehr günstig verkauft, wie er selbst betonte auch deswegen, damit diese nicht an die Walt Disney Company gehen (obwohl manche Quellen widersprüchlich behaupten, Disney habe von 1956 bis 1959 die Filmrechte besessen), mit deren Animationsfilmen er nicht viel anzufangen wusste. 1968 erhielt United Artists die Lizenz, und nachdem sich Größen wie Stanley Kubrick und John Boorman am Stoff die Zähne ausgebissen hatten, wurde schließlich Ralph Bakshi, der bereits in den 1950ern Tolkiens Roman gelesen hatte und seit dem danach strebte, die Geschichte in Zeichentrickform in die Kinos zu bringen, mit der Umsetzung betraut.
Den Drehbuchautoren Chris Conkling und Peters S. Beagle ist der Kunstgriff, die ersten beiden Bände der Trilogie „Die Gefährten“ sowie „Die zwei Türme“ auf einen Film von zwei Stunden Spielzeit zu komprimieren, ohne dabei den roten Faden zu verlieren oder wesentliche Handlungsstränge auszuklammern, gelungen. Die Einleitung bzw. den Prolog löst das Sctipt, indem es einen Erzähler aus dem Off einsetzt, der sich vor Elronds Rat und am Ende des Films abermals zu Wort meldet (wobei letztere „Auftritte“ einen sehr plumpen Eindruck hinterlassen und eigentlich überflüssig sind). Zwar kann sich der Leser Tolkiens eines sehr gerafften Eindrucks nicht erwehren, für sich stehend betrachtet gibt es allerdin
gs am Erzählfluss, abgesehen von einem fehlenden Klimax und dem unelegant-abrupten Ende, nichts zu kritisieren.
Die wahre Problematik liegt in Bakshis belangloser Inszenierung. Selbstredend ist es einem Filmemacher hoch anzurechnen, wenn er nicht allzu sehr auf oberflächliche Gefühlsduselei setzt, sondern dem Publikum die Möglichkeit bietet, seiner Phantasie freien Lauf zu lassen und eigene Stimmungen, Ängste und Emotionen in die Protagonisten hineinzuprojizieren (einige von Hitchcocks besten Thrillern funktionieren auf diese Weise hervorragend), allerdings übertreibt es die Regie mit der Emotionslosigkeit der Figuren meist zu sehr, sodass dem Zuseher ein Mitfiebern mit den Charakteren enorm erschwert wird. Schlüsselszenen oder Kampfsequenzen werden meist nicht ausreichend eingeleitet, sondern einfach nur stupide ohne jeglichen Spannungsaufbau abgespult. Um Tolkien zu adaptieren, braucht es gewiss keine Überdosis an Pathos oder Epik, sondern lediglich viel Phantasie, wofür sich gerade das Genre des Animationsfilm anbietet, weil es aufgrund seiner Irrealität und Verfremdung einen märchenhafteren Zugang ermöglicht, als dies bei einer Realverfilmung der Fall ist. Dennoch muss ein guter Fantasyfilm fesseln und den Rezipienten in seinen Bann schlagen, was bei „Der Herr der Ringe“ lediglich ansatzweise in gewissen Szenen gelingt (vgl. Frodos Ritt zur Bruinenfurt), bedauerlicherweise aber die Ausnahme darstellt. Des Weiteren wirken viele Sequenzen sehr gehetzt und atemlos. Das äußert sich z.B. darin, dass die Schauspieler in der Originalfassung während des gesamten Films ihre Rollen viel zu schnell und abgehackt sprechen, was in einem sprechtechnischen Fiasko endet. Aufgrund der genannten Schwächen gestaltet sich das Ansehen vor allem in der letzten Stunde zähflüssig, öde und trotz aller inhaltlichen Kürzungen viel zu lange.
Stilistisch betrachtet können sich die liebevollen Zeichnungen durchaus sehen lassen und brauchen den Vergleich mit anderen, weit teureren Animationsproduktionen der 70er und 80er Jahre keineswegs zu scheuen. Bakshis Stil ist höchst kreativ und charmant, sodass seine bewegten Bilder mehr an Holzschnitte, denn an einen Trickfilm denken lassen. Das Team vermochte aus einem relativ geringen Budget, das Maximum herauszuholen, und die Rotoscope-Technologie, das ist jenes Verfahren, welches es ermöglicht, lebende Schauspieler zu übermalen und in die Animationen hineinzukopieren, verleihen dem Streifen eine individuelle, kunstvolle Note, die ihn von der Massenwahre abhebt. Ohne Rotoscope wäre Bakshis Projekt auch nicht zu realisieren gewesen, da hochkomplexe Kampfszenen mit Hunderten „Statisten“ kaum zu finanzieren gewesen wären und darüber hinaus zuviel Zeit erfordert hätten. Sogar die Walt Disney Zeichentrickproduktionen der späten 90er haben immer geschummelt und computeranimierte Figuren unter die gezeichneten eingefügt. Die beeindruckenden, farbenfrohen, zum Teil auch düsteren Backgrounds zeugen von großem Talent und viel Liebe zum Detail, während die Designs, die Gesichter und Bewegungen der Figuren etwas an „Das letzte Einhorn“ (1982) denken lassen. Der Fairness halber und vielen Kritikern der visuellen Umsetzung zum Trotz, möchte ich betonen, dass der Film hier ganz Kind seiner Zeit ist, sodass es mir unpassend erscheint, aus der Retrospektive Boromirs Outfit, die affengleichen, ungewollt komischen Orks oder Galadriels kokettierenden Auftritt negativ in eine Rezension einfließen zu lassen, da nun einmal die wenigsten Filme zeitlos sind.
Mit „Der Herr der Ringe“ ist Bakshi ein zeichentricktechnisch überwältigender, inszenatorisch hingegen schwacher Transfer von Tolkiens Roman auf die Leinwand gelungen, der sowohl Spannung und Größe vermisst, zumindest in einer Hand voll Sequenzen aber seine großen Momente hat. Ob sich das Floppen des Films rein dadurch erklären lässt, bleibt fraglich, wurden doch viele andere Trickfilme mit immensen Erzählschwächen zu großen Kinoerfolgen. Wohl mag es aber daran liegen, dass Bakshis Film schwer einzuordnen ist, da er für einen Animationsfilm zu wenig glatt und familienfreundlich (vgl. die prachtvollen Blutfontänen, die aus den aufgeschlitzten Orks nur so hervorsprudeln), für einen Fantasyfilm hingegen zu steril und dramaturgisch kaum mitreißend daherkommt. Immerhin vermochte das Movie den Rezensenten in dessen Kindheit dazu bewegen, Tolkiens Roman zu lesen und damit seine mageren Kenntnisse über Mittelerde zu vertiefen, was der Adaption einen großen Pluspunkt verschafft.
Bakshis ursprünglich geplante Fortsetzung blieb wegen des bereits erwähnten geringen Erfolgs an den Kinokassen bis heute unverwirklicht und wird es auch wohl bleiben. Jedoch schufen Jules Bass und Arthur Rankin Jr. (die beiden führten später beim oben genannten „Das letzte Einhorn“ Regie), welche bereits 1977 „The Hobbit“ animiert hatten, 1980 „The Lord of the Rings – The Return of the King“, eine kindgerechte, für das Fernsehen produzierte, inoffizielle Fortsetzung mit Musicalcharakter.