Anlässlich des bevorstehenden Kinostarts von „From Paris with Love“ ist es auch bei mannbeisstfilm.de an der Zeit, den letzten Film von Regisseur Pierre Morel mal genauer unter die Lupe zu nehmen. Immerhin „Taken“ zwar nur den zweiten Spielfilm des Franzosen dar, aber schnell entwickelte er sich zu einem großen Hit – selbst in den USA, was für einen europäischen Film ja nicht selbstverständlich ist. Zugegebenermaßen tat sich der Film auch aufgrund des amerikanischen Main Casts, alles voran Liam Neeson, in Übersee leicht; doch Liam Neeson als die Hauptperson in einem Selbstjustiz- bzw. Rachethriller? Der Darsteller des Oskar Schindler in einem Actionbrett? Kann das gut gehen? Es kann!
Liam Neeson spielt Bryan Mills: ein recht einsamer, geschiedener Ex-Soldat (oder -Agent), der verzweifelt versucht, sich seiner 17-jährigen Tochter Kim anzunähern. Diese lebt bei Bryans Ex-Frau und ihrem neuen, schwerreichen Mann. Die Beziehung von Kim und Bryan scheint sich zu bessern, bis die minderjährige Kim um die Erlaubnis bittet, mit ihrer Freundin Amanda nach Paris reisen zu dürfen. Nach einiger Zeit gestattet ihr Bryan dies, doch schnell stellt sich heraus, dass die Mädchen gelogen haben und eigentlich U2 quer durch Europa hinter reisen möchten. Bryan lässt seine Tochter trotzdem gehen, wird dann aber nach ihrer Landung per Handy Zeuge ihrer Entführung – doch die Kriminellen haben sich mit dem falschen angelegt! Bryan bleiben ungefähr 96 Stunden
, bis seine Tochter in den Untiefen des Mädchenhandels voller Drogen und Prostitution verschwindet...
„I don't know who you are. I don't know what you want. If you are looking for ransom, I can tell you I don't have money. But what I do have are a very particular set of skills; skills I have acquired over a very long career. Skills that make me a nightmare for people like you. If you let my daughter go now, that'll be the end of it. I will not look for you, I will not pursue you. But if you don't, I will look for you, I will find you, and I will kill you.“
Wenn das mal nicht eine Ansage ist!
Um wieder an die Einleitung dieser Kritik anzuknüpfen: gerade durch das Casting von Liam Neeson in der Hauptrolle profitiert der Film ungemein! Er ist eben kein Muskelpaket, Rambo oder Berg-von-Mann, weshalb man ihm die Rolle des inzwischen „Zivilen“ und vor allem sorgenden Vater viel mehr abnimmt, als es etwa bei einem Stallone der Fall wäre; dieser ist einfach zu sehr mit Actionrollen verknüpft. Zusätzlich ist Neeson natürlich ein guter Schauspieler, der den emotional-impact der Geschichte viel deutlicher macht, als es sonstige „Ein Mann sieht rot“ Streifen könnten. Doch selbst in den Actionszenen überzeugt er: diese sind bodenständig, schnell und hart, so dass es weniger kunstvolle Martial-Arts mit Sprüngen und sonstigen Spielereien gibt, sondern vielmehr militärische Nahkampftechniken vorherrschen, die auch ein eher unakrobatischer Schauspieler perfekt stemmen kann. Und – was zwar nicht so offensichtlich ist, aber die Sache unglaublich unterstützt – ist noch ein Aspekt des Hauptdarstellers: die Stimme! Seine tiefe Stimme gibt Sätzen wie dem Zitat oben eine faszinierende Wucht, man scheisst sich regelrecht ein bei dieser Drohung, gerade weil sie so im Kontrast mit seinem eher sanfteren Äußeren steht.
Womit wir uns doch gleich mal dem eigentlichen Hauptfeature des Films widmen wollen: die Action! Diese ist straight-forward, hart und überaus gut inszeniert – zumindest meistens. Wie bereits erwähnt verzichten die zahlreichen Nahkämpfe auf überflüssige Martial Arts Spielereien, die unmöglich in den (halbwegs) realistischen Ton des Films passen würden.Vielmehr erinnert das szenenweise an alte Seagal-Streifen: hartes, schnelles Ausschalten der Gegner, brechende Knochen und verdrehte Gliedmaßen inklusive – mich verwundert die Freigabe ab 16 bzw. die PG-13 in den USA! Neeson legt hier ebenso wie in den wenigen Schießereien eine Unbarmherzigkeit an den Tag, die man ihm so nicht unbedingt zugetraut hätte. Auch besiegte Gegner bekommen da schonmal ein halbes Magazin Blei aus Rache in den Körper gepumpt. Dagegen sackt der Film in den vorhandenen Verfolgungsjagden per Autos leider etwas ab. Diese sind zwar auch realistisch-spektakulär, kommen also ohne fliegende und explodierende Autos aus, jedoch leider enorm wackelig gefilmt und schnell geschnitten – sie besitzen irgendwie keinerlei Wucht, da sie einfach zu unübersichtlich sind und ihnen daher der wichtige sense-of-urgency abhanden kommt.
Abgesehen davon leidet der Film noch etwas unter der Handlung: zu Beginn, nachdem Kim entführt wurde, beginnt Bryan mit seinen „Ermittlungen“ in Paris. Sein einziger Hinweis ist dabei das mitgeschnittene Telefonat mit seiner Tochter. Hier muss der Zuschauer tatsächlich eine Brocken schlucken ohne sie zu hinterfragen, denn sonst würde der Film nicht funktionieren. Es ist klar dass Luc Besson (als Autor), den Film irgendwie vorantreiben muss, aber die individuelle Suspension of Disbelief des Zuschauers wird hier schon sehr strapaziert. Ebenso wollte der Film gegen Ende für meinen Geschmack etwas zu viel, die eigentliche Entführung wurde immer größer, immer weitläufiger und immer verstrickter, mit ständig neuen Hintermännern etc. pp. Weniger wäre hier wohl mehr gewesen, gerade weil der Rest so herrlich gerade raus ist. Ach, und einem gewissen mehr oder minder unterschwelligen Rassismus gegenüber Albanern und Arabern kann sich der Film leider auch nicht erwehren.
Trotzdem ist „Taken“ aka „96 Hours“ ein wahres Actionhighlight für Freunde von down-to-earth Filmen. Liam Neeson in der Titelrolle ist einfach grandios, die Inszenierung versiert, und die Action herrlich realistisch. Ein weiterer toller Actionstreifen aus Frankreich, man darf gespannt sein, was von Herrn Morel noch so folgt. „From Paris with Love“ verspricht zwar dem Trailer zufolge ebenfalls viel Tempo und Action, allerdings scheint er sich mehr als Buddymovie mit viel Humor zu verstehen. Man wird sehen.