„Generationen auf Generationen werden alle geblendet von der Liebe, Miss Lane. Ganz besonders von jener einen großen Liebe, die uns gänzlich verändert. Auf ewig..."
Ist es ein Vogel? Ein Flugzeug? Nein, es ist der Mann vom fernen Planeten Krypton, der da fliegt. Jener, der kurz vor der Zerstörung seiner Heimat von seinen Eltern als Kind in einer Rakete auf die Erde geschickt wurde, um fortan seine Kräfte in den Dienst des Kampfes gegen das Böse zu stellen.
DAS GESICHT EINES HELDEN. Es war der leider viel zu früh verstorbene
Christopher Reeve, der dem ältesten aller gezeichneten Superhelden trotz noch so fantastischen Elementen und noch fantastischeren Fähigkeiten ein überaus menschliches, weil plastisches Gesicht gab. Die Filme, die sich allesamt recht ordentlich an den Kinokassen schlugen, avancierten erwartungsgemäß im Laufe der Zeit zu Kultfilmen und begründeten einen festverwurzelten Status des Superheldenfilmes, der sich bis heute nicht geändert hat. Selbst der gelungene „
Superman Returns“ [2006], der seinerzeit noch den Titel des teuersten Filmes aller Zeiten innehatte, konnte bei aller optischer Brillanz und einem Hauptdarsteller, der Reeves zumindest vom Aussehen her erschreckend ähnelte, nicht einmal ansatzweise an die Qualitäten der Originalproduktionen anknüpfen. Könnte es daran gelegen haben, dass zehn Jahre zuvor eine kle
ine, aber feine Serie das Licht der Welt erblickte, die sich zwar auf den eingefahrenen Gleisen der Reeve-Filme bewegte, darüber hinaus aber etliches Neues, Ungewöhnliches zu bieten hatte? War bis zu ihrer Einstellung 1997 schlicht und ergreifend vielleicht einfach schon alles erzählt worden, was erzählt werden konnte?
Unmissverständlich steht fest, dass
viel erzählt wurde in den vier Staffeln und insgesamt 88 Episoden der ABC-Serie
„SUPERMAN – DIE ABENTEUER VON LOIS & CLARK“ (
„Lois & Clark: The New Adventures Of Superman“), welche zwischen 1993 und 1997 produziert wurde. Schon der Titel lässt – im Englischen mehr als in der deutschen Übersetzung – erahnen, dass diesmal nicht unbedingt die Richtung der bekannten Kinofilme eingeschlagen, sondern der Fokus des Betrachters vielmehr auf
das gelegt werden sollte, was sich sonst eher im Hintergrund abspielt hat: die vielfach angesprochene, aber niemals derart explizit gezeigte Beziehung zwischen Clark Kent (Dean Cain) und Lois Lane (Teri Hatcher). So gestaltet sich der Aufbau der Serie bei genauerer Betrachtung auch als exaktes Abbild eines jeden neuen Lebensabschnitts, den Lois und Clark miteinander beschreiten, von der Zeit des Kennenlernens bis hin zum ersten gemeinsamen Ehejahr. Die Grundausrichtung mag somit eine gänzlich andere sein, und doch war es die ganzen Folgen über da, dieses vertraute Gefühl, trotz aller Neuerung etwas Altbekanntes, Geliebtes zu sehen. Denn zunächst einmal beginnt alles so, wie man es auch schon aus den Comics kennt. Alles nahm seinen Anfang in Smallville.
ALLER ANFANG IST SCHWER – DIE ERSTE STAFFEL. Clark Kent ist ein junger und selbstbewusster Journalist als er in Metropolis seinen Job als Reporter beim
Daily Planet antritt. Clark, der von seinen Adoptiveltern Martha (K Callan) und Jonathan (Eddie Jones) aufgezogen wurde, stammt in Wirklichkeit vom Planeten Krypton und nennt übernatürliche, übermenschliche Kräfte sein Eigen, welche er zielgerichtet im Kampf gegen die Schurken dieser Welt einsetzt. Sein Alter Ego des Superman wird zur geliebten Medienfigur und zieht schon bald die Blicke von Lois Lane auf sich, der er bei der Zeitung als sein anderes Ich Clark zur Seite gestellt wurde. Die resolut-attraktive Frau beginnt echte Gefühle für den Mann aus Stahl zu entwickeln, während Clark in Lois die Frau seines Lebens sieht. Schwierige Ausgangslage, weiß Lois doch nicht, dass es sich bei Superman und Clark in Wahrheit um ein und dieselbe Person handelt. Zudem behandelt sie ihren neuen Partner zunächst nur wie Luft. Was eine Brille manchmal anrichten kann! Hinzu kommt, dass der machthungrige Tycoon und mächtigste Mann Metropolis’ Lex Luthor (John Shea) mehr als nur ein Auge auf die Journalistin geworfen hat und sie wahrlich ausdauernd umwirbt. Superman/Clark scheint dabei der einzige zu sein, der das wahre Gesicht des Milliardärs erkennt, weshalb er Lois mehr als nur einmal warnt, etwas mit dem Mann anzufangen, der für seine Ziele bereit zu töten ist. Erst dann, als es fast zu spät ist, realisiert Lois, dass ihre Gefühle eigentlich einem ganz anderen gelten: Clark!
„AND THE ANSWER IS...“ – DIE ZWEITE UND DRITTE STAFFEL. Lex Luthor wurde letztlich als der Verbrecher enttarnt, der er ist, und plötzlich merken sowohl Lois als auch Clark, dass da etwas mehr zwischen ihnen beiden zu sein scheint. Waren beide – zumindest von Lois’ Standpunkt aus – anfangs nie mehr als nur Rivalen, wich dieser Status schnell dem von gleichberechtigten Arbeitspartnern, nur um nun einer überaus gefestigten Freundschaft genügend Platz einzuräumen. Doch Clarks ständiges Verschwinden, um als sein Alter Ego Superman für Recht und Ordnung zu sorgen, ist nicht gerade hilfreich für die sich anbahnende Beziehung zwischen den beiden, weshalb kurzzeitig sogar andere Liebschaften in den Personen des Agenten Dan Scardino respektive der Staatsanwältin Mayson Drake in Erscheinung treten. Aber echte Gefühle lassen sich nun einmal – anders als eine Superheldenidentität – nicht verbergen, so dass letztendlich die beiden unglücklich Verliebten doch noch zueinander finden. Besiegelt wird dieser neue Lebensabschnitt letztendlich am Ende der zweiten Staffel in Episode 22 mit der Frage aller Fragen, die nicht nur ein Supermann gerne mit einem „Ja“ beantwortet wissen möchte.
Spätestens nun verlässt die Serie altbekannte Schemen und stellt die Superman-Tätigkeit fast gänzlich in den Hintergrund. Plötzlich dominieren altbekannte Probleme den Alltag der frisch Verlobten. Ein Superheld mit (menschlichen) Sorgen. Denn die Aussicht auf die bevorstehende Traumhochzeit steht unter keinem guten kryptonischen Stern, da Lois – die nun die andere Identität Clarks kennt – immer weniger Verständnis für dessen fortwährendes Verschwinden zeigt, um seiner Rolle als Superheld gerecht zu werden. Doch allen Irrungen und Wirrungen zum Trotz, in deren Verlauf sich Clark sogar kurzzeitig von seiner Verlobten ob seiner gefährlichen „Zweitbeschäftigung“ trennt, steht sie letztlich doch an – die Traumhochzeit, die – serientypisch – auf einen Fünfteiler ausgedehnt wird, der natürlich noch mehr Irrungen und Wirrungen bereithält (die Fans sprechen hierbei gerne vom
Wedding Argh). Es kann jedoch am Ende nicht von „verliebt, verlobt, glücklich verheiratet“ die Rede sein, weil Clark kurz vor dem finalen Akt zwei Mitgliedern seiner Rasse zu einer kryptonischen Kolonie folgt, da dort ein Krieg ausgebrochen ist. Zurück bleibt einzig eine starke Frau, eine resolute Lois, denn
big girls don't fly. Ein Abschied von Superman, für immer gar?
EINE NIEMALS STATTGEFUNDENE ZUKUNFT – DIE (VOR-)LETZTE STAFFEL. Was traurig endete, beginnt in Staffel 4 trotzdem halbwegs glücklich, gelingt es Clark doch schließlich, sein Volk zu versöhnen und auf die Erde zurückzukehren, wo die Hochzeit endgültig stattfindet. Friede, Freude, Eierkuchen kurz vor Ende? Das Finale der vierten Staffel zumindest suggeriert ein mögliches Happy End. Doch im Grunde steht der letzte Moment der Serie für eine Zukunft der beiden Charaktere, die niemals vor unseren Augen stattgefunden hat. Denn die letzte Episode von Staffel 4 war eigentlich als Cliffhanger gedacht für eine weitere, fünfte und dann auch letzte Staffel. Aber schwache Quoten oder der Aufkauf des Senders ABC durch Disney, der angeblich statt der Serie eine eigene Produktion ins Programm nehmen wollte, sorgten für ein vorzeitiges Ende der für insgesamt fünf Emmys nominierten Science-Fiction-Action-Serie. Schade eigentlich, denn trotz einigen schlechten Folgen, die mehr oder minder gelungenen Drehbüchern Rechnung trugen, überwog doch immer die unübersehbare Spielfreude von
Dean Cain („
Sturzflug ins Paradies“ [2000]) und der späteren desperate housewife
Teri Hatcher, denen zwischenzeitlich sogar privat eine Liaison nachgesagt wurde. Ein starkes Potential, zweifelsohne, denn der Mut der Verantwortlichen, vor allem in den letzten Staffeln die Superheldentätigkeit des Mannes aus Stahl fast gänzlich auszusparen und alltägliche Probleme in den Vordergrund zu stellen, sollte sich bezahlt machen. Erzählt war – zumindest aus Sicht der Drehbuchautoren – noch längst nicht alles. Warum nun also dieser unterhaltsamen Serie der etwas anderen Art, dieser Reise durch die Lebensabschnitte zweier Liebenden, keine weitere Staffel vergönnt war, steht letztlich genauso in den Sternen geschrieben wie das leuchtend glitzernde Superman-Logo am Ende etlicher Episoden.
Somit bleibt Fans bisher nur die Erinnerung an eine Serie, die es wie keine zweite verstand, ein Flair, das nicht von ungefähr an die 70er Jahre erinnerte, mit unterhaltsamen, spannenden Geschichten zu vermischen. Es bleibt zu hoffen, dass es ihr in absehbarer Zeit doch noch vergönnt ist, komplett auf DVD veröffentlicht zu werden. Verdient hätte sie es nämlich allemal. Bis dahin werden wohl immer wieder vereinzelte Blicke nach oben zum Himmel zu registrieren sein, nur um kurz darauf resigniert abwinkend den Kopf zu schütteln.
„Ist es Superman?“
„Nein nein, leider nur ein Flugzeug. Oder ein Vogel.“
Wo sind sie bloß, die Superhelden, wenn man sie gerne mag?