„I´ve seen the future…and it´s a kingdom of horror!“
Der Teufel hat viele Namen und Gesichter. In „Heartless“, der ersten Regie-Arbeit des Briten Philip Ridley („Die Passion des Darkly Noon“, 1995) nach 14-jähriger Schaffenspause, heisst der Beelzebub in Menschengestalt Papa B (Joseph Mawle verleiht der Figur den „Charme“ eines diabolischen Zuhälters) und bewohnt ein abgelegenes Hochhaus.
Seine Hölle besteht nicht aus Fegefeuer und Gestein – man sieht sie, wenn man nachts durch die dreckigen Strassen East Londons streift. Dort treiben seine in Kapuzenpullis gehüllten Dämonen ihr Unwesen, die Stein für Stein sein Königreich des Schreckens in Form von Mord und Chaos erbauen.
Wie in jeder Geschichte dieser Art, gibt es natürlich auch hier einen tragischen Helden. Dieser hört auf den Namen Jamie (Jim Sturgess, „Across The Universe“) und muss sich für sein herzförmiges Muttermal auf der linken Gesichtshälfte täglich gemeine Sprüche einfangen.
Nachdem seine Mutter bei einem Angriff der Höllenwesen ums Leben gekommen ist, erhält der 25-jährige Außenseiter sein Angebot von Papa B: Gegen einen kleinen Anteil am Chaos erhält Jamie ein neues, makelloses Selbst. Eine Chance für einen Neuanfang.
Und wie tragische Helden dieser Geschichten so sind, schlägt Jamie ein – nicht ahnend, dass der Leibhaftige als Gegenleistung nicht weniger als ein Menschenopfer fordert…
Hohe Erwartungen können für einen Film nahezu tödlich sein. Zumindest wenn das betreffende Resultat seinen Vorschuss-Lorbeeren im Auge des Betrachters nicht wirklich gerecht wird.
Ein wenig ergeht es so auch „Heartless“. Denn bei der definitiv mehr als durchschnittlichen Mischung aus Charakterdrama und
Faust´scher Horrorstory handelt es sich leider nicht um das Meisterwerk, das von einigen Quellen im Voraus angepriesen worden ist.
Keine Frage, der dreckig-düstere Look, in dem das pre-apokalyptische Szenario eingefangen ist, ist sehr stimmig gewählt und es gibt durchaus Momente zu bewundern, die eine gewisse Genialität versprühen.
Leider muss man allerdings auch festhalten, dass Autor/Regisseur Ridley am Ende selbst die meiste Schuld trifft, dass sein neuester Streich nicht wirklich als ein
big deal des Genres bezeichnet werden kann.
Die Rahmenhandlung an sich ist seit Goethe wahrlich alles andere als neu und hat zuvor auch etlichen Filmstoffen als Inspiration gedient. Die Verlegung in das moderne London und die Anspielung auf die zunehmende Gewalt auf den Strassen sind dennoch irgendwo packend und können dem Thema das nötige Quentchen frischer Innovation entlocken.
Ein größeres Problem von „Heartless“ ist dann aber eine stellenweise arge thematische Überladung, bei der es schwerfällt, den Kern der Geschichte nicht aus den Augen zu verlieren:
Was zunächst als angenehm ruhiges Außenseiter-Drama beginnt, entwickelt sich etwas ruckartig zu einem reißerischen Genre-Schocker, der durch eine Comedy-Einlage mit einem Wünschelruten-schwingenden Waffenhändler und der obligatorischen Love-Story streckenweise zerfahren wirkt.
Offensichtlich sollte in dem Werk aber wohl trotz des folgenden Rummels der Charakter Jamies im Mittelpunkt stehen. Hier ergibt sich dann ein weiteres Problem, das zumindest der Rezensent mit der betreffenden Figur hat:
Denn Jamie, der in seinem Leben bestimmt auch so einiges durchgemacht hat, kommt oftmals eher wie ein naives „Sensibelchen“ daher und man wird das seltsame Gefühl nicht los, dass eben dieses nicht so recht in sein Umfeld passt - dass jemand mit einer solchen Vergangenheit, aufgewachsen in einem derart harten Viertel, sich auf dem Weg zum Erwachsenwerden eigentlich irgendwie rauer und kantiger entwickelt haben müsste…
Natürlich gibt es da aber noch das Ende des Films, auf welches aus Spoiler-Gründen selbstverständlich nicht eingegangen werden soll, und welches vielleicht einen Teil der Kritik etwas relativiert. Insofern macht eine zweite Sichtung von „Heartless“ durchaus Sinn. Allerdings ändert das auch nichts an der Tatsache, dass die Versatzstücke ohne die Vorkenntnis der „Pointe“ oftmals nicht recht harmonieren und – man muss es einfach mal wieder anfügen – am Ende weniger mehr gewesen wäre.
Als nicht sonderlich clever bis störend erweist sich außerdem der etwas sehr häufige Gebrauch von Songs, die zum großen Teil von Hauptdarsteller Sturgess selbst performt wurden. Manchmal beschleicht einen nämlich das Gefühl, dass diese zum reinen Werbezweck für die Musiker-Karriere des Mimen auf Zelluloid übernommen worden sind. Zumindest wirken sie zu oft ungeschickt dazwischen platziert.
Wenn Sturgess im Titelsong
„Come back, come back / And make the world work again / Come back and put an end to all this mess / Come back and prove the world’s not heartless“ fleht, fühlt man sich zudem nur zwei Schritte von einer gar furchtbaren Predigt entfernt und wünscht sich anstelle dessen lieber den hypnotischen Score von Komponist David Julyan („
Eden Lake“).
Nun funktioniert das Werk als eine Art modernes Märchen unter dem Strich immer noch ganz ordentlich und Philip Ridley versteht es durchaus (trotz erwähnter Überambition und einem Hang zu pseudopoetischen Sprüchen wie
„the darker it gets, the more you see“) seinem Drama-Schocker eine eigene Note zu verleihen, die nur leider nicht ganz zum großen Wurf ausgereicht hat. Sehenswert ist „Heartless“ zumindest allemal, auch wenn man möglicherweise einige Szenen mit einem ungläubigen Stirnrunzeln quittieren mag.
Fazit: Wie jede Kritik ist auch diese von einem rein subjektiven Blickwinkel verfasst worden, und dem Rezensenten ist durchaus bewusst, dass sich der Film auf diversen Festivals bereits eine wachsende Fangemeinde aufgebaut hat.
An seinem Status als Geheimtipp soll dann auch keineswegs gerüttelt werden.
Dass „Heartless“ aber
„flawless horror“ sei, wie ihn der britische Kritiker Alan Jones bezeichnet hat…nun, daran bestehen von dieser Seite durchaus Zweifel.