Die Frage welch Unheil das Aufdecken der ungeschminkten Wahrheit haben kann ist Dreh- und Angelpunkt dieses kleinen Films aus dem Jahre 1934. Basierend auf einem Theaterstück von J.B. Priestley, beschränkt sich der Film auf wenige Personen und Schauplätze ohne dabei an Spannung und Dramatik zu verlieren. Von Filmhistorikern ist „Dangerous Corner“ lange Zeit ignoriert oder gar vergessen worden bis er Mitte der 1980er Jahre wiederentdeckt worden ist. Das Besondere und gemessen an der Entstehungszeit äußerst Innovative an „Dangerous Corner“ ist die Erzähltechnik, die dem Zuschauer, ähnlich wie in dem so hoch gelobten Film „Lola rennt“ von Tom Tykwer, zwei alternative Enden präsentiert.
Kurz nach dem Verschwinden einer hohen Geldsumme aus dem Safe eines Verlagsbüros begeht einer der Teilhaber Selbstmord. So zumindest lautet die offiziell anerkannte Version der Polizei. Die übrigen Teilhaber akzeptieren diese Theorie und gehen davon aus, dass Schuldgefühle ihren Freund und Partner zum Selbstmord verleitet haben. Man lässt die Sache zunächst auf sich beruhen und findet sich zu einem geselligen Abend zusammen. Doch der kurzweiligen Zerstreuung wird ein schnelles Ende bereitet, als die Radioröhre durchbrennt und man keine Ersatzröhre im Haus hat. Mangels Musik, kommt man ins Gespräch über das kürzlich Vorgefallen, anstatt sich mit unbeschwertem Tanzen zu vergnügen. Man erinnert sich der letzten Momente, die man mit dem Verstorbenen verbr
acht hat und entdeckt dadurch auf einmal, dass jeder eine andere Version der Geschichte zu erzählen hat. Selbstmord scheint auf einmal nicht mehr plausibel zu sein und durch jedes weitere Nachhaken kommen neue Geheimnisse und Geständnisse ans Tageslicht, was schlussendlich in wüsten Beschuldigungen und einer großen Tragödie endet, die keiner der Beteiligten vorauszusehen im Stande gewesen war.
Sofort nach dem Ende der ersten Version setzt der Film mit der zweiten Version fort, in der die Geschichte einen anderen Verlauf nimmt, da dieses Mal Ersatzröhren zur Hand sind und statt der anklagenden Gespräche folgen unbeschwertes Tanzen und heitere Plauderei.
So bekommt der Zuschauer sowohl ein tragisches Ende, als auch ein Happy End, wenn auch ein sehr trügerisches und unbefriedigendes, kennt man als Zuschauer durch den ersten Teil des Films doch die wahren Hintergründe der Geschehnisse, die den Protagonisten im zweiten Teil verborgen bleiben. Es wird dabei dem Zuschauer überlassen das Gedankenspiel zu Ende zuführen. Was ist besser beziehungsweise erstrebenswerter? Das Aufdecken der Wahrheit, trotz aller negativen Konsequenzen und der Gefahr, dass dadurch das eigene Weltbild gefährdet wird, oder das Schweigen im richtigen Moment, um des Friedens willen? Unwissenheit kann an mancher Stelle mit Sicherheit ein Segen sein und Menschen, die uns nahe stehen haben oft Seiten, von denen wir lieber nichts wissen wollen.
„Dangerous Corner“ ist mit Sicherheit kein Meilenstein der Filmgeschichte, aber durchaus schönes, solides Hollywoodkino der 1930er Jahre mit ein paar unerwarteten Wendungen. Vom Hocker wird der Film heute wohl niemanden mehr reißen, sehenswert ist er jedoch allemal. Mit Virginia Bruce und Melvyn Douglas kann der Film auch mit ein paar guten und zumindest damals bekannten Schauspielern aufwahrten. Beide standen später noch einmal in „Arsène Lupin Returns“ (1938) und „There's That Woman Again“ (1939) vor der Kamera.