„My name is Salmon, like the fish. First name, Susie. I was fourteen years old when I was murdered on December 6th, 1973.”
Ich gebe es ganz offen zu: Auch nach zweimaliger Sichtung hat mich „In meinem Himmel“, der im Original „The Lovely Bones“ heißt und auf einem Roman von Alice Sebold basiert, ein wenig ratlos zurückgelassen.
Mit pompösen Trailern angekündigt und als potentieller Oscar-Kandidat gehandelt, kommt das neueste Werk von „Herr der Ringe“-Regisseur Peter Jackson trotz bunter
Special Effects eher als ein ganz schön bitterer und unverdaulicher Brocken daher, den man so nach den ersten Bildern wohl nicht erwartet hätte.
Der neuseeländische Regisseur erzählt hier die tragische Geschichte der Kleinfamilie Salmon. Deren älteste Tochter Susie (Saoirse Ronan, „Abbitte“) wird von dem perversen Nachbarn George Harvey (für seine Darstellung Oscar-nominiert: Stanley Tucci) vergewaltigt und ermordet und befindet sich nach ihrem Tod in einer seltsamen Zwischenwelt, von der sie auf die Vorgänge in der Realität herabsehen kann.
Während das Mädchen versucht, sich mit ihrem Schicksal abzufinden, droht ihre Familie an dem Verlust zu zerbrechen. Da nur klare Anhaltspunkte für ein Verbrechen vorliegen, aber keine Leiche gefunden wurde, versucht ihr Vater Jack (Mark Wahlberg, „Boogie Nights“) verzweifelt auf eigene Faust, die Tat aufzudecken.
Schwierig an „The Lovely Bones“ ist vor allem, dass sich Peter Jackson nicht recht entscheiden kann, in welche Richtung sich das Werk bewegen soll. Es ist weder ein reines Fantasy-Drama wie „Ghost – Nachricht von Sam“ (1990) oder „Hinter dem Horizont“ (1998), noch ein Kindermörder-Thriller wie Aldo Lados „Who Saw Her Die?“ (1972) – und doch von allem ein bißchen.
Aus diesem Grund wollen dann auch die verschiedenen Anteile und Stimmungen nicht immer recht miteinander harmonieren und erschlagen sich bisweilen sogar. Wenn Susie fröhlich mit einer weiteren Verstorbenen durch ihr kleines buntes Reich tanzt, dann wirkt das aufgrund der ernsten Thematik ziemlich fehl am Platz und reichlich morbide. Im Prinzip wird in der betreffenden Szene der Tod als echte Alternative zum Leben vorgestellt – alles ist schön und einfach, man muss dafür nur zuerst sterben. Ob diese Aussage Jacksons Intention gewesen ist, darf bezweifelt werden, nur ist er an dieser Stelle einfach merklich über sein wohl angedachtes Ziel hinausgeschossen.
Trotz der vermehrt negativen Meinungen zu „The Lovely Bones“ muss ich eingestehen, dass mir der Film unterm Strich eigentlich durchaus gefallen hat. Wie eingangs erwähnt, besteht allerdings immer noch eine gewisse Ratlosigkeit von meiner Seite, denn als wirklich
guten Film kann ich das Werk aufgrund seiner unübersehbaren Schwächen nun auch nicht recht bezeichnen. Es ist seltsam. Durchweg melancholisch. Manchmal bitter-süß. Und außerdem unerwartet düster und grausam – kein Film für beinharte Horrorfreaks und dennoch irgendwie
creepy (eine passende deutsche Übersetzung für das Wort fällt mir leider nicht ein), unangenehm.
Vielleicht muss man die stilistische Zerfahrenheit, das permanente Pendeln zwischen Drama, Fantasy und Horror, letztlich paradoxerweise sowohl als größte Schwäche als auch stärksten Trumpf des Films werten. Dieser Widerspruch verhindert einerseits, dass aus „The Lovely Bones“ ein homogenes Meisterwerk entstehen konnte, verleiht ihm aber andererseits eine gewisse Individualität und Unberechenbarkeit.
Die zwischen
gelungen und extrem
kitschig wechselnden, digitalen Effekte, wirken nicht selten wie ein fauler Kompromiss, um auch bloß alle Anhänger der „Herr der Ringe“-Trilogie in die Lichtspielhäuser zu locken – besser funktioniert hätte „The Lovely Bones“, wenn man die Trickserei wirklich nur auf aussagekräftige Bilder (Hat z.B. der Baum, dessen Blätter sich in Vögel verwandeln, eine tiefere Bedeutung als den optischen Reiz?!) beschränkt und ansonsten der sehr engagierten Darstellerriege mehr Platz eingeräumt hätte.
Da an allen Ecken und Enden so viel passiert, verliert man als Zuschauer recht schnell den Überblick für das Wesentliche, nämlich das erschütternde Familiendrama, unter dem rosa-roten Zuckerguss. Dieses kommt bis auf Papa Jack bei der Ausarbeitung der Charaktere etwas kurz, viele Figuren wirken Schablonen-haft (Rachel Weisz als Susies Mutter) oder überzogen (Susan Sarandon als dauer-alkoholisierte Grandma sorgt etwas unpassend für den humoristischen Part). Die Schuld dafür liegt dann auch nicht bei den Schauspielern, sondern bei dem relativ hektischen Fortschreiten der Geschichte, die unterstützend (aber manchmal zu penetrant) von Susies Erzählstimme aus dem Jenseits kommentiert wird.
Dass das Werk in einer inszenatorisch abgespeckten Version besser gewirkt hätte, beweisen die eindrucksvollsten Szenen von „The Lovely Bones“, wie z.B. das Aufeinandertreffen von Jack Salmon mit dem von Stanley Tucci mit einer dämonischen Präzision verkörperten George Harvey, das in seiner Intensität jeden Computertrick um Längen schlägt. Und dass Peter Jackson auch mit Charakter-orientierten Dramen überzeugen kann, hat er ja nicht zuletzt 1994 mit „Heavenly Creatures“ bewiesen.
Als wirkungsvoll erweist sich auch der Einsatz einiger wahrlich schockierender Bilder, die wieder leicht an Jacksons Genre-Wurzeln (u.a. „
The Frighteners“) erinnern und dabei helfen, die ernste und leider sehr aktuelle Kindermörder-Thematik trotz der psychedelischen
Himmels-Expressionen in den Köpfen der Zuschauer zu verankern. Es sind eben diese Momente, die sich nach dem Abspann noch lange im Gedächtnis festbrennen und der Story eine pechschwarze Abgründigkeit verleihen.
„The Lovely Bones“ ist ein interessanter und mit seiner atmosphärischen Breite recht einzigartiger Film, der allerdings auch wegen seiner Überfrachtung an echter Substanz einbüßt. Einige Elemente, wie z.B. auch die mühevoll dazwischengepresste, obligatorische Teenager-Lovestory, wirken in der Verfilmung irgendwie „falsch“. Nur stecken hinter einer solchen Großproduktion auch immer finanzielle Interessen, über die sich wahrscheinlich nicht einmal ein Hollywood-Schwergewicht wie Peter Jackson vollständig hinwegsetzen kann. Die pubertäre „Twilight“-Crowd zahlt für kitschige Kinoromantik und wird als zusätzliche Zielgruppe eben zu gerne mitgenommen – auch wenn ihr das hässliche Monster unter der Zuckerwatte kaum schmecken wird.
Wenn man sich schließlich an das Wechselspiel aus
hell und
dunkel gewöhnt hat, und sich mit der dargebotenen, allzu gutherzigen Naivität abfinden kann, sollte der Film zumindest bei Freunden dramatischer Stoffe recht gut funktionieren.
Keine Frage, „The Lovely Bones“ wirkt im Blockbuster-Format mit all den teuren Effekten unnötig aufgeblasen. Aber jetzt wiederhole ich mich. Ich belasse das Werk mit einer tendenziell positiven Wertung stehen und sehe zu, wie sich die Wölfe darauf stürzen. Vielleicht fallen mir ja dann noch weitere Punkte für eine Diskussion ein.