Es ist schon halbwegs unfassbar, dass es bereits elf Jahre her ist, dass im Jahre 2001 Peter Jacksons erster Herr-der-Ringe-Film die Kinolandschaft eroberte. Vor elf Jahren sah man die gewaltige Landschaft Neuseelands, grandiose Schauspieler, liebevolle Ausstattung und nicht zuletzt fantastische Effekte, die man so noch nie gesehen hatte. Und jetzt, nach elf Jahren, schafft es also auch endlich „Der Hobbit“ ins Kino, nach jahrelangen Problemen in der Vorproduktion, abgesprungener Regisseure, juristischer Streitereien und vieles mehr. Trotzdem, soviel sei bereits gesagt: Jacksons Werk kann erneut überzeugen und setzt wieder die technische Messlatte um einiges nach oben. Allerdings hat „Der Hobbit – Eine unerwartete Reise“ auch mit einigen Problemen zu kämpfen, die sich bereits in „
King Kong“ vom gleichen Regisseur beobachten ließen.
60 Jahre vor den Geschehnissen in „Die Gefährten“: Bilbo Beutlin lebt das gemütliche Leben eines Hobbits im Auenland, als er eines Tages überraschenden Besuchs des schrulligen Zauberers Gandalf bekommt. Er weist ihn zwar ab, doch kurze Zeit später taucht eine Horde Zwerge auf, die Beutelsend ins Chaos stürzt. Die Zwerge wollen mit Gandalf die alte Zwergenstadt am Einsamen Berg zurück erobern und den Drachen Smaug töten, der das Zwergenvolk hier vor vielen Jahren vertrieb: Bilbo soll die Abenteurergruppe als Meisterdieb vervollständigen. Bilbo, der je
doch noch nie in seinem Leben etwas gestohlen hat, weigert sich jedoch. Allerdings entschließt er sich nach kurzer Zeit, doch diese unerwartete Reise anzutreten und erlebt gemeinsam mit seinen neuen Gefährten eine fantastisches Abenteuer voller Gefahren. Denn in Mittelerde rührt sich bereits etwas Böses...
Vorneweg muss ich eines klar stellen: ich liebe die Herr-der-Ringe-Filme von Peter Jackson und halte sie den Buchvorlagen gegenüber auch in einigen Szenen für überlegen. So denke ich, dass das Kürzen des Einstiegs, inklusive dem Entfernen von Tom Bombadil und den Hügelgräbern eine gute Entscheidung war. Eine Buchverfilmung muss sich meiner Meinung nach nicht sklavisch an seine Vorlage halten, sondern darf sich natürlich künstlerische Freiheiten nehmen, um die Umsetzung in dem anderen Medium möglichst perfekt zu machen. Das gelingt Peter Jackson über weite Strecken ganz hervorragend, ohne den Geist der Vorlage zu vernachlässigen.
Im Falle von „Der Hobbit“ habe ich den Roman natürlich auch gelesen, allerdings ist das schon mindestens 15 Jahre her und ich vermag mich weder an die Handlung komplett noch an einzelne Details erinnern. Das hat einerseits den Nachteil, dass ich die direkte Umsetzung von Tolkiens Buch nur schwer bewerten kann, andererseits muss mich der Film als eigenständiger Film überzeugen können; so muss man auch der Handlung folgen können, ohne mögliche Leerstellen durch Vorwissen füllen zu müssen. Es ist klar, dass der Film als erster Teil einer Trilogie kein richtiges Ende hat; dies war aber auch schon bei den Herr-der-Ringe-Filmen der Fall, und auch im vorliegenden Streifen setzt Jackson an der richtigen Stelle den Schnitt, um uns den nächsten Teil herbeisehnen zu lassen. Der Film ist so rund geworden, wie es angesichts der Geschichte möglich war.
Fangen wir einfach bei den Dingen an, die wir aus Jacksons anderen Filmen bereits kennen: die Ausstattung und Schauspieler sind einfach fantastisch. Ursprünglich hätte ja Guillermo del Toro Regie führen sollen. Auch er wäre wahrscheinlich den selben Weg gegangen und hätte möglichst viel mittels praktischen Effekten und Ausstattung realisiert. Jacksons Filme wirken einfach viel lebendiger als etwa die neueren Star-Wars-Filme, weil beispielsweise die Schauspieler halt wirklich einem Beutelsend-Set stehen, und nicht vor einem Green Screen agieren. Erneut wirkt jeder Gegenstand nicht etwa wie eine Requisite für einen Film, sondern als ob er wirklich jahrzehnte- oder jahrhundertealt wäre und eine eigene Geschichte erzählen könnte. Die Sets stehen dem ganzen natürlich nicht nach: ein abgebrannter Bauernhof wirkt tatsächlich wie ein Hof der nunmal abgebrannt ist; Beutelsend sieht so aus, als würde hier wirklich jemand leben; und Bruchtal ist erneut dieser märchenhaft-mystische Ort, an dem der geheimnisvolle Herr Elrond und Frau Galadriel leben und herrschen. Auch die Masken und Kostüme der Figuren können auf ganzer Linie überzeugen. Gerade durch den Einsatz von Red Epic Kameras ist jede Pore und jeder Haaransatz glasklar zu erkennen: ein Albtraum für die Maskenbildner, da die Haare eben tatsächlich aus der Haut wachsen müssen, und man bei den Zwergen eben keine Nahtstellen an den Latex-Teilen erkennen darf. „Der Hobbit“ präsentiert sich hier als sicherer Oscar-Kandidat und wirkt eigentlich nie so, als ob hier ein verkleideter Ian McKellen agieren würde. Was nicht zuletzt an dem fantastischen Schauspiel aller Beteiligten liegt. Besonders Martin Freeman als Bilbo ist die Idealbesetzung und geht völlig in seiner Rolle auf.
Nach all dieser Lobhudelei kommt nun die Kritik, die dem Film die Höchstwertung kostet. Es sei noch einmal daran erinnert: aufgrund der Umstände bewerte ich hier den Film als solchen und kann und will nur wenig auf die Umsetzung des Buches eingehen.
Der Einstieg ist erneut etwas holprig und haut durch eine Montage erst einmal per Brechstange ganz viel Exposition raus. Das war bei „Die Gefährten“ zwar ähnlich, wirkte aber einerseits natürlicher und andererseits durch die damals nagelneue Technik gleich noch einmal beeindruckender. Ein anderer Einstieg ist sicherlich schwierig zu finden, da die Hintergrundgeschichte einfach erzählt werden muss. Daher soll dies auch kein großer Kritikpunkt sein; vor allem deshalb nicht, weil im Anschluss daran die unmittelbaren Minuten oder Stunde vor „Die Gefährten“ erzählt werden, was eine ganz wunderbare Idee ist und die Fans sogleich heimisch werden lässt. Allerdings krankt „Der Hobbit“ insgesamt an seiner Erzählung. Der Beginn ist wieder sehr atmosphärisch und lässt sich enorm viel Zeit um die Welt und die Figuren einzuführen. Sogar so viel Zeit, dass auch zwei Lieder eingebaut werden – sehr schön, dass Jackson solchen Dingen Raum gibt. Andererseits läuft der Film zu Beginn manchmal schon mit angezogener Handbremse und es dauert doch ein gutes Stück, bis etwas passiert. Viel schwieriger sind allerdings die letzten zwei Drittel des Films: wie schon bei „King Kong“ zerfällt Jacksons Erzählung in eine ziemlich episodenhafte Struktur und wirkt manchmal wie der Zusammenschnitt einer Serie ala „Monster of the Week“. Da wandert die Gruppe zum Einsamen Berg und stößt dann mal auf diese wundersame Begebenheit oder wird von jenem Monster angegriffen. Genau dieses Problem ließ sich bei „King Kong“ ebenfalls beobachten. Es passiert viel, aber die Handlung tritt quasi auf der Stelle. Gefühlt löste „Die Gefährten“ dieses Problem besser; vielleicht liegt das an der Buchvorlage, vielleicht aber auch daran, dass die Zwerge als Figuren untereinander nur wenig interagieren im Gegensatz zu den vielfältigen Gefährten der anderen Filme.
Weiterhin gibt es ein paar kleinere Details, die mich persönlich leicht gestört haben, aber den Film in seiner Gesamtheit keine Abwertung bringen. Da jagen die Orks auf ihren Wargen die Zwerge, nur um sich dann von Hasen ablenken zu lassen und auf Hasenjagd zu gehen; da werden viele Dinge nur angerissen, die eindeutig auf die zwei noch ausstehenden Teil verweisen; und es findet ein unendliches Namedropping statt, so dass an sich manchmal nicht wie im „Hobbit“, sondern vielmehr wie im „Silmarilion“, dem Telefonbuch Mittelerdes, fühlt. Viel kritisiert wurde auch der Humor, da Jackson oftmals einige Witze einbaut; das hat mich persönlich jetzt gar nicht gestört und ich fand, dass die Sprüche der Zwerge meistens gut zur Situation passten und nicht etwa wie Sätze aus dem Drehbuch wirkten.
Auf der anderen Seite sind die besten Szenen des Films manchmal auch die ganz einfachen – ähnlich wie im Buch. Die Begegnung Gollums und Bilbos ist sowohl im Buch als auch im Film mit Sicherheit eine der besten. Zwei Figuren unterhalten sich in einem beengten Raum und spielen ein Rätselspiel. Mehr brauchen weder Jackson noch Tolkien, um den hier eingeführten Gollum zu einer enorm komplexen Figur zu machen, mitsamt all seiner Bosartigkeit als auch seiner Tragik. Und Stichwort Gollum: der heimliche Star der Filme sieht im Jahr 2012 besser aus als je zuvor! Seine Mimik ist noch detailreicher und differenzierter, er fügt sich fantastisch in die realen Bilder ein und wirkt wieder wie eine echte Figur. Unglaublich! Und mit dieser eleganten Überleitung bin ich auch schon bei der Technik des Films angelangt. „Der Hobbit“ präsentiert uns Computereffekte, die die Messlatte erneut höher legen und nur noch als Computereffekte erkennbar sind, weil man eben weiß, das so etwas wie die drei Trolle nicht ohne den PC realisierbar sind. Während es in „Herr der Ringe“ noch 2-3 Szenen gab, denen die digitale Herkunft anzusehen war, tritt dies beim Hobbit nicht mehr auf. Allein der weiße Ork Azug lässt mich immer noch darüber nachdenken, was aus dem Computer war und was ein Kostüm. Diese Rezension bezieht sich auf die 3D- und HFR-Fassung. HFR bedeutet, dass der Film mit 48 Bildern pro Sekunde gezeigt wird. Dadurch wirkt der Film gerade zu Beginn wie eine Mischung aus Daily Soap und Zeitraffer, aber nach einigen Minuten hat man sich an den Effekt gewöhnt. Belohnt wird man dann mit einem überragendem (!) 3D, dass immer plastisch wirkt und eigentlich nie die auffälligen Doppelkonturen zeigt, wie es selbst bei „Avatar“ noch manchmal der Fall war. Jackson verzichtet hierbei auf einen gimmickmäßigen Einsatz der dritten Dimension, so dass sein Film auch in 2D sicherlich gut anschaubar ist. Doch trotzdem: der Eintritt ist zwar teurer, aber das 3D ist unglaublich gut gelungen! Es lohnt sich definitiv.
Was bleibt also? „Der Hobbit“ ist technisch, schauspielerisch und von der Ausstattung schlicht und ergreifend brillant. Der ganz große Aha-Effekt wie bei den anderen Filmen fehlt hier zwar, aber in seinen Verbesserungen triumphiert er erneut. Allerdings schwächelt „Der Hobbit“ in seiner Erzählung und seiner Inszenierung. Dies mag an Regisseur Jackson, an Autor Tolkien, oder an Drehbuchschreibern Jackson, Walsh, del Toro und Boyens liegen; aber die Probleme lassen sich kaum verleugnen. Dies mag zwar Kritik auf hohem Niveau, Geschmackssache und vielleicht Haarspalterei sein, aber eine Wertung von fünf Sternen lässt den anderen zwei Filmen aber auch noch Luft nach oben.
Ich freue mich jedenfalls aufs nächstes Jahr!