„Maybe we're lying here because you don't wanna be standing somewhere else.“
Ein Mann trifft eine Frau. Dies ist nichts Neues in der Welt des Films, ebenso in der unsrigen Welt. Meistens ergeben sich diese Situationen aus vorgeschalteter Eigeninitiative, die in der heutigen Zeit nicht selten den Möglichkeiten der multimedialen, weltweiten Vernetzung entspringt. Doch auch die altmodische Art des Kennenlernens, das spontane Ansprechen in einer Bar beispielsweise, soll hier nicht ungenannt bleiben. Ein flüchtiger Blick etwa, der mehr sagt, als es tausend Worte je könnten, lässt das Gegenüber bestenfalls allen Mut zusammennehmen, denn was hat man schon groß zu verlieren?
Wenn sich aus solch einer flüchtigen Bekanntschaft mehr entwickelt als nur Freundschaft, wird recht häufig das Schicksal als Erklärungsgrund bemüht, jene höhere Macht, die ohne Zutun des Menschen das Leben jedes Einzelnen nachhaltig beeinflussen soll.
Doch nicht jeder glaubt an das Schicksal. Vor allem der Umstand, dass alles ohne unser Zutun geschieht und wir im Grunde nur Marionetten in einem großen Spiel sein sollen, bei dem die Würfel schon längst gefallen sind, gefällt nicht jedem. Vielfach fällt in diesem Zusammenhang deshalb der Name der sogenannten
Serendipität. Dieses nebulös klingende Etwas von einer Wortschöpfung bezeichnet ihrem Wortlaut nach nichts anderes als eine zufällige Fügung, die eine
n vorbereiteten Geist begünstigt, also unter anderem den eifrigen Forscher, der schließlich etwas gänzlich Anderes als das ursprünglich Gesuchte zu Tage fördert. So entdeckte Wilhelm Conrad Röntgen beispielsweise die Röntgenstrahlung, als er fluoreszierendes Licht beim Betrieb der Kathodenstrahlröhre beobachtete. Weitergefasst lässt sich die Serendipität gemeinhin als „glücklicher Zufall“ umschreiben, von dem im folgenden nun die Rede sein soll.
Sara Thomas (Kate Beckinsale, „Van Helsing“ [2004], „
Motel“ [2007]) und Jonathan Trager (John Cusack, „
Stand By Me - Das Geheimnis eines Sommers“ [1986], „
The Contract“ [2006]), beide in glücklichen Beziehungen, sehen sich zum ersten Mal in ihrem Leben, als sie beide beim Weihnachtseinkauf in New York zufällig dieselben Handschuhe erwerben möchten. Jon überlässt der hübschen jungen Frau kurzerhand das letzte Paar Handschuhe, bittet sie aber gewissermaßen als kleine Gegenleistung darum, ihn auf einen Kaffee zu begleiten. Während die beiden ins Gespräch kommen, verstreichen allmählich die Stunden, wird es später Nachmittag, bis sich der Abend schließlich anschickt, seine Schicht anzutreten. Und so kommt der Punkt, da sich Jon und Sara – die sich trotz der Tatsache, dass sie jeweils vergeben sind, immer mehr ineinander zu verlieben drohen – wieder trennen müssen, um in ihr jeweiliges Leben zurückzukehren. Jon möchte Sara unbedingt wiedersehen und bittet daher um ihre Anschrift und Telefonnummer, was diese jedoch mit Hinweis darauf ablehnt, dass das Schicksal über sie beide entscheiden sollte. Kurzerhand lässt sie Jon seine Telefonnummer auf einen 5-Dollar-Schein schreiben, mit dem sie eine Rolle Pfefferminz kauft, während sie selbst ihre Daten in ein Exemplar des Buches „Die Liebe in Zeiten der Cholera“ schreibt, welches sie sodann in einem Second-Hand-Laden verkauft. Nur dann, so Sara, wenn beide diese Gegenstände wiederfinden, steht unmissverständlich fest, dass sie beide füreinander bestimmt sind. So trennen sich ihre Wege. Aber das Schicksal (?) hat erst gerade angefangen, Schicksal zu spielen.
Peter Chelsom, der unter anderem 1998 mit „
The Mighty“ eine wunderbar feinfühlige und letzten Endes zu Tränen rührende Geschichte inszeniert hat, widmet sich in
„WEIL ES DICH GIBT“ (
„Serendipity“) einem nur auf den ersten Blick ausgelutschten Thema. Die Geschichte zweier Menschen, die sich treffen und sofort ineinander verlieben, erscheint zwar altbekannt, ist aber vorliegend in der Lage, der schon so häufig bemühten Standard-Romantik-Komödie einige neue, interessante Aspekte abzugewinnen. So steht die Person der Sara für all jene unter uns, die noch nicht so recht ihrem Herzen vertrauen möchten, sondern lieber höhere Kräfte walten lassen, um kein Chaos in das ansonsten geregelte Leben zu bringen. Jon hingegen, der von Anfang an hin und weg ist von seiner bildhübschen Bekanntschaft, verkörpert diejenigen, die die Liebe als etwas nicht Beeinflussbares hinnehmen. Wenn es passiert, passiert es einfach. Die Stimme des Herzens leitet uns. Im Hinblick auf Zufall und Schicksal liefert Chelsoms romantische Komödie also zunächst einmal zwei gänzlich verschiedene Sichtweisen auf das wohl am häufigsten verwendete Filmthema: die Liebe. Hieraus bezieht der Film, der ansonsten brav alteingefahrenen und bewährten Spuren folgt, zu einem großen Teil seinen Reiz, dem sowohl Männer als auch Frauen verfallen können.
Doch der Hauptgrund für das Gelingen des Films sind ohne Zweifel die beiden Hauptdarsteller, zwischen denen die Chemie einfach stimmt. Wer erkennt, dass Liebe manchmal auch weh tun kann, spricht Jon und Sara keine Sympathiepunkte ab, wenn ihre gewissermaßen „betrogenen“ Partner zum ersten Mal auf der Leinwand erscheinen. Zu allem Überfluss werden diese nämlich von
John Corbett und
Bridget Moynahan als richtig nette, liebenswürdige Menschen ohne Ecken und Kanten dargestellt. Die Liebe geht mitunter eben seltsame, verschlungene Wege, bei denen nicht immer alle freudestrahlend zurückbleiben. Traurig, aber wahr. Wahr und vor allem wichtig. Denn mit diesem gesunden Anteil an Ernst überspielt
„WEIL ES DICH GIBT“ den ein oder anderen kitschigen Moment, den es eigentlich gar nicht gebraucht hätte, um zu erzählen, was erzählt werden sollte. Das, was den Film im Endeffekt von sonstigen gleichgelagerten Produktionen abhebt, kann nämlich sowieso nicht in auch noch so schönen Bildern eingefangen werden. Die Hauptaussage erschließt sich vielmehr erst, wenn man sich fragt, warum der Film auf deutsch so heißt, wie er heißt.
Wer versucht, Zufall und Schicksal hinsichtlich Liebesglück in Einklang zu bringen, gerät mitunter nicht selten in Abgrenzungsschwierigkeiten. Manche Menschen nehmen daher einfach das Gegebene hin, ohne es zu hinterfragen. Dabei ist die Antwort auf die Frage, warum sich zwei Menschen einfach
finden, ohne wirklich gesucht zu haben, und fortan glücklich sind, so naheliegend wie einleuchtend. Lassen wir das Schicksal und die im Film teilweise etwas konstruiert wirkenden Zufälle einmal komplett außen vor und malen uns hypothetisch aus, dass Sara und Jon eines Tages Hand in Hand spazieren gehen. Sie sieht ihn plötzlich lächelnd an und fragt: „Glaubst du, es war Schicksal, dass wir nun zusammen sind?“ – Jon überlegt einen Moment, blickt nach oben und sagt schließlich mit ruhiger, sanfter Stimme: „Nein, nicht das Schicksal war verantwortlich.
Du warst es, Sara. Du allein. Wir zwei sind zusammen, weil es dich gibt.“
Kein Zufall also, kein Schicksal, sondern eine zu greifende Tatsache. Und die vielleicht schönste Liebeserklärung, die man seinem Partner überhaupt machen kann. Nicht nur zu Weihnachten.