Wenn ich sagen würde, dass ich kleine Filmproduktionen liebe, könnte es vorkommen, dass ich gefragt werde, warum dies der Fall ist. Tja, und ich würde wahrscheinlich antworten, dass sich diese Filme noch darum bemühen, mit Qualität anstatt Bombast zu begeistern. Dass es im Grunde gar nicht vieler Utensilien bedarf, um ein zufriedenstellendes, unterhaltsames Werk abzuliefern, wenn man denn nur weiß, welche Bestandteile dies sind. Und ich würde aller Voraussicht nach darauf hinweisen, dass viele Filme der letzten Jahre mit ihren wirklich lebensnahen Geschichten eindrucksvoll belegen, dass großes Budget in der Welt des Films nicht alles ist. Manche Geschichten scheinen nämlich förmlich aus dem wahren Leben gegriffen, da man erkennt, dass manche von uns sich mit dieser oder jenen Rolle durchaus identifizieren können. Und so sind es eben im Nachhinein zuweilen nicht nur einfache Geschichten, die wir dort auf der Leinwand betrachten, sondern vielmehr Dokumente oder Belege aus unser aller Leben, das tagein, tagaus die verrücktesten, schönsten und traurigsten Geschichten erzählt.
Eine der eher traurigen Geschichten, die das Leben bereithält, ist die, die
Peter Chelsom mit seiner Tragikomödie
„THE MIGHTY“ erzählt, handelt sie doch von dem Außenseiter Max (Elden Henson), der für sein Alter zu groß gewachsen ist. Diese Tatsache hat dem gutmütigen Jungen, der bei den Eltern seiner ermordeten Mutter aufwächst, bisher k
einen einzigen Freund beschert, so dass der als zurückgeblieben beurteilte Max nach und nach resigniert und auch gar keinen weiteren Versuch unternimmt, welche zu finden. Doch bekanntermaßen kommt es im Leben erstens anders und zweitens, als man denkt. So zieht eines schönen Tages in das gegenüberliegende, bisher leerstehende Haus der gleichaltrige Kevin (Kieran Culkin) ein. Anders als Max leidet der arme Junge an einer Behinderung, die das Wachsen des Körpers unterbindet. Auch Kevin wurde zum Außenseiter, der sich selbst „Freak“ nennt, jedoch in Wirklichkeit ein kleines Genie ist. Wahrscheinlich sind es diese Gegensätze, die die beiden Jungen letztlich zusammenführen. Kevin, ein großer Verehrer der Sagen um König Arthur, und der sanfte Riese Max werden schlussendlich Freunde, indem sie ihre Fähigkeiten kombinieren. Das schlaue Genie, gefangen in einem rebellierenden Körper, wird zum leitenden Gehirn, während Max, geistig nicht sonderlich fit, als ausführender Körper fungiert. Und so bestreiten die beiden Freunde einige Zeit ihr Leben gemeinsam und scheinen für einen kurzen, glücklichen Moment völlig zu vergessen, dass das Schicksal ihnen jeweils nicht gerade wohlgesonnen war. Doch all die Freude über die gemeinsame Stärke, all der Spaß kann letztlich nicht verbergen, dass diese für Max neue Welt – aufgebaut aus dem Stoff, aus dem Sagen und Legenden sind –, diese Welt des gemeinsamen Helfens und Zusammenhaltens auch nur ein weiterer, vorübergehender Moment ist. Denn der Junge erkennt, dass es um Kevin schlimmer steht, als dieser ihm glauben machen wollte. Das Leben holt die beiden ein.
Es ist keine leichte, beschwingte Kost, die Chelsom uns da vorlegt. Zwar gibt es einige Lacher während der 96 Minuten Laufzeit zu verzeichnen, doch überwiegt letztlich ein seltsames Gefühl, das irgendwo zwischen Glücklichsein und Traurigkeit angesiedelt ist, wenn der letzte Name des Abspanns über den Bildschirm geflimmert ist. Die lebensnahe Handlung über zwei Außenseiter, die durch die Kraft der Freundschaft gemeinsam ein Leben nach ihren Vorstellungen leben, ist in ihrer Eindringlichkeit ein beeindruckendes Beispiel dafür, wie ein Film durch seine erzählte Geschichte Substanz, ein Gesicht erhält. Man freut sich zunächst mit den beiden Hauptcharakteren, sieht mit überaus strahlenden Augen auf das bunte Treiben zweier Menschen, die endlich wieder Lust am Leben bekommen zu haben, nur um gegen Ende für einen kurzen Moment gefühlsmäßig in ein tiefes, schwarzes Loch zu fallen. Wie Max sich von den Sagen und Legenden hat blenden lassen, so haben auch wir aufgrund der unglaublich gefühlvoll erzählten Geschichte vorsätzlich die Augen verschlossen, um zu vergessen, dass das, was kurz vor Ende des Films so evident wie unabwendbar ist, uns mit ebensolcher Härte treffen wird wie den armen, sanften Riesen Max. Das Leben ist nicht immer schön, und doch gibt es Möglichkeiten, es zumindest für längere Zeit schön
erscheinen zu lassen.
Hier ist es die Freundschaft zweier ausgegrenzter Individuen, die eine eigene Welt erschafft, in der Zusammenhalt noch wirklich was zählt. So ist es auch zu einem großen Teil dem Spiel der Jungschauspieler
Elden Henson und
Kieran Culkin zu verdanken, dass der Zuschauer gegen Ende gerührt und gleichermaßen zufrieden zurückbleibt, weil so viel Wahres in
„THE MIGHTY - GEMEINSAM SIND SIE STARK“ steckt. Denn auch wenn der Film nicht mit einem Happy End im herkömmlichen Sinne aufwartet, so huscht doch letztlich das ein oder andere Glänzen über unsere Augen, weil wir unweigerlich erkannt haben, dass das Ende so, wie es ist, nicht besser hätte gewählt werden können. So traurig es auch sein mag. Trotzdem – oder gerade deshalb – ist Peter Chelsoms Verfilmung eines Jugendromans von
Rodman Philbrick eine wunderbare Parabel auf die Menschlichkeit und das Leben an sich, die - ohne allzu offensichtlich zu moralisieren - eine sowohl traurige als auch unterhaltsame Geschichte mitten aus dem Leben erzählt und nicht nur den Autor dieser Zeilen in seiner Vorliebe für kleine, ruhige Filmproduktionen vollends bestätigt hat. Das Leben schreibt mitunter eben doch die verrücktesten, lustigsten und auch traurigsten Kapitel.