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Alles wegen Molly

Alles wegen Molly

Ein Film von Peter Bogdanovich

Auch großartige Regisseure können absolute Katastrophen fabrizieren: Man denke nur an Roman Polanskis wirren Unfug WAS?, an das haarsträubend überflüssige Remake von PSYCHO, das Gus van Sant 1998 drehte, an Francis Ford Coppolas peinlich trantütigen JACK, oder an Paul Verhoevens hemmungslos entglittenen SHOWGIRLS. Oder auch an ALLES WEGEN MOLLY, im Original ILLEGALLY YOURS, einer sagenhaft mißglückten Komödie von dem Mann, der einst für DIE LETZTE VORSTELLUNG als Wunderkind gefeiert wurde.

Peter Bogdanovich nahm den Auftrag zu ILLEGALLY YOURS an, weil er Geld brauchte. Er hatte Millionen in den Vertrieb seines Films SIE HABEN ALLE GELACHT (1981) gesteckt, nachdem das Studio die Liebeskomödie aufgegeben hatte; weiteres Geld floß in die Finanzierung des Films CITY GIRL, den Martha Coolidge 1984 inszenierte, und obwohl Bogdanovich selbst mit dem Drama DIE MASKE 1985 Universal einen Hit beschert hatte, verzettelte er sich in einem Gerichtsverfahren gegen die Studiobosse, weil die entgegen seinen Wünschen und seinem zugesicherten Final Cut die verwendeten Songs von Bruce Springsteen nicht bezahlen wollten (oder konnten) und gegen Stücke von Bob Seger ausgetauscht hatten - kein cleverer Schac
hzug für einen Filmemacher, dessen Filme trotz ihrer künstlerischen Meriten seit 1974 auf wenig finanzielle Gegenliebe gestoßen waren. Hinzu kam, daß Bogdanovichs private und emotionale Stabilität fast zusammengebrochen war, als 1981 seine Freundin Dorothy Stratten, mit der er drei Monate zusammen war, von deren getrennt lebendem Ehemann ermordet wurde.

Trotz des Erfolges von DIE MASKE mußte Bogdanovich also im November 1985 den Bankrott erklären und war auf Arbeit angewiesen. Dino De Laurentiis, mit dem er schon seit einiger Zeit über eine mögliche Zusammenarbeit sprach, bot ihm ein Projekt an, das theoretisch zum Regisseur gepaßt hätte: Eine moderne Screwball-Komödie um einen chaotischen Studienabbrecher, der zum Geschworenen in einem Mordfall berufen wird - und weil er in frühen Schuljahren in die Angeklagte verliebt war, versucht er, ihre Unschuld zu beweisen und dabei ihr Herz zu gewinnen, ohne dabei zu erkennen zu geben, daß er sie kennt (weil er dann nicht mehr als unparteiischer Geschworener fungieren dürfte). Eigentlich ein solides Projekt für einen Regisseur, der 1972 mit seiner Hawksschen Komödie IS' WAS, DOC? die Screwball-Komödien der Dreißiger gekonnt emulierte und damit einen Kassenhit landete.

Der Film wurde zu einem kompletten Fiasko. Das Drehbuch von Max Dickens und M.A. Stewart (für die ILLEGALLY YOURS ihr einziger Film bleibt) war schon zu Beginn nicht wirklich ausgegoren; einige Tage vor Drehbeginn wollte De Laurentiis aber auch, daß es komplett umgeschrieben wird. Die Drehbedingungen waren katastrophal, die Eltern von Colleen Camp (die Molly spielt) lagen im Sterben, und das Geld ging aus, bevor der Film fertig abgedreht werden konnte. Im Schneideraum probierten Bogdanovich und sein Cutter, irgendetwas zu retten, aber diverse Szenen konnten gar nicht verwendet werden, weil die schauspielerischen Leistungen zu schlecht waren. Letztendlich wurde ein notdürftiges Flickwerk zusammengebastelt, das bis 1988 im Regal lag und dann von MGM eine Woche lang in San Francisco und San Jose im Kino gezeigt und danach flugs in der Videothek begraben wurde. In Deutschland kam der Film erst im Dezember 1990 als Videopremiere heraus (zuerst als DIE UNSCHULD DER MOLLY; spätere Veröffentlichungen trugen die Titel MOLLY UND DER UNGLÜCKSRABE und FÜR MOLLY DURCH DIE HÖLLE).

ILLEGALLY YOURS ist, angesichts der Entstehungsgeschichte wenig überraschend, eine Katastrophe. Der Plot - in einer Screwball-Komödie muß die Handlung einerseits völlig irrelevant und andererseits vertrackt genug sein, um in seiner unglaublichen Konstruktion selbst auch schon ein unterhaltsamer Witz zu sein - ist hoffnungslos zerfahren und absolut uninteressant, obwohl weite Strecken des Films so gehalten sind, daß einen die Verwicklungen doch bitteschön amüsieren sollen. Wie sehr Bogdanovich vor dem Prozedere kapituliert haben muß, zeigt sich noch vor dem Vorspann: Der Mord, um den es geht, wird mit einem Voice-Over gezeigt, das uns die handelnden Personen und ihre Verbindung zum Geschehen klarmachen soll - und natürlich involviert das keinen Zentimeter und hilft trotzdem wenig, auf die Schnelle über die Zusammenhänge Bescheid zu wissen. Auch an anderen Stellen muß das Voice-Over immer wieder herhalten, um wichtige Plot Points zu erläutern, Motivationen greifbar zu machen, oder einfach zu erklären, wer da gerade warum zu sehen ist, und wo wir uns jetzt eigentlich befinden. Da wir schon von Anfang an wissen, daß Molly unschuldig ist, und aber die Nachforschungen des jungen Studenten nicht immer nachvollziehen können, entsteht auch zu keinem Zeitpunkt die Art von komischem Suspense, die selbst die entspanntesten Momente der gewitzten Chaos-Konstruktion eines BIG LEBOWSKI immer aufweisen können.

Nächstes Problem: Die Schauspieler. Wie auch sonst in seinen Filmen inszeniert Bogdanovich viele Szenen immer wieder in einer einzigen Einstellung, wozu er an anderer Stelle auch gerne erklärt, daß man das nur machen kann, wenn man erstklassige Schauspieler hat, die diese minutenlangen Sequenzen auch durchspielen können. In ILLEGALLY YOURS hat Bogdanovich Rob Lowe, der in jeder Sekunde versucht, Ryan O'Neal in seiner Rolle aus IS' WAS, DOC? nachzuahmen (der ja wiederum dort stets Cary Grant in LEOPARDEN KÜSST MAN NICHT nachahmte). Lowes nervöses Gefuchtel und seine aufgesetzte Tolpatschigkeit wären schon genug, den Film zu versenken - der gute Junge hat keinen Fokus, keinen Rhythmus, keine Präsenz und kein Charisma in der Rolle. Dazu kommt aber noch, daß die anderen Schauspieler nirgendwo interessant anzusehen sind oder ihre Rollen mit komischem Talent ausfüllen - von vorne bis hinten sehen wir nur beständig einer drittklassigen Schulaufführung zu. Die wenigen Darsteller, die eigentlich viel Besseres leisten könnten - Colleen Camp zum Beispiel, der Western-Oldtimer Harry Carey, Jr., oder der pompöse Kenneth Mars, der in IS' WAS, DOC?, THE PRODUCERS und FRANKENSTEIN JUNIOR so vehement die Leinwand mit seinen bizarr-genialen Figuren an sich gerissen hat - haben nichts zu tun, werden in Kurzauftritten verheizt, oder gehen angesichts des Drehbuchs und der mangelnden Energie ihrer Kollegen gnadenlos unter.

Der Film zeigt, warum Komödie als Königsklasse gilt, und warum gerade die Screwball-Komödie stets ein Drahtseilakt ist: Ein falscher Schritt, ein unbedachter Moment, eine unpräzise Bewegung, und die Show ist zuende. Bogdanovich ist ja auch niemand, der an und für sich komisch ist - so wie Wes Anderson in seiner putzigen Verschrobenheit nicht immer auf die Effizienz seiner Pointen angewiesen ist - sondern beherrscht die reine Komödie nur dann, wenn er mit genauer Kontrolle den Witz fast mechanisch zusammenbaut: Die strengen Kamerafahrten in IS' WAS, DOC? zeugen ebenso davon wie die Slapstickkonstruktion NOISES OFF.

1990 drehte Bogdanovich dann TEXASVILLE, die Fortsetzung von DIE LETZTE VORFÜHRUNG. Auch wenn der Film an der Kasse durchfiel, zeigt er dennoch, daß der Regisseur nichts von seinem Talent eingebüßt hat. Angesichts von ILLEGALLY YOURS mußte man sich da 1988 ganz schwere Sorgen machen.

Eine Rezension von Christian Genzel
(12. Dezember 2009)
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Daten zum Film
Alles wegen Molly USA 1988
(Illegally Yours)
Regie Peter Bogdanovich Drehbuch Max Dickens, M.A. Stewart
Produktion Crescent Moon / De Laurentiis Entertainment Group Kamera Dante Spinotti
Darsteller Rob Lowe, Colleen Camp, Kenneth Mars, Kim Myers, Harry Carey Jr.
Länge 102 FSK 12
Filmmusik Phil Marshall
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