Dass Superhelden auch einmal Tage haben, an denen es nicht ganz so rund läuft, sollte spätestens ab dem Zeitpunkt klar gewesen sein, da „
Die Unglaublichen“ das Licht der Leinwand erblickten. Gebeutelt von Alltagsproblemen, konfrontiert mit sinkender Akzeptanz durch die Bevölkerung: Plötzlich war es das Leben selbst, das den Platz eines fast unbesiegbaren Gegners einnehmen sollte. Mit diesem „Feind“ hatte wohl keiner gerechnet, am allerwenigsten die mit Superkräften Ausgestatteten. Und er setzt sein Wirken auch heute noch munter fort, ohne Rücksicht auf Verluste.
Dieses Mal erwischt es einen, den es im Grunde gar nicht mehr schlimmer treffen könnte. Superheld John Hancock (Will Smith, „
I Am Legend“ [2007]) besitzt zwar übermenschliche Kräfte, kann mit Überschall fliegen und ist praktisch unverwundbar. Leider paaren sich diese Eigenschaften jedoch in seiner Person mit einem stark ausgeprägten Hang zum Alkoholkonsum, notorischer Unfreundlichkeit und diversen sarkastischen Einschlägen, was als Summe wohl keinem anderen Helden unserer Zeit gut zu Gesicht stehen würde. So auch nicht Hancock, der in seinem versoffenen Zustand neben alltäglichen Parkbank-Übernachtenden kaum auffallen würde, wäre, ja, wäre da nicht sein hier und da mehr oder minder „beherztes“ Eingreifen, um den Menschen in seiner Umgebung
zu helfen. Leider münden diese Aktionen in letzter Zeit fast ausschließlich in einem mittelgroßen Desaster, das einhergeht mit viel Schaden, hohen Kosten und viel Ärger aufseiten der Bevölkerung. Da ein schlechter Ruf bekanntlich meistens auf dem Fuße folgt, wenn man ihn gerade überhaupt nicht gebrauchen kann, wird auch bei unserem Spezi keine Ausnahme gemacht. Was Hancock auch versucht: sein Tun trifft zunehmend auf weniger Gegenliebe, so auch an dem Tage, als er den PR-Berater Ray Embrey (Jason Bateman, „
Juno“ [2007]) mitsamt Auto vor einem herannahenden Zug rettet. Auch hier geht wieder einiges unsanft zu Bruch, was den Unmut der Umherstehenden nur noch mehr schürt. Doch Embrey ist trotz allem überaus dankbar und bietet Hancock an, seinen angeknacksten Ruf wieder hinzubiegen. Dieser besinnt sich schließlich mehr oder weniger klaren Kopfes eines Besseren und nimmt das Angebot an. Vor allem, als er Bekanntschaft mit Embreys attraktiver Frau Mary (Charlize Theron, „
Aeon Flux“ [2005]) macht. Eine schicksalhafte Begegnung, die – wer hätte es erahnt? – nicht ohne Folgen bleiben soll.
Keine Frage: was sich hier zunächst auf dem Bildschirm wie eine unterhaltsame Alternative zu den vor allem in den letzten Jahren in Mode gekommenen Superhelden-Epen liest, erweist sich auch bei näherer Betrachtung als überaus kurzweiliger (92 Minuten inklusive Abspann!) Spaß für zwischendurch. Nachdem
Will Smith in den letzten Jahren eher ernstere Filmrollen angenommen hatte, präsentiert er sich in der Action-Dramödie
„HANCOCK“ von
Peter Berg („
Very Bad Things“ [1998]) nun wieder als Comedy-Schauspieler par excellence. Seine Verkörperung des Anti-(Super-)Helden ist ein großartiges Pendant zu den sonst so makellosen und unfehlbaren Helden unserer Zeit und ringt dem schon als „ausgelutscht“ titulierten Genre zumindest in den ersten Minuten des Kinotreibens neue, interessante und vor allem amüsante Aspekte ab. Es sind gerade die Macken, die diesen Helden der etwas anderen Art auszeichnen. Gewissermaßen macht Hancock also da weiter, wo der überaus gelungene „
Iron Man“ [2008] vor wenigen Wochen aufgehört hat. Wären da nicht einige Dinge, die den guten Gesamteindruck der ersten Minuten trüben, doch dazu gleich mehr.
Erwähnenswert ist nämlich zunächst noch, dass sich der Film neben den Schauwerten, die
Charlize Theron wieder einmal bietet, auch in sonstiger optischer Weise auf einem fast uneingeschränkt guten, sehr hohen Niveau bewegt, was vor allem zwei Personen geschuldet ist. Da wäre zum einen
John Dykstra – der Mann, der „
Spider-Man“ [2002] schon überaus effektvoll das „Fliegen“ beibrachte. Auch für diese Produktion aus dem Hause Sony stand er als Visual-Effects-Guru zur Verfügung. Wer nun aber hier Effekte-Bombast allererster Güte erwartet, wird etwas enttäuscht sein. Denn abgesehen von einigen wenigen Kracher-Effekten ist nichts wirklich sonderlich spektakulär in Szene gesetzt, was es nicht anderswo in gleicher Qualität schon zu bestaunen gegeben hätte. Beinahe altmodisch präsentiert er sich nämlich, unser Hancock, vor allem in den Flugszenen, bei denen der Bluescreen-Einsatz mehr als offensichtlich ist. Trotz dieser Abzüge in der B-Note muss dennoch zugestanden werden, dass ansonsten solide Kost geboten wird, wie es nicht anders bei einem 150 Millionen Dollar Budget zu erwarten ist.
Zum anderen – und das ist eigentlich viel wichtiger – hat Regisseur Berg mit
Tobias A. Schliessler einen überaus fähigen Kameramann ins Boot geholt, dem es wunderbar gelingt, das Hauptaugenmerk des Zuschauers auf dasjenige zu lenken, was wirklich von Belang ist. Denn
„HANCOCK“ ist bei aller Effekt-Action und Dramatik vordergründig die Geschichte von Einzelschicksalen, von Menschen, weshalb Schiessler mehr als nur einmal die Protagonisten ins Zentrum des Geschehens rückt. Bewerkstelligt wird dies durch geschickt eingestreute Close-ups, die jede Nuance, jede Emotion des jeweiligen Charakters einfangen und dem Zuschauer buchstäblich
näher bringen. Wer nun denkt, der Erzählfluss des Films würde unter diesem Stilmittel leiden, irrt im übrigen gewaltig, da sich im Gegenteil vieles, das sich in den Emotionen zunächst nur vage andeutet, im späteren Verlauf der recht kurz bemessenen Laufzeit als überaus wichtig herausstellen soll. Mehr wird an dieser Stelle aber nicht verraten.
Somit kommen wir nun zu guter Letzt noch zu dem, was
„HANCOCK“ im Endeffekt eine höhere Wertung abspenstig macht: der (misslungene) Versuch, sein Dasein zu erklären und die damit einhergehenden Folgen. Dieser Aspekt der Geschichte, der in den letzten 20 Minuten des Films zur Sprache kommt, ist nämlich selbst für einen Superhelden-Film diesen Kalibers etwas
zu weit hergeholt – vor allem für einen solchen, der einen eher undurchsichtigen Protagonisten mit mehr Macken als Fähigkeiten sein Eigen nennt. Denn der Story-Punkt glättet nach der filmisch erfolgten Läuterung des einstigen Anti-Helden leider Gottes auch noch die letzte übrig gebliebene Falte im (zugegeben etwas engen) neuen Outfit unseres Helden. Zurück bleibt ein beinah makelloser Supermann mit einer tragischen Geschichte, gleichauf mit Spider-Man und Konsorten. Nicht dass dies unbedingt etwas Schlimmes wäre. Doch in Anbetracht der Tatsache, dass es hier gerade nun einmal die ungeliebten Macken und nicht etwa beseitigte Unklarheiten sind, die Interesse beim Zuschauer erzeugen, wirkt die Entscheidung, Hancocks Herkunft bis ins kleinste Detail zu erläutern und darzulegen, wie der verzweifelte Versuch, ihn neben altbekannten, gediegenen Helden etablieren zu wollen. Nur, um ihn
komplett und
rund erscheinen zu lassen? Gut, das Drehbuch aus der Feder von
Vy Vincent Ngo und
Vince Gilligan („
Akte X“) wollte es letztlich so, spielt es doch auf ein Ende zu, das recht stimmig ist, wenngleich auch nicht perfekt. Dennoch wäre in diesem Fall weniger definitiv mehr gewesen, weshalb das Lob „Gut gemacht“, welches Will Smiths Alter Ego im Film nur schwerlich über die Lippen kommt, leider einem freundlichen „Gut gemeint, aber etwas über das Ziel hinweggeschossen“ weichen muss. Schade. Jetzt bitte noch gedanklich ein Close-up eines etwas enttäuschten Gesichtes einfügen, kurz darauf verweilen und dann abblenden. Danke.