Seltsamerweise hat man immer nur eine bestimmte Anzahl an Wünschen frei. So konnte sich Aladin kaum mehr erwarten als KäuferInnen eines gewöhnlichen Überraschungseis: drei Wünsche, dann ist Schluss. Noch schlechter ergeht es den Zeitgenossen des Wishmasters, hier endet meist der erste Gefallen tödlich. Und auch Midas hatte eigentlich nur einen Wunsch frei. Da brennt einem die Frage nach dem Sinn der blöden Beschränkung doch förmlich auf der Zunge: Wieso, zum Teufel, darf ich mir nicht einfach solang ich will soviel ich will wünschen? In gewisser Weise bringt uns Verhoevens
Spetters der Antwort näher...
Alles beginnt mit drei recht unterschiedlichen Freunden, die eine gemeinsame Leidenschaft verbindet: Motorradfahren. Gerade für den ehrgeizigen und selbstbewussten Rien bedeutet der Sport alles. Dasselbe gilt für seinen Kumpel Hans, auch wenn dieser wesentlich weniger erfolgreich ist – sowohl im Spiel bzw. Rennen, als auch in der Liebe. Der Letzte im Bunde ist Eef: Er schraubt lieber an den Maschinen herum, als damit zu fahren, und leidet unter einem strikt katholischen Elternhaus.
Der erste Teil des Filmes beschäftigt sich mit der Lebenswelt der Jungs, dem Holland der späten siebziger Jahre. In der Disco tanzt man zu Iggy Pop und Blondie, Flipperautomaten sind der letzte Schrei, und von der Kleidung wollen wir mal gar nicht reden. Das ist allerdings nur eine Facette, ernstere Themen werden ebenso behandelt, z.B. der Außen
seiter-Status von Homosexuellen und der starke Einfluss konservativer Einrichtungen wie der Kirche.
Da unsere Protagonisten allesamt recht jung sind, dürfen natürlich Themen wie die erste große Liebe und Sexualität nicht fehlen. In diesem Zusammenhang kommt dann auch ordentlich Konfliktstoff ins Spiel, und zwar in Form der verführerischen Imbiss-Besitzerin Fientje. Die Jungs lernen diese nach einem Rennen kennen, und ganz uninteressiert scheint sie an keinem der Drei zu sein...
Damit beginnen sich die Handlungsstränge zunehmend aufzuspalten, in den folgenden Episoden steht immer ein Charakter deutlich im Vordergrund. Im Film wechseln sich die einzelnen Passagen der Geschichte ab, immer wieder rückt ein anderer Protagonist in den Vordergrund. Der Übersicht zuliebe wähle ich bei der Rezension jedoch einen anderen Ansatz, und betrachte den Plot eines jeden Charakters einzeln.
Zuerst wäre da natürlich Rien, dem
Spetters die meiste Aufmerksamkeit schenkt. Für ihn sieht die Zukunft rosig aus: Er beweist im Motorsport so großes Talent, dass selbst der heißeste Anwärter auf den Weltmeister-Titel, Gerrit Witkamp, auf ihn aufmerksam wird. Ihm gegenüber zeigt Fientje das größte Interesse, und es dauert nicht lange, bis er der hübschen Blondine verfällt – er verlässt sogar seine niedliche Freundin Maya für sie. Seine neue Flamme verschafft Rien mit etwas fragwürdigen Methoden einen japanischen Sponsor und eröffnet ihm damit vollkommen neue Perspektiven: Nun muss er nicht länger mit seinem alten, bereits leicht maroden Motorrad auskommen, sondern darf mit einem brandneuen Bike der Marke Honda durch die Gegend rasen. Alles, was er sich gewünscht hat, scheint in greifbare Nähe gerückt... doch dann hat er einen Unfall, zieht sich schwere Verletzungen zu und muss den Rest seines Lebens im Rollstuhl fristen. Eine vollkommen neue Situation, mit der er erst zurechtkommen muss... allein, denn Fientje verlässt ihn kurz darauf.
Eef hat indessen mit seinen eigenen Konflikten zu kämpfen, sein Elternhaus wird immer unerträglicher für ihn. Spätestens als sein Vater ihn verprügelt, weil er statt der Kirche ein Rennen besucht hat, fasst er den Entschluss all dem zu entfliehen. Doch dafür braucht er erstmal Geld, und woher nehmen, wenn nicht stehlen. Beziehungsweise: Von Wem stehlen? In den lokalen homosexuellen Strichern scheint Eef ein dankbares, da fast wehrloses Opfer gefunden zu haben... zu spät merkt er, dass er sie nicht hätte unterschätzen sollen. Ihre Rache ist eine der heftigsten Szenen des Films, und verändert Eefs Leben total – allerdings nicht so, wie man vielleicht erwarten würde.
Bliebe noch Hans. Er bleibt weiterhin ein wenig unscheinbar, immer im Hintergrund... doch gerade er unterstützt seinen Kumpel Rien nach dessen Unfall. Dieser schenkt ihm dann aus Dankbarkeit sein neues Motorrad, selbst kann er ja nichts mehr damit anfangen. Hans kann es kaum fassen, verspricht seinem Freund für ihn die Meisterschaft zu gewinnen. Doch es fehlt ihm einfach an Talent... und auch in Sachen Liebe scheint er in einer Sackgasse angelangt zu sein, denn Fientje kann nur einen erfolgreichen, wohlhabenden Liebhaber akzeptieren.
Manch LeserIn fragt sich vielleicht schon, wie lange der Film denn eigentlich dauert, soviel wie da passiert. Nun, 2 Stunden, wobei die Exposition schon eine gute halbe Stunde in Anspruch nimmt. Und die verbleibenden 1 ½ Stunden beschäftigen sich nicht nur mit den drei Jungs und Fientje, sondern auch mit anderen Charakteren, wie Riens Ex-Freundin Maja. Daher bleibt für die eigentlich sehr spannenden Geschichten viel zu wenig Zeit – kaum, dass man einem Charakter emotional näher gekommen ist, wechselt der Protagonist. Viele interessante Entwicklungen, wie Mayas Hinwendung zur Religion, werden sogar vollkommen ausgeblendet.
Dass Verhoeven fast all seine wiederkehrenden Themen in
Spetters verarbeitet, macht die Sache nicht besser. Man könnte regelrecht mit einer Checklist an den Film herangehen: Sinnlosigkeit von Lebensplänen, Sexualität, starke, gefährliche Frauen, Religion, Homosexualität... you name it, it is there. Und damit sind wir wieder bei den Wünschen: In
Spetters wollte Verhoeven scheinbar alles einbauen, und gerade deshalb scheitert er. So abgedroschen der Ausspruch ist, hier passt er wie die Linse aufs Auge: Weniger wäre mehr gewesen.
Dabei hatte
Spetters wirklich Potential Der Soundtrack ist, zumindest für FreundInnen der Siebziger, wunderbar; mir haben es vor allem die Rock-Nummern angetan. Die DarstellerInnen liefern allesamt sehr gute Leistungen. Vor allem Renée Soutendijk zeigt als Fientje, was sie kann: Die Frau ist einfach gefährlich schön, wie sie auch drei Jahre später in
Der Vierte Mann nochmals beweisen sollte. Schließlich und endlich steckt auch genügend spannender Konfliktstoff für zwei (oder mehr) Filme in
Spetters.
Aber Herr Verhoeven hatte nunmal mehr als drei Wünsche auf einmal: Das passt leider weder in ein Überraschungsei, noch in einen Film. Schade drum.