Der Drehbuchautor und Regisseur Paul Haggis hat seit 2004 eine wahre Blitzkarriere im Filmgeschäft vorgelegt: Zunächst hat Clint Eastwoods Boxer(innen)-Drama „Million Dollar Baby“ (2004), welches nach einem Drehbuch von Haggis entstanden ist, vier Oscars gewonnen (unter anderem als „Bester Film 2005“) und dann hat auch sein eigenes Regiedebüt „L.A. Crash“ (2005) im darauf folgenden Jahr bei der Verleihung der begehrten Trophäen dem neuen Talent gleich zwei davon eingebracht - für das „Beste Originaldrehbuch“ sowie für den „Besten Film“. Außerdem hat er als Autor an dem letzten Bond-Film „
Casino Royale“ (2006) mitgeschrieben, und wird auch bei dem neuen Abenteuer des Doppel-Null-Agenten die literarische Vorlage liefern. Der Titel des Films, der momentan unter der Regie von „
Drachenläufer“-Regisseur Marc Forster entsteht, soll übrigens „Quantum Of Solace“ lauten.
Der jüngst auch in deutschen Kinos gestartete „Im Tal von Elah“ stellt nun die zweite Regiearbeit von Paul Haggis dar. Während der Vorgänger „L.A. Crash“ jedoch auf sehr emotionale Weise Schicksale einzelner Personen verschiedener Rassen und Religionen - dem Titel folgend - „aufeinanderprallen“ ließ, so folgt das aktuelle Werk einer eher
gradlinigen Thriller-Story, die allerdings sowohl zwischenmenschliche als auch politische Untertöne enthält.
Der Vietnam-Veteran Hank Deerfield (war für seine Rolle Oscar-nominiert: Tommy Lee Jones, „Auf der Flucht“, „
No Country For Old Men“) ist ein stolzer Patriot, der ebenso seine beiden Söhne zum Dienst für das Vaterland erzogen hat. Während sein ältester Spross bereits zehn Jahre zuvor im Krieg gefallen ist, ist nun sein Jüngster, Mike (Jonathan Tucker, „
Hostage“), im Irak stationiert. So denkt Hank zumindest, bis er von der Army die Nachricht erhält, dass sich sein Sohn nach der Rückkehr in die Heimat unerlaubt von der Kaserne entfernt habe und nun vermisst wird. Da der Vater der festen Überzeugung ist, dass Mike dieses Verhalten ganz und gar nicht ähnlich sieht und die Militärpolizei, für die er in der Vergangenheit auch schon gearbeitet hat, sich bei der Suche auch keine Mühe gibt, will Hank nun die Sache selbst in die Hand nehmen, nachdem er auch bei der zivilen Polizistin Emily Sanders (Oscar-Preisträgerin Charlize Theron, „Monster“, „Im Auftrag des Teufels“) zunächst kein Interesse für den Fall geweckt hat. Allerdings führen auch seine Nachforschungen zu keinem Ergebnis und bereits kurze Zeit später erhält er die Nachricht, dass man die zerstückelte, verbrannte und bereits von Tieren zernagte Leiche seines Sohnes gefunden habe.
Nun will der schockierte, aber zusätzlich vor Wut kochende Hank seine Ermittlungen erst recht nicht aufgeben, und auch die zuvor genervte Emily empfindet Mitleid mit dem Mann, der nun seinen zweiten Sohn verloren hat, und will ihm helfen, den oder die Täter zu finden.
Natürlich führt auch die erste Spur wieder zu Mikes Kameraden in die Kaserne – und Hank sieht sich sehr bald mit seinen festen Überzeugungen und Idealen konfrontiert…
Eines gleich vorweg: Der Zuschauer sollte nicht den Fehler machen, „Im Tal von Elah“ mit dem zuvor vom Regisseur gedrehten „L.A. Crash“ zu vergleichen – da die beiden Filme schon von der Thematik her vollkommen unterschiedlich sind, könnte es so zu einer herben Enttäuschung kommen. Während der Oscar-prämierte Vorgänger sehr universell die Themen „Menschlichkeit“ und „Rassismus“ behandelt hat, hat sich Paul Haggis hier eine zum Teil wahre Geschichte vorgenommen, die bis über die Hälfte der Spielzeit als packender Thriller mit hochklassigen schauspielerischen Leistungen funktioniert. Der Film ist in seiner Erzählweise distanzierter und rauer als der Erstling und erinnert damit eher an den auf Haggis´ Skript basierenden „Million Dollar Baby“ – man hätte sich ganz nebenbei auch gut Clint Eastwood auf dem Regiestuhl des aktuellen Werkes vorstellen können.
Tommy Lee Jones spielt hier seine Rolle als zunächst stolzer Patriot sehr überzeugend, was ihm dann auch dafür eine Oscar-Nominierung eingebracht hat. Zeitgleich ist er in Deutschland auch in dem preisgekrönten Coen-Film „
No Country For Old Men“ zu bewundern, und wenn man mal darauf achtet, könnte man sagen, dass seine Rolle dort schon fast als Weiterführung seiner Hank Deerfield-Figur in „Im Tal vom Elah“ angesehen werden könnte. Während seine Figur im vorliegenden Werk zunächst noch von Idealen erfüllt ist, hat er den Glauben an diese im anderen Film bereits zu Beginn eingebüßt – eine solche Charakter-Entwicklung kann man bei „Im Tal von Elah“ beobachten.
Auch Charlize Theron, die Paul Haggis angeblich schon beim Schreiben des Drehbuchs für die Rolle der Emily vorgesehen hat, legt nach einigen üblen Flops endlich wieder eine hervorragende Performance in einem wirklich gelungenen Film vor, und die leider nur wenig präsente Susan Sarandon („Thelma & Louise“) hat als Hanks Frau Joan einige sehr intensive Szenen.
„Im Tal von Elah“, dessen Titel an eine Geschichte aus der Bibel angelehnt ist, welche während einer Schlüsselszene im Film vorkommt, hat natürlich aufgrund seiner Thematik noch einen anderen Anspruch, als einen einfachen Spannungsfilm abzugeben. Wenn die Auflösung des Mordes geklärt ist, kehrt langsam stille Bitterkeit in das Werk ein. Ab da wird der wirklich packend inszenierte Thriller mit starken Charakterfiguren langsam zu einem mitreißenden Drama, und Haggis läuft wie bei seinem Vorgänger zur Höchstform auf. Es ist nicht so, dass der Regisseur mit seiner Thematik das Rad neu erfunden hätte (an manchen Stellen erinnert der Film ein wenig an Rob Reiners „Eine Frage der Ehre“ von 1992), aber es ist eher die Art
wie er die Geschichte erzählt, die dem Zuschauer „Im Tal von Elah“ auch nach Beginn des Abspanns noch im Hinterkopf behalten lässt.
Kein erneutes Meisterwerk, aber ein emotionsgeladener, nachdenklich stimmender Thriller - und nebenbei: ganz ohne alberne „Fuck America!“-Anflüge.