Man könnte durchaus manchmal schon bei den Credits eines Filmes sowie seiner Veröffentlichung skeptisch werden. Da bekommt man also einen – zumindest in Deutschland – direkt auf DVD veröffentlichten (diesmal schon im ersten Absatz der Kritik ein herzlicher Dank wie immer an Ascot Elite für das Rezensionsexemplar!) Film der im ersten Weltkrieg spielt. Zu allem Überfluss hat der mir völlig unbekannte Paul Gross nicht nur das Drehbuch geschrieben, nein, er führt hier auch noch Regie. Und tatsächlich hat er auch noch die Hauptrolle übernommen! Spätestens hier könnte man sich schon wundern, ob dies den wirklich gut gehen kann, wenn ein scheinbar eher unbeschriebenes Blatt bei einem direct-to-DVD-Film ein solch aufwendiges Szenario auffährt und auch noch viele wichtige Positionen in Personalunion übernimmt. Aber ich gebe Entwarnung: nicht nur ist „Das Feld der Ehre“ mit einem Budget von knapp 20 Millionen Dollar die teuerste Produktion aus Kanada bisher, sondern auch noch ein äußerst gelungener Film!
Kanada 1917: Nachdem er im Krieg verwundet wurde, kehrt Michael Dunne zurück an die Heimatfront. Im Krankenhaus verliebt er sich in seine Krankenschwester, denen es jedoch verboten ist, den Soldaten ihren Namen zu sagen. Aufgrund einer diagnostizierten Nervenschwäche wird Dunne als untauglich für den erneuten Fronteinsatz betrachtet und verdient sich daher sein Geld nun im örtlichen Rekrutierungsbüro. Eine andere Krankenschwester verrät ihm
schließlich den Namen seiner behandelnden Schwester: Sarah Mann. Deren Bruder David wiederum ist an Asthma erkrankt und will Cassie heiraten, deren einflussreicher Vater sowie die ganzen Stadtoberen jedoch den Kriegsdienst von jungen Männern erwarten. In Hinblick auf Sarah verweigert Michael aber David die Rekrutierung, was Michaels Vorgesetzter nur ungern hinnimmt. Als herauskommt, dass Sarah und David deutscher Herkunft sind und deren Vater inzwischen nach Deutschland zurückkehrte und im Krieg für die Gegenseite fiel, bricht offener Rassismus in der Stadt aus. Durch einen Trick kann sich David doch einschreiben und wird nach Frankreich versetzt. Sarah sieht sich von Michael als Rekrutierungsoffizier ausgenutzt, so dass Michael nur eine Wahl bleibt: auch er kehrt in den Krieg zurück, um David zu beschützen...
Zunächst mal zum Geschichtlichen: Auslöser für das Drehbuch war wohl eine Erzählung von Paul Gross' Großvater. Dieser stieß im ersten Weltkrieg einem jungen Deutschen das Bajonett aus nächster Nähe in den Schädel – eine Szene, die ebenfalls im Film vorkommt. Michael Dunne war wohl der Großvater und damit eine historische Person, auf dessen Erinnerungen der Film wohl im groben basiert. Andererseits gab es die Schlacht um Passchendaele wirklich. In dieser Schlacht starben auf beiden Seiten zusammen ungefähr 600.000 Soldaten und typisch für den erbarmungslosen Grabenkrieg des ersten Weltkrieges konnten keine wirklichen, dauerhaften Geländegewinne verzeichnet werden. Für das kanadische Militär hat diese Schlacht um das völlig zerstörte Dorf (beeindruckende Luftaufnahmen vor und nach der Schlacht finden sich in der wikipedia) eine vergleichbare Bedeutung wie etwa die Schlacht um Verdun für die deutsche Armee. Allerdings nimmt diese Schlacht nur ungefähr das letzte Drittel des Filmes ein, insofern ist also sowohl der (Original-)Titel als auch die Vermarktung des Streifens vielleicht etwas irreführend.
Inhaltlich ist der Film zweigeteilt: die erste Stunde beschäftigt sich hauptsächlich mit der Heimatfront, während die zweite Stunde bzw. genauer das letzte Drittel vor allem die Schlacht um Passchendaele zeigt.
Häufig bei „kleineren“ Produktionen ist eine solche Aufteilung vor allem dem Budget zuzurechnen: Kriegsalltag filmisch darzustellen ist einfach finanzieller deutlich aufwändiger als etwa mit historischen Kostümen das Geschehen im zivilen Bereich zu zeigen, gerade wenn wir hier von Kanada sprechen, das vom eigentlichen Kriegsgeschehen nicht unmittelbar im Sinne von zerstörten Dörfern betroffen war. Dies könnte man sicherlich auch „Das Feld der Ehre“ vorwerfen, doch eine Entwarnung sei gegeben: im Gegensatz zu anderen, ähnlich gelagerten Produktionen, funktioniert diese erste Hälfte des Films ganz hervorragend. Vor allem das Zusammenspiel von Paul Gross als Michael Dunne und Caroline Dhavernas als Anna ist gerade zu Beginn der Beziehung schön dargestellt und transportiert – beispielsweise als Michael David nach Hause bringt und Anna zum ersten Mal „privat“ trifft – eine gewisse süße Unschuld bei den naiven Flirtversuchen Michaels. Noch besser hat mir die Vielfältigkeit dieses ersten Teiles gefallen: natürlich ist der Film vor allem eine Liebesgeschichte, aber er reißt zahllose Themen an, die den Krieg an sich betreffen, ohne sie aber näher auszuführen; zum Nachdenken reicht es aber. Da werden immer wieder mögliche Grausamkeiten der Deutschen und damit in gewissem Sinne auch die mediale Kriegsführung erwähnt, Männlichkeitsrituale und Patriotismus als Kriegsbegründung werden kontrastiert mit den tatsächlichen Erfahrungen Dunnes an der Front. Vieles mehr findet sich hier bei näherer Betrachtung, so dass es nur bei dieser kurzen Auflistung bleiben soll.
Das Budget des Films wird dann in den eigentlichen Kriegsszenen ausgeschöpft. Die historische Schlacht erlangte unter anderem dadurch traurige Berühmtheit, dass nicht etwa fast alle Verluste den Auseinandersetzungen an sich zuzurechnen waren, sondern zahlreiche Soldaten auch schlicht Opfer des Schlachtfeldes wurden: sie ertranken in den Schlammmassen. Der Ort der Schlacht war schon vornherein sumpfig, und verbunden mit einem überaus feuchten Sommer sowie dem unablässigen Trommelfeuer der Artillerie beider Seiten entwickelte sich ein enorm schlammiges Gebiet. Dies stellt die zweite Hälfte des Films technisch perfekt dar, mit andauerndem Regen, endlosen Matschlandschaften die von Kratern übersät sind, sowie dem allgemein dreckigen Look – natürlich inklusive wackeliger Handkamera im
James-Ryan-Stil. Darüberhinaus zeigt – wenn er zur eigentlichen Schlacht kommt – der Film eine geradezu viehische Brutalität (was den deutschen Titel des Feldes der Ehre entweder völlig absurd oder abgrundtief zynisch macht – diese Entscheidung obliegt mir jedoch nicht). Nicht nur wird blutig erschossen und gesprengt, durch die damalige Kriegsführung kommt es darüberhinaus auch noch zu barbarischen Nahkämpfen zwischen den Parteien. Durch den Schlamm und Dreck „schaltet“ der Film dabei die Opponenten „gleich“, so dass man ihn kaum als Kanadier-verherrlichen oder Deutschen-feindlich bezeichnen kann. Zwar erfährt man leider nichts über die Hintergründe der deutschen Seite, aber zumindest bekommen auch die Deutschen eine kurze Charakterszene.
Welche uns nun zu dem größten Kritikpunkt des Films überleitet. Dieser ist Paul Gross beziehungsweise dessen Art der Inszenierung. Einerseits kann er mich als Schauspieler nicht vollends überzeugen – als kleineres Übel kann man seine glänzend weißen Zähne im Grabenkrieg anführen, als größeres dann sein Äußeres, dass zumindest mich frappierend an
Bruce Campbell erinnert. Viel schwerer wiegt aber seine Art und Weise der Inszenierung: keine Frage, technisch ist das sehr ordentlich. Nur manifestiert sich seine Unerfahrenheit auf diesem Gebiet vor allem daran, dass er gerade in der Schlacht um Passchendaele gegen Ende einfach
viel zu dick aufträgt. Einerseits ist die farbliche Gestaltung an der Heimatfront mit ihren ständigen orange oder blau eingefärbten Bildern zu durchschaubar und redundant. Andererseits lässt er sich am Ende des Films (dies bleibt jetzt ziemlich vage aus Spoilergründen) zu einem Holzhammer-Symbolismus hinreißen, dass es fast schon unerträglich wird. Sicherlich, schön fotografiert ist die Szene, aber es ist einfach „zu viel“. Ebenfalls „zu viel“ sind einige kurze Gore-Effekte, die zwar (natürlich) die Unmenschlichkeit des Krieges verdeutlichen sollen, aber in ihrer Explizität manchmal einfach zu grotesk sind, um ernst genommen zu werden.
Trotzdem bleibt „Das Feld der Ehre“ ein äußerst gelungener Vertreter des filmisch vernachlässigten Themengebietes des Ersten Weltkrieges. Zwar mit Abzügen in der B-Note bei der Inszenierung, aber insgesamt doch sehr gelungen und für Interessierte sicherlich mehr als einen Blick wert.