WARTEN AUF GADOT
Ist es Konzeptlosigkeit? Dem
DCEU (DC Extended Universe) selbige vorzuwerfen, wäre zum aktuellen Zeitpunkt sicherlich einfach, denn der große, wirklich ausgearbeitete Masterplan hinter den jüngsten Comicverfilmungen des Comic-Giganten war bisher – wenn überhaupt – nur in groben Teilen zu erahnen. Wenn er allerdings aufblitzte, sorgte er zumeist nur für Fragezeichen, da er zu motiv- und leidenschaftslos einer Granate gleich in das effektdominierte Schlachtengetümmel geworfen wurde. „Überambitioniert“ mag als Schlagwort womöglich eher zutreffen, da fast alle
DC-Filme nach dem beispiellosen Über-Meisterwerk „
The Dark Knight“ [2008] mal mehr („
Suicide Squad“ [2016]) und mal weniger („
Batman v Superman: Dawn of Justice“ [2016]) an ihren eigenen (zu hohen) Ansprüchen scheiterten.
Konkurrent
Marvel hatte hier mit seinem
MCU, das zwar auch nicht aus potentiellen Oscar-Kandidaten besteht, sich aber dafür kontinuierlich an seinen penibelst ausgearbeiteten Film-Phasen entlang hangelt, bisher an den Kinokassen immer klar die Nase vorn. Dabei zeigte doch der oft missverstandene
DC-Klopper „
Man of Steel“ [2013], der im Grunde gar nicht mehr als ein filmgewordener, stringenter Kollateralschaden sein wollte (und selbiges im Quasi-Nachfolger
Dawn of Justice sogar zum Thema machte), dass es manchmal schon reicht, feste Strukturen einzureißen, um anschließend wie ein beunterhoster Phoenix aus der entstandenen Asche wiederaufzuerstehen. Gut, die „Strukturen“ waren im genannten Fall genaugenommen die imposanten Hochbauten von Metropolis, die wie Kartenhäuser in sich zusammenfielen, aber wir wollen mal nicht allzu kleinlich sein.
Fest steht, dass es bisher Strukturen, welcher Art auch immer, waren, die dem
DCEU das Leben so schwer mach(t)en. Und Fakt ist, dass sich definitiv etwas ändern muss, wenn das
Extended Universe erfolgreich fortbestehen möchte. Die aktuelle Verpflichtung von
DC-Autor
Geoff Johns als Produzent mit beratender Funktion (ähnlich der von Kevin Feige im
MCU) war da schon mal ein Schritt in die richtige Richtung. Denn er steht aktuell auch hinter dem jüngsten Output des
DCEU, der die Entstehungsgeschichte der ersten Superheldin im
DC-Kanon beleuchtet. Inszeniert von
Patty Jenkins, („Monster“ [2003]) und geschrieben vom Emmy-nominierten
Allan Heinberg (u.a. „
Gilmore Girls“, „The Catch“), nimmt uns
„WONDER WOMAN“ mit auf die Reise in eine längst vergangene Zeit, in der eine starke Frau mal ordentlich aufräumt, um sich nebenbei selbst zu finden.
Gegen Ende des Ersten Weltkrieges: Verborgen vor der Welt der Sterblichen, lebt das Kriegervolk der Amazonen unter der Herrschaft von Königin Hippolyta (Connie Nielsen) und ihrer Schwester Antiope (Robin Wright) auf der „Paradiesinsel“ Themyscira im Mittelmeer, die den sogenannten „Gotttöter“ beherbergt. Einzig dieses Schwert soll in der Lage sein, Erzfeind Ares, den Kriegsgott, zu töten. So die Legende. Auch die Legende um das einzige Kind auf der Insel, Prinzessin Diana, ist nicht ohne, soll sie doch einst von Hippolyta aus Ton geformt und von Zeus zum Leben erweckt worden sein. Jedenfalls wächst das Mädchen über all die Jahre in Unkenntnis der Welt außerhalb des schützenden Walls auf. Erst als der britische Spion Steve Trevor (Chris Pine) eines Tages mit seinem Flugzeug nahe der Insel ins Meer stürzt und von Diana (Gal Gadot), nunmehr eine junge Frau, gerettet wird, kommen die Ereignisse ins Rollen. Denn nachdem Steve ihr offenbart, dass draußen Krieg herrscht, ist Diana überzeugt davon, dass niemand Geringeres als Ares hinten all dem Leid stecken muss. Und so fasst sie einen folgenschweren Entschluss...
Wer sich nach dieser Inhaltsangabe fragt, was genau
„WONDER WOMAN“ nun so anders macht als seine zahlreichen Mitstreiter im Superhelden-Genre, der wird sich wahrscheinlich bei der folgenden Antwort etwas wundern. Denn der Film erfindet den Begriff der Comicverfilmung weder grundlegend neu noch setzt er ein bahnbrechendes Zeichen, das ihn als ultimativen Ausnahmefilm qualifiziert. Hier war der grassierende Hype einmal mehr größer als das letztendliche Ergebnis, was aber die Qualität von
„WONDER WOMAN“ keinesfalls mindern soll. Warum? Weil diese DC-Verfilmung mit einem soliden Drehbuch und einer ausgezeichneten Charakterzeichnung überzeugen kann, die selbst die vermutlich heutzutage unverzichtbaren CGI-Sperenzchen im explodierenden Finale wieder wettmacht. Der erste Grund ist zum einen die ehemalige Miss Israel
Gal Gadot in der Rolle von Wonder Woman. Gadot straft ehemalige Kritiker mit ihrer einfühlsamen, emotionalen Performance einer anfangs noch in so vielen Dingen unerfahrenen Frau schon sehr früh Lügen, indem sie den Zuschauer am Reifungsprozess Dianas teilhaben lässt, an dessen Ende bald eine der größten Heldinnen stehen wird, die die Menschheit je gesehen hat.
Grund zwei geht auf die Kappe ihres männlichen Gegenparts
Chris Pine, der einmal mehr in seiner noch jungen Karriere mit einer charismatischen Leistung aufwarten kann. Fernab jeglicher
Sunnyboy-Mentalität ist Pines Steve ein vom Kriegsgeschehen Gebeutelter, der Gutes tun möchte, aber reumütig eingestehen muss, dass er nicht Jeden in diesem Krieg retten kann. Er zeigt in diesen Momenten nur allzu menschliche Schwäche, die der Amazone Diana wiederum ein Fremdwort ist. So muss sie in den 140 Minuten Laufzeit das starke Geschlecht in einer männerdominierten Kriegsszenerie markieren, was vor allem aufgrund der filmtypisch unüblichen Geschlechterverteilung für ordentlich Spaß und mit ordentlicher Frauenpower gewürzte Action-Sequenzen sorgt (die im Übrigen fantastisch und übersichtlich choreographiert wurden). Somit macht
„WONDER WOMAN“ auch unter emanzipatorischen Gesichtspunkten durchaus Spaß; allzu viel Bedeutung im Hinblick auf das Thema Gleichberechtigung sollte man einem und vor allem diesem SuperheldInnen-Film dann aber auch nicht beimessen. Das wäre dann doch wohl etwas zuviel des Guten.
Apropos: „
WONDER WOMAN“ ist schon jetzt der erfolgreichste Film, der je von einer Frau gedreht wurde, und die Medien werden nicht müde, immer wieder von Neuem auf diesen Umstand hinzuweisen. Dass dieser Aspekt überhaupt noch derart hervorgehoben werden muss, als käme es geradezu einem Wunder gleich, sagt hingegen leider viel über die heutige Filmlandschaft aus. Denn Film per se sollte für alle da und finanzieller Erfolg geschlechtsunabhängig sein. Vor allem aber sollte es zum allgemeinen Grundverständnis gehören, dass Namen eben nur aus Buchstaben, Filme hingegen aber aus aussagekräftigen, bewegten Bildern bestehen. Sie reißen mit, berühren, treten für all die Buchstaben hinter der Kamera auf die jeweiligen Leinwände und tragen im Zweifel zu einem guten Film bei. So die Regel. Im Falle von Patty Jenkins und ihrer „
WONDER WOMAN“ ergibt die Summe aller Buchstaben in Bildform gar einen hervorragenden, runden Film ohne gravierende Mängel. So kann es nach Ansicht des Autors ruhig weitergehen mit dem
DCEU. In dem Sinne:
Go for it, „Justice League“!
Cover: © 2017 Warner Bros. Entertainment