(USA, 1985)
"Die Schönheitsmittel-Fabrikanten verkaufen nicht Lanolin, sie verkaufen Hoffnung. Wir kaufen nicht mehr Apfelsinen, wir kaufen Lebenskraft. Wir kaufen nicht bloß ein Auto, wir kaufen Ansehen."
(Vance Packard: Die geheimen Verführer)
"Have one - if you think you're tough enough!"
Es ist verhältnismäßig einfach, sich über die Werbung und ihre Protagonisten lustig zu machen. Über diese Welt, die so oft als Inbegriff der Oberflächlichkeit herhält. Über die schwatzenden Texter-Äffchen, die Tag aus Tag ein nichts als Mumpitz in die Welt blasen. Über die schicken Mausis in der Grafikabteilung. Über die aufgeblasenen Chefs mit Designerbrille. Nicht ganz umsonst ist Zeuge Nr. 11 aus Sidney Lumets
12 Angry Men (Die zwölf Geschworenen, 1957) ein Werber - ein entscheidungsschwacher Mitläufer, zu keinem eigenständigen, gehaltvollen Gedanken in der Lage.
Klischees haben öfters mal einen wahren Kern. Nicht mehr, nicht weniger.
Die Werbesatire
Beer ist, wie schreibt man gleich so doof, ein Kleinod, an das sich heute so gut wie keiner mehr erinnert – es existiert keine DVD, weder diesseits noch jenseits des Atlantiks. Regisseur Patrick Kelly ist ein Phantom in der Filmgeschichte. Bis auf diesen Film sind keine weiteren Werke von ihm bekannt.
Beer (warum der deutsche Titel als Abkürzung da
herkommt bleibt ein weiteres Geheimnis) beginnt mit einer Konferenz in einer großen Werbeagentur. Der größte Auftraggeber, die Bierbrauerei Norbecker, ist kurz davor, der Agentur wegen zunehmender Einfallslosigkeit die Zusammenarbeit zu kündigen. Da ergreift die ehrgeizige B.D. Tucker (Loretta Swit) die Initiative. Der moderne Mann der Achtziger (*hüstel*) müsse wieder im Mittelpunkt der Kampagne stehen. Stark, entschlossen, selbstbewusst.
Das klingt etwas kurios, denn wann, so mag man fragen, war das Männerbild, respektive die entsprechende Wunschvorstellung, einmal anders? Doch die Siebziger veränderten ja so einiges, und der Feminismus gehört fest zur liberalen Bewegung in den USA – und hinterließ auch Spuren im Kino, wo die Rolle des Mannes, langsam aber sicher
Emma-kompatibel wurde.
In Robert Bentons Kassen- und Oscarerfolg
Kramer vs. Kramer (
Kramer gegen Kramer, 1979) übernahm der geschiedene Dustin Hoffman die Mutterrolle, während Maryl Streep Karriere macht. Hoffman äußerte, dieser Film drücke den tiefverankerten Wunsch jedes Mannes aus, Mutter sein zu wollen. Auch in Stan Dragotis Komödie
Mr. Mom (1983) landet Michael Keaton vor dem Bügelbrett, nachdem er seine Arbeit verliert und Terri Garr aus einem anfänglichen Gelegenheitsjob eine dauerhafte Erfolgsstory macht. In einer Szene sitzt er nach getaner Hausarbeit mit Dreitagebart auf dem Sofa und starrt ins Leere. Das ist ein Blick, der für viele arme Kerle stellvertretend fragt: Wo sind sie nur hin? Meine Macht, mein Erfolg, meine Eier?
Ja doch, der weiße, wohlhabende, amerikanische Mann der Achtzigerjahre war ein bisschen bedroht. Als Mann von emanzipierten Frauen, als Weißer von selbstbewussten Schwarzen, und als hart schuftender Kapitalist von noch viel härter schuftenden Japanern.
Während B.D. (welch schneidiger Name, welch imposante Schulterpolster) ihre Ansprache hält, zeigt uns Kelly in der Montage die drei männlichen Vorzeigemänner, die sich allesamt als Pfeifen entpuppen. Merle (William Russ) fährt im protzigen Mustang durch die Gegend, doch der hat – wie symbolisch – eine Panne. Und schon ist´s vorbei mit der Angeberei. Frankie (Saul Stein) wohnt noch bei Mutti, und in Elliots trautem Heim (David Alan Grier) haben die Küchenschaben mehr zu melden als er.
Der Zufall will nicht nur, dass sich diese drei eines Abends in der Kneipe deprimiert über den Tresen hängen und vermeintlich besseren Zeiten hinterher schwärmen. Ein Besoffener mit Knarre beginnt zu randalieren und wird von den drei Protagonisten mehr durch Zufall als durch Fähigkeit oder Mut außer Gefecht gesetzt. Und der Zufall setzt noch einen drauf, in dem B.D. und ihr Chef (Peter Michael Goetz) anwesend sind. Und die neue Werbekampagne ist klargemacht.
Im landesweit ausgestrahlten Werbespot sehen wir die gleiche Szene noch einmal, nur werden diesmal die drei Verlierer zu Supermännern, die nach vollbrachter Heldentat an die Theke stiefeln und ihr Norbecker zischen. Die Sache klappt, der amerikanische Mann trinkt mehr Norbecker als jemals zuvor. Der Chef der Brauerei, A. J. Norbecker (Kenneth Mars), ist hoch erfreut und frohen Mutes, dass dies nur der Anfang sein möge.
Die Masche funktioniert so gut, dass Frankie, Merle und Elliot zu Stars avancieren und immer mehr Werbespotts drehen (müssen), die immer testosteronschwangerer werden und immer sexistischere Züge annehmen.
Als eines Tages ihr Flugzeug abstürzt und die drei für tot gehalten werden, ist das für B.D. noch lange kein Grund, nicht weiter Geld mit ihren Goldjungs zu verdienen.
Neue Helden braucht das Land
Beer ist eine Holzhammersatire. Direkt, unsubtil und manchmal vulgär – aber, und das muss man erst mal fertig bringen, nicht platt oder dümmlich. In Kellys Visier stehen natürlich die moderne Werbung und ihre Mechanismen, mit der Helden konstruiert und Bedürfnisse geweckt und stimuliert werden. Und, wie speziell in dieser Werbung einer der stärksten, emotionalsten Mythen der modernen Gesellschaft wiederbelebt wird, der bis in die Steinzeit zurück reicht: der Mann als Jäger, der Mann als Bestimmer. Der Mann als natürlicher Herrscher!
Es geht dem Regisseur aber auch um die Protagonisten des Spiels und wie die Ereignisse auf sie einwirken: Elliot, anfangs noch ganz Vorzeigearbeiter in Anzug und Aktentasche, versucht sich zeitweise als Rapper, um die vermeintlich verloren gegangene Erdung zu seinem ‚Stamm’ wieder herzustellen. Oder Frankie, dem der Rummel von Anfang an nicht geheuer zu sein scheint, der irgendwie doch mitmacht, den Rummel genießt und am Ende doch froh ist, wieder im Kreis der Familie zu sein. Am interessantesten: B.D., die sich nicht zu fies ist, an der Ausbeutung des eigenen Geschlechtes teilzunehmen.
Es ist interessant zu sehen, dass der Protestzug der neuen alten Männlichkeit nicht ohne die Erniedrigung des anderen Geschlechtes einhergehen kann. Noch interessanter, dass sich eine Frau um des beruflichen Aufstieges Willen nicht scheut, selbst an diesem Rad zu drehen. (Von einer gewissen Katja Kessler, die die nur mühsam getarnten Fickphantasien auf Seite 1 der BILD-Zeitung zusammenschrieb, kann Kelly unmöglich gewusst haben.)
Beer ist als Diskursobjekt ernst zu nehmen und als Film einfach gelungen. Spröde, ohne erkennbaren Kunstanspruch, aber auch wunderbar auf den Punkt inszeniert. Das ist, betrachtet man das Thema, auch passend. So ein Film, so ein Stoff braucht eine gewisse ungekünstelte Direktheit. Sonst geht das Thema gnadenlos baden. Vielleicht gibt es ja tatsächlich Stoffe, die bei bestimmten Regisseuren einfach nicht gut aufgehoben sind.
Auch die Schauspielleistungen sind mindestens solide. Vor allem Swit als prototypisch-skrupellose Karrieregladiatorin und Goetz als aufgedrehter, cholerischer Agenturchef sind ein Volltreffer. Auch Mars als Brauereichef ist köstlich anzusehen. Im Original spricht er mit deutschem Akzent. Dass hat man in der deutschen Synchronisation selbstredend unkenntlich gemacht und durch einen schweizerischen Akzent ersetzt. Dass die Nummer so nicht stimmen kann, merkt der Zuschauer aber selbst in der synchronisierten Fassung – nämlich wenn Norbecker in einer Szene eine Landkarte nach der anderen runtersausen lässt und seine ökonomischen Expansionsphantasien etwas von einer Konferenz im Führerbunker haben.
Mediensatiren sind eher selten, gute Mediensatiren noch seltener.
Beer gehört 1. dazu und 2. gefälligst auf DVD. Vorerst gibt´s nur gebrauchte VHS im einschlägig bekannten Online-Versand.
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