Franco Nero(Django, Keoma), Fabio Testi (Nachtblende, The Big Racket) und Claudia Cardinale(Spiel mir das Lied vom Tod, Petroleum Miezen) zusammen in einem Film?
Das kann eigentlich nur ein Hit werden.
Das dachten sich sicher auch die Produzenten des Films, die der „Rache der Camorra“ einen edlen Cast mit vielen der zur damaligen Zeit relevantesten Größen des europäischen Films spendierten.
Wer unter dem Titel „Die Rache der Camorra“ jedoch einen typischen 70er Jahre Poliziescho (Polizeithriller) der Umberto Lenzi-Machart vermutet,liegt komplett falsch.
Bei „I Guappi“(so der italienische Originaltitel) handelt es sich nämlich um ein sozialkritisches Sittengemälde des Neapels um 1900.
1900-gutes Stichwort, bringt es uns doch gleich zu einem der offensichtlichen Vorbilder des Films bringt. Nämlich Bernardo Bertoluccis "Novecento" (eben 1900) mit Robert De Niro und Gerard Depardieu.
Regisseur Pasquale Squitieri geht es glücklicherweise nie ums Abdriften in populäre Exploitationgefilde oder um plumpe Action im Historiengewand. So wie Bertolucci malt er ein überaus detailreiches und vielschichtiges Bild des Lebens in Napoli, das sich im Würgegriff der Armut und der mafiösen Organisation Camorra befindet.
Wie bei Bertolucci wird die Geschichte aus der Sicht zweier unterschiedlicher Charaktere, deren Schicksal untrennbar miteinander verknüpft zu sein scheint, geschildert:
Nicola Bellizzi (Franco Nero) kehrt als ehemaliger Kleinkrimineller, geläutert in seine Heimatstadt Neapel zurück. Anwalt will er werden und nicht nur die vertreten, die es sich leisten können, sondern auch Gerechtigkeit für die einfachen Leute von der Straße, also seinesgleichen, erkämpfen.
Don Gaetano(Fabio Testi) hingegen hält nicht viel vom Leben im Einklang mit den Gesetzen. Als ranghohes Mitglied der Camorra hat er Neapel fest in der Hand. Ohne ihn läuft nichts im Viertel- Streitigkeiten werden durch ihn geschlichtet und wer den obersten Camorra-Mitgliedern ein Dorn im Auge ist ,wird ohne mit der Wimper zu zucken beseitigt.
Zwischen den beiden entspinnt sich eine ungewöhnliche Freundschaft.
Nicola erkennt, dass er nur mit Hilfe der einflussreichen Camorra und Gaetano zum Anwalt aufsteigen kann und schließt so mit der Verbrecherorganisation einen verhängnisvollen, mit Blut besiegelten Bund fürs Leben.
Als Jahre später Gaetano wegen versuchten Mordes vor Gericht steht, übernimmt Nicola die Verteidigung des Freundes……….
Regisseur Squitieri inszenierte mit „Die Rache der Camorra“ einen seiner schönsten und zugleich schonungslosesten Filme.
Hier wird die Camorra nicht romantisiert, sondern wird schlicht als das hingestellt was sie in Wahrheit ist: eine über Leichen gehende Verbrecherorganisation, die auch nicht davor zurückschreckt missliebig gewordene Mitglieder auf Eis zu legen.
Zusätzlich spart Squitieri nicht mit Sozialkritik, kein Wunder, ging er doch bei Francesco Rosi in die Schule und ist zudem bekennender Kommunist.
Ähnlich wie ein weiterer Großer des anspruchsvollen italienischen Gangsterfilms, Damiano Damiani (Allein gegen die Mafia, Der Clan der seine Feinde lebendig einmauert), schafft Squitieri es meisterhaft seinen Film einerseits packend und unterhaltsam und andererseits komplex und anspruchsvoll zu gestalten.
Ein Spagat der nicht vielen Regisseuren, derartig gelungen ist.
Hervorzuheben ist auch die detaillierte Charakterzeichnung und in diesem Zusammenhang die überzeugenden schauspielerischen Leistungen der gesamten Darstellerriege.
Allen voran Fabio Testis geniale Verkörperung des Don Gaetano-eine Performance mit der er Franco Nero glatt an die Wand spielt.
Dieser ist aber auch mit permanentem Overacting viel zu beschäftigt.
Besonders in den ausladenden Gerichtsaalszenen der zweiten Hälfte des Films dreht Nero voll auf - oder völlig durch, je nach Betrachtungswinkel.
Da zittern die Lippen und da quellen die Augäpfel nur so aus ihren Höhlen hervor, dass man schon fast Angst haben muss. Der Franco Nero - Kenner wird unweigerlich an die heillos übertriebene Performance Neros als Graf Mino in dem Früh-Giallo „Das Dritte Auge" erinnert.
Doch das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass „I Guappi“ ein ausgesprochen gelungener Film ist, der mit einem Wahnsinns-Finale aufwartet, das man sicherlich in dieser Form nie erwartet hätte.
So ist „I Guappi“ also nicht nur ein echter Geheimtipp für Fans des italienischen Kinos, sondern auch für alle anderen anspruchsvollen Filmfans äußerst empfehlenswert.
Der Film ist erst kürzlich als Erstveröffentlichung bei Koch Media in toller Ausstattung im Schuber erschienen-für Sammler ein Grund mehr zuzugreifen.
Credit und Copyright Coverfoto/Coverimage:
Koch Media