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von Michele Soavi




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Citizen Kane

Citizen Kane

Ein Film von Orson Welles

Als 1938 über Rundfunk ein Hörspiel mit dem Titel “Krieg der Welten” ausgestrahlt wurde, gerieten weite Teile der Bevölkerung in panikähnliche Zustände. Verantwortlich für diese Massenhysterie war der damals gerade einmal 23 Jahre alte Orson Welles, der die Romanvorlage von H. G. Wells, “War of the Worlds”, in einer pseudodokumentarischen Version derart realistisch wiedergab, dass die Menschen vereinzelt glaubten, es seien tatsächlich Außerirdische auf unserem Planeten gelandet. Weitaus bedeutender war jedoch, was Welles wenige Jahre später, anno 1941, zu Stande brachte: Sein Regiedebüt “Citizen Kane” wurde zwar seinerzeit nicht der erhoffte kommerzielle Erfolg, entwickelte sich über die Jahrzehnte hinweg dann aber zu einem der ganz großen Klassiker der Filmgeschichte und taucht heute in den Bestenlisten der Fachmagazine und Kritiker regelmäßig an der Spitze auf. Das ehrwürdige “American Film Institute” nennt das Werk “einen Wendepunkt für den amerikanischen Film, ein die Filmsprache revolutionierendes Kunstwerk”.

Doch wie lässt sich der immens hohe Rang des Werks erklären? Welles- Biograf André Bazin schrieb sinngemäß, dass alles, was seit den 40er Jahren im Film von Bedeutung ist, entweder von Jean Renoirs “La règle de jeu” oder eben von “Citizen Kane” beeinflusst ist. Doch bevor wir der Sache näher auf den Grund gehen, zunächst einmal eine kurze Zusammenfassung des Inhalts…

“Das Kino i
st noch sehr jung und es wäre einfach lächerlich, wenn es einem nicht gelänge, ihm ein paar neue Seiten abzugewinnen!”

Orson Welles

Der schillernde Zeitungsmogul Charles Foster Kane (Orson Welles) stirbt in seinem Schloss Xanadu in völliger Abgeschiedenheit mit einem seltsamen Wort auf den Lippen: “Rosebud”. Auf der Suche nach dem Ursprung dieses Wortes rollt der Journalist Jerry Thomson (William Alland) das Leben des mächtigen Pressezaren auf. Er befragt Leute aus dem Bekanntenkreis von Kane zu dessen Person, sieht sich jedoch unterschiedlichen Äußerungen gegenüber. Während die einen Lobeshymnen für ihn aussprechen, schildern die anderen die Figur des Verstorbenen eher kritisch und sprechen von einem einflussreichen, ehrgeizigen, aber auch egozentrischen Machtinhaber, der Kane zu Lebzeiten gewesen sein soll. Am Ende von Thomsens Rechereche steht für uns die Erkenntnis, was “Rosebud” bedeutet, während der Reporter selbst erkannt hat, dass ein einziges Wort nicht das Leben eines einzelnen Mannes erklären könne…

“Citizen Kane” wurde von den RKO Studios produziert, die den ehemaligen Theaterregisseur, Filmemacher, Schauspieler und Autor Orson Welles begeistert unter ihre Fittiche nahmen und dem junge Genie allerhand künstlerische Freiheiten und Vorteile gewährten. Welles bereitete mit seinem legendären Gesellschaftsdrama den Weg für das moderne amerikanische und europäische Kino und erlangte einen höheren Stellenwert als beispielsweise Sergej Eisensteins Stummfilm- Meilenstein Panzerkreuzer Potemkin von 1925. Die Hollywood- Legende, die vor der Vertragsschließung mit RKO wenig bis nichts über das Filmen wusste und ihr ganzes Fachwissen lediglich dem passiven Schauen im Lichtspielhaus zu verdanken hatte, leistete zunächst einmal in technischer Hinsicht wesentliche Pionierarbeit. Zu den revolutionären Stilmitteln gehörte unter anderem der Einsatz eines extremen Weitwinkelobjekts und die so genannte “deep focus cinematography”, wobei es sich um eine besondere Fokussierung auf die Schärfentiefe handelte. Oder die klassische Untersicht, die dem Publikum das Gefühl gab, als säße es in einem Theatersaal. Dazu wurden fast alle Szenen mit nur einer Einstellung gedreht, so dass Schnitte gewissermaßen unnötig und unerheblich waren. Zurecht wurde “Citizen Kane” neun Mal für den Oscar nominiert- darunter in den technischen Kategorien wie Schnitt, Kamera und auch Ton- gewann schließlich jedoch nur eine der begehrten Trophäen, nämlich für das beste Drehbuch.

Doch auch auf erzählerischem Gebiet widersetzte sich “Citizen Kane” den geltenden Konventionen, so dass Welles seine Geschichte- für damalige Verhältnisse eine ungewohnte Neuerung- in verschiedenen Zeitebenen vorantrieb, die Blickwinkel und Perspektiven wechselte und mithilfe von Rückblenden einen dramaturgischen Spannungsbogen erzeugte. Wir kennen diese Technik mittlerweile in ausreichender Ausführung, doch 1941 stellte diese Methode ein Novum und eben auch ein deutliches Wagnis dar. Der Hauptgrund für den Misserfolg des Streifens an der Kinokasse ist aber nicht in der Form des Inhalts, sondern vielmehr im Inhalt selbst zu finden. Der ziemlich aufgebrachte Verleger William Randolph Hearst wollte wutschnaubend das Filmmaterial an sich bringen und vernichten, weil er in der Story Parallelen zu seinem eigenen Leben zu entdecken glaubte, insbesondere in der Figur der Susan Alexander, in deren Darstellung er eine Diffamierung seiner Geliebten sehen wollte. Hearst schaffte es zwar Gott sei Dank nicht, alle Kopien zu zerstören, doch aufgrund seines relativ hohen Einflusses brachte er es zumindest fertig, dass kein Verleih sich bereit erklären wollte, den Film herauszubringen, so dass Welles schließlich eigens ein Kino in New York mieten musste, um die Uraufführung von “Citizen Kane” doch noch zu ermöglichen. In der Folgezeit fiel es ihm allerdings immer schwerer, seine Projekte zu finanzieren, weil RKO wegen der geringen Einspielsummen rebellierte und Welles in erheblichem Maße seiner künstlerischen Freiheiten beschnitt.

Die brisante Geschichte, die Orson Welles in “Citizen Kane” aufarbeitete, wird häufig und gerne anhand von allen erdenklichen Werken der früheren Literatur interpretiert. Die genannten Parallelen reichen von Bertolt Brecht bis hin zu James Joyce und dessen Roman “Ulysses”. Im Kern handelt es sich aber wohl um die klassische Zeichnung des oft als “amerikanischer Traum” betitelten Werdegangs, den Aufstieg vom kleinen, unscheinbaren Bürger zum ehrenhaften Posten eines Pressemagnaten, der sich ein riesiges Imperium errichtet und in seiner Machtblindheit zunehmend egoistisch wird. Passend lautete der ursprüngliche Titel des Werks “American”, wurde aber später in “RKO 281” umgeändert, bevor der Film zu seinem endgültigen Titel “Citizen Kane” kam. Im Grunde ist die Schilderung des Lebens von Kane sowieso universell, womit erstgenannter Arbeitstitel etwas zu pauschal ausgefallen und der Aussage des Films nicht gerecht geworden wäre. Orson Welles kreierte mit Charles Foster Kane einen der bemerkenswertesten Charaktere der Kinogeschichte. Diese urtypische Figur verankert er als Regisseur auf geniale Weise in sein tiefschürfendes Gesellschaftsportrait. Welles, bekanntermaßen ein intellektuelles Allround- Talent, spielte hier seine wohl populärste Rolle, die einen ähnlichen Kultstaus wie jene des fiesen Penizilinschiebers Harry Lime aus dem Nachkriegs- Krimi “Der dritte Mann” innehat. In beiden Filmen spielte Welles mit Joseph Cotten zusammen.

Zum Glück liefen die Bemühungen Hearsts, den Film aus dem Verkehr zu ziehen, ins Leere, so dass “Citizen Kane” Jahrzehnte nach der Entstehung seine Renaissance erfahren durfte. Und da Orson Welles` erste und wichtigste Regiearbeit in Hollywood so wegweisend für das moderne Kino war, ist sein Werk ein absolutes Muss für jeden, der sich für die Materie Film interessiert. Auf der DVD sind noch einige erweiterte Szenen enthalten, die aus kommerziellen Gründen herausgeschnitten wurden, so zum Beispiel ein Treffen Kanes mit dem Präsidenten, sein Wiedersehen mit seinem leiblichen Vater oder auch ein Kostümball auf Schloss Xanadu. Welles ging nach Ende des Zweiten Weltkriegs nach Europa und versuchte dort Fuß zu fassen. Seinen letzten nennenswerten Erfolg feierte er 1958 mit dem Thriller “Im Zeichen des Bösen”, ehe er sich aus dem Filmgeschäft zurückzog. Welles verstarb 1985.

Eine Rezension von Christopher Michels
(04. März 2009)
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Daten zum Film
Citizen Kane USA 1941
(Citizen Kane)
Regie Orson Welles Drehbuch Orson Welles, Herman J. Mankiewicz
Produktion RKO/Arthaus Kamera Gregg Toland
Darsteller Orson Welles, Joseph Cotten, William Alland, Dorothy Comingore
Länge 114 Minuten FSK ab 12
Filmmusik Bernard Herrmann
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