Egal ob das Grubenunglück in Lassing, der Tsunami, oder das Jahrhunderthochwasser - in Zeiten der Not und der Krise sind die Menschen immer näher zusammengerückt, haben sich immer gegenseitig geholfen. Oliver Stone konzentriert sich in "World Trade Center", seinem Film über den 11. September 2001, auf genau diesen, den menschlichen Aspekt.
Er erzählt die, auf Tatsachenberichten beruhende, Geschichte der beiden Polizeibeamten John McLoughlin (Nicolas Cage) und Will Jimeno (Michael Pena), die am 11. September im Zuge ihres Dienstes Menschen aus dem Nordturm des World Trade Center, der als erstes getroffen wurde, evakuieren sollten, beim Einsturz verschüttet und nach 2 Tagen geborgen wurden. Parallel dazu zeigt uns Stone die Frauen (Maria Bello und Maggie Gyllenhaal) und Familien der beiden Männer, die zwischen Angst, Panik und Verzweiflung auf Nachricht warten.
Die Eröffnungssequenz präsentiert uns sehr stimmungsvoll einen Morgen in New York, das Erwachen der Stadt an einem völlig normalen Tag, die beiden Polizisten auf dem Weg zur Arbeit, alles Alltag wie immer. Der Einschlag des ersten Fliegers wird nur als Schatten an den Häusern und als dumpfer Rumms dargestellt, es passiert beinahe unbemerkt. Allein diese ersten Minuten fangen die Atmosphäre dieses Tages haargenau ein, die fassungslose Ungläubigkeit, die heillose Überforderung und das Nicht-wissen was wirklich passiert ist. Wer denn einen Flieger in den Tower lenkt, dem muss woh
l der Benzin ausgegangen sein, mutmaßt ein Polizist. Von Terroranschlag keine Rede. Was denn an Material und Plänen vorhanden sei, um mit so einer Situation umzugehen, fragt ein Kollege John McLoughlin. Seine Antwort: "Nichts. Nichts für etwas von dieser Größenordnung.". Als die Polizisten schon im Nordturm stehen, um die Menschen zu evakuieren und plötzlich alle in den Südturm abgezogen werden, herrscht Verwirrung. Was denn im Südturm passiert sei. Die Nachricht, es gäbe einen zweiten Flieger wird vom Tisch gewischt. Man habe gerade die Information erhalten, dass der Nordturm getroffen wurde. Kurz darauf stürzt dieser ein. Der Beginn spielt mit dem Wissen des Zuschauers um die Ereignisse dieses Tages, was es noch unerträglicher macht diesen Menschen zuzusehen, wie sie ahnungslos ins Verderben laufen.
Von da an zeigt uns der Film die beiden Verschütteten, wie sie über ihre Familien, ihre Arbeit, ihre Schmerzen und irgendwann über Gott und den Tod reden und vorallem einfach reden, um nicht einzuschlafen und am Leben zu bleiben. Das Gespräch wird nie besonders tiefsinnig, es bleibt zum Teil bei oberflächlichem Informationsaustausch, doch worüber sollen wildfremde Menschen in einem verschütteten Hochhaus großartig philosophieren? Die Dialoge bleiben glaubhaft, wenn auch teilweise unspannend, die Situation nachvollziehbar.
Nichts von dem, was uns Stone in diesem Film zeigt, ist unrealistisch oder absurd. An manchen Stellen etwas überhöht, doch es ist seine starke Schauspielerriege, die die banalen Alltagsdialoge großteils vom Pathos fernhält. Nicolas Cage fährt sich selbst runter und verschwindet fast hinter dem ruhigem Normalo John McLoughlin. Maggie Gyllenhaal und Maria Bello, zwei der besten und furchtlosesten Schauspielerinnen die Hollywood zurzeit hat, geben uns zwei greifbare, starke, verängstige Frauen.
Es bleibt eine Reizfigur im Film, die des Marines Dave Karnes (Michael Shannon), der einen Haufen pathetisches und patriotisches Zeugs plappert, vom Krieg, von den Marines und ihrer Mission und dem besten Messer der Welt, dem Marinesknife. Doch auch diese Figur federt Stone gut ab, indem er Karnes als gottesfürchtigen Soldaten einführt, der die Terrorangriffe als Gottes Plan für ihn erkennt, seine Talente zu nutzen und den Menschen zu helfen. Und so schickt er für sich selbst auf eine Mission, fährt nach New York und findet tatsächlich die beiden Verschütteten. Es ist bezeichnend, dass er der Einzige ist, der zum Schluss von Rache spricht und es ist auch der einzige Moment im Film, in dem zukünftige Ereignisse vorweg genommen werden.
"World Trade Center" nutzt außerdem die Zeit, um uns Bilder aus allen Ländern der Welt und die Reaktionen der Menschen zu zeigen. Man wird sich daran erinnern, dass die ursprüngliche Reaktion eine gute, eine bestürzte und mitfühlende war, bevor der 11. September diesen politischen Rattenschwanz bekam und die Betrachtung im Nachhinein in Zynismus kippte.
Es gibt ein Lied über diesen Tag, in dem es darum geht, dass New Yorks Schutzengel die Stadt an diesem Tag wohl verlassen hat, doch am Ende stellt der Sänger fest, dass er doch noch da ist:
Last night on the newscast
I saw him plant his seed
In all the helping hands
In all the faith we keep
So sagt auch Nicolas Cages Charakter am Ende, dass er sich immer an diesen Tag erinnern werde, auch deshalb, weil so viel Gutes an dem Tag passiert ist. Menschen haben sich gegenseitig geholfen, einfach nur aus dem Grund, weil die anderen die Hilfe brauchten.
"World Trade Center" ist manchmal langatmig, in stellenweise kitschig anmutende Hochglanzbilder getaucht und ein ehrliches Plädoyer für die Menschlichkeit, mit dem Oliver Stone seinen üblichen Zynismus hinter sich lässt und trotzdem einmal mehr Knöpfe drückt und polarisiert, weil er jeden politischen Kommentar verweigert. Andererseits - ist nicht seine Message über die Menschen und ihr Zusammenleben ein einziger großer politischer Kommentar?