Unser geschätzter Kollege Peter L. hat mir gegenüber schon mehrfach den Wunsch geäußert, er wäre gerne in den Achtzigern groß geworden (er ist zwar durchaus noch ein Kind der Achtziger, kann sich aber - wie so viele von uns - kaum an die ersten Jahre seines Lebens erinnern). Nun, Peter: Die Achtziger waren ja als Dekade eigentlich nicht besser oder schlimmer als die meisten anderen Dekaden, die rückblickend betrachtet irgendwie ganz fürchterlich erscheinen und zum Schreien sind. Was wir heute als geschmacklos und/oder retro empfinden, schien uns ja der ganze normale Status Quo zu sein: Klaus Lage, Vier gegen Willi, Duran Duran, der C64, Rubikwürfel, Hasselhoff, Sendeschluß. Und natürlich (gleich wird donnernder Applaus angesichts des geschickten Brückenschlags zum eigentlichen Thema hörbar sein) eine uferlose Anzahl von Teeniekomödien, in denen Jungs wollen, aber nicht dürfen. Wie beispielsweise PRIVATE SCHOOL von 1983, der dir, lieber Peter, veranschaulichen dürfte, was genau du verpaßt hast.
Man mag die Wurzeln der 80's-Teenie-Sex-Komödien gerne beim sagenhaften Erfolg von ANIMAL HOUSE (ICH GLAUB' MICH TRITT EIN PFERD) von 1978 verorten, aber der ist - früher John Landis - eher an der Subversion und der Anarchie interessiert als an der reichhaltigen Bebilderung pubertärer Nöte und voyeuristischer Impulse. Mit der EIS-AM-STIEL-Reihe kommen
wir dem Grundstein der heiteren Welle schon näher; bei der kanadischen Produktion PORKY'S von Bob Clark aus dem Jahr 1981 und ihrem Millionenerfolg sind wir am Ziel: Notgeile Jungs auf der ständigen Mission, endlich ihre Jungfräulichkeit zu verlieren. Viel nackte Haut, völlig peinlicher Humor und hirnrissige Pläne, die auch stets scheitern, und dazu Popmusik von vorn bis hinten - die Eckpfeiler des Subgenres sind quasi unverrückbar (und wurden in die NWOAHTM - New Wave of American Horny Teenager Movies - im Fahrwasser von AMERICAN PIE auch flugs übernommen).
Aber kommen wir doch endlich zu PRIVATE SCHOOL, dessen Handlung wir nun eigentlich schon verraten haben. Da gibt es also ein Internat für Jungs, die alle spitz sind, und gleich ums Eck ein Internat für Mädchen, die - wie wir ja alle stets vermutet haben - viel Zeit damit verbringen, in ihrer Unterwäsche herumzuspazieren oder kichernd zu duschen. Schon zu Beginn stehen drei Jungs - ganz nach EIS AM STIEL: ein langer, ein nicht so langer, und ein dicker - als menschliche Leiter am Mädchenwohnheim, und der oberste schießt fleißig Polaroid-Bilder (Achtziger, lieber Peter!) von einer Frau, die gerade duscht. Schlupp, schon steht sie nur mit einem Handtuch bekleidet am Fenster, und doppelschlupp, schon hat der dicke Junge das Handtuch ergattert, und die drei Freunde fallen lachend um.
Die Mädchenschule wird übrigens von einigen älteren Frauen geleitet, darunter eine dickliche Direktorin, die wie eine komplette christliche Institution aussieht und beim bloßen Anzeichen von Sex und Unzucht sofort dem drohenden Herzkasperl ausgesetzt ist. Diese Direktorin leitet auch den halben Film über eine Gruppe von noch älteren Frauen durch die Schule, die von irgendeiner Stiftung kommen, und freilich laufen sie beständig in irgendwelche Situationen, wo Frau Direx fast umkippt: Da kuscheln zwei Teenager in ihrem Büro (und das Mädchen steht natürlich gerade mit der Bluse über dem Kopf in ihrer Unterwäsche da), da reißen den Cheerleadern die (präparierten) Kostüme und die Brüste kullern heraus, da reitet die Frau, die wir schon von der anfänglichen Duschszene kennen, mit offener Bluse über die Wiese und bekommt das spärlich verhüllende Kleidungsstück prompt vom vorbeireitenden Dicken gemopst. Wir sehen schon, worauf die meisten Gags abzielen: Genau, Autoritätsuntergrabung (ähem).
Der Film ist sehr geschickt darin, seine schwerst voyeuristischen Neigungen größtenteils reibungslos zu verkaufen: Alles ganz harmloser Unfug eigentlich. Wie kann man einem Film böse sein, der sich ausführlich die Zeit nimmt, zu einem ellenlang ausgespielten 80's-Plastikpopsong wohlproportionierten Frauenkörpern beim Sport in scheußlichen Klamotten zuzusehen? Überhaupt, die Musik: Dauerberieselung durch hallende Synthdrums, bunte Keyboardmelodien, Aerobic-Rhythmen, ploppende Bässe, der absolute Dauerpop. Ja, Peter, hier hast du die Achtziger in Reinkultur: Im Gegensatz zu den rückblickenden Produktionen, wo nur die größten Renner der Dekade gespielt werden, hast du hier Hitsongs und solche, die es nie werden konnten.
Was PRIVATE SCHOOL auch ein wenig abhebt von vergleichbaren Filmen: Frauen sind hier nicht nur böse, unerreichbare Gestalten, sondern mitunter auch ganz normale Teenager. Inmitten all des heiteren Mit-welchem-bescheuerten-Plan-können-wir-mehr-nackte-Brüste-sehen-Spiels (irgendwann laufen die Jungs in Frauenklamotten im Mädchenwohnheim herum wie weiland
Rudi Carrell und Ilja Richter!) gibt es eine Geschichte um ein Paar - Matthew Modine (noch vor FULL METAL JACKET) und Phoebe Cates (noch vor dem Kampf gegen die Gremlins und der Hochzeit mit Kevin Kline) - das sich Gedanken um das erste Mal macht und dabei eigentlich durchaus realistische Sorgen und Hoffnungen hat. Beinahe zu realistisch, um zum Rest des Films zu passen, aber zum Glück erinnern uns viele Popsongs und ganz dicke Synthstreicher mit Klavier immer daran, daß wir uns noch in der PRIVATE SCHOOL befinden - wo übrigens auch, das haben wir ja bislang verschwiegen und wollen es nun ganz unpassend noch im selben Absatz tun, Sylvia Kristel Sexualkunde unterrichtet (mit dem Rollenname "Ms. Copoletta") und dabei demonstriert, daß zu ihren sicherlich zahlreichen Talenten Schauspielerei und Komik nicht zählen.
Sagen wir es so: Der Film erreicht die gesteckten Ziele ganz und gar. Dabei ist nicht gar so hemmungslos albern und behämmert wie der namentlich dicht angesiedelte
DIE SUPERAUFREISSER - und somit vielleicht theoretisch ein Fitzelchen besser, aber gleichermaßen ein Stückchen weniger unterhaltsam. Ach ja, die Schwierigkeit der Vergleiche. Lieber Peter, um die Achtziger zu verstehen, mußt du dir ohnehin beide Filme ansehen und alle anderen Teeniefilme noch dazu. Und dann reden wir mal über deine spärliche Chris-DeBurgh-Sammlung.