Der Kleindealer Frank (Kim Bodnia) gerät innerhalb kürzester Zeit in einen erbarmungslosen Strudel aus Gewalt und Gegengewalt in der Kopenhagener Unterwelt. Gemeinsam mit seinem besten Freund, dem naiven Tonny (Mads Mikkelsen) will Frank einen schnellen Deal mit einem schwedischen Kunden abschließen und verspricht ihm 200 Gramm Heroin. Dieses holt Frank sich bei dem jugoslawischen Großhändler Milo (Zlatko Buric), der im lokalen Geschäft fest etabliert ist. Doch die Übergabe läuft schief, die Polizei vereitelt das Geschäft, Frank kann gerade noch in letzter Sekunde den Stoff im Wasser versenken. Nach einer Nacht in U-Haft ist Frank wieder auf freiem Fuß - doch Milo ist sauer und will sein Geld. Die nächsten Tage werden für Frank von aufreibender Beschaffungsnot bestimmt und mit voran schreitender Zeit schließt sich die Schlinge immer enger um seinen Hals...
Es mag befremdlich klingen, PUSHER als ein Meisterwerk anzupreisen, insbesondere mit einem kurzen Blick auf die wundersame Produktionsgeschichte dieses kleinen Films, der für einige Zeit die gesamte dänische Filmindustrie umgekrempelt hat. Regisseur Nicolas Winding Refn konnte dieses gewagte Projekt nur realisieren mit dem grenzenlosen Vertrauen, das Produzent Henrik Danstrup dem Debütanten schenkte, der nach eigener Aussage nie zuvor in irgendeiner Weise an einem professionellen Filmprojekt beteiligt war. Umso erstaunlicher mutet es an, wenn man sich das Ergebnis in diesem Bewusstsein ansieht
, denn Refn ist nichts weniger gelungen als eine schonungslose Milieustudie, die in ihrer authentischen Erbarmungslosigkeit so ziemlich jeden ähnlich gelagerten Film in den Schatten stellt. Wahrscheinlich ist es der Unerfahrenheit Refns zu verdanken, das er sein Erstlingswerk als schiere Urgewalt auf die Leinwand bringt, die in dieser Form wohl nur von einem Jungen Wilden einzufangen ist. Mit der ausschließlichen Verwendung von Handkameras erzeugt der Film einen absolut realistischen Look, der trotzdem im Genrekino verwurzelt ist und auch dessen Funktionsweisen annimmt. Letzteres im vollen Bewusstsein um die Klischees und eingefahrenen Figurenkonstellationen, um die der keineswegs neue oder originelle Plot - sieben Tage im Leben eines Kriminellen, in denen die Kacke immer heftiger dampft - geschickt herum navigiert. Neben der formellen Brillanz, mit der Refn immer Augenkontakt zu seinem Protagonisten hält, beeindruckt das Ensemble auch nach fast 15 Jahren noch nachhaltig. Der mittlerweile zum Star avancierte Mads Mikkelsen (
Casino Royale) bekleidet lediglich eine Nebenrolle, seiner Figur Tonny widmet sich Refn im
zweiten Teil seiner (ursprünglich sicher nicht als solche angelegten) Trilogie. Bereits in dieser ersten wichtigen Rolle lässt Mikkelsen seine eindringliche Körperlichkeit durchblicken, sein phänomenales Minenspiel, das ihm erlaubt, in jede nur erdenkliche Rolle zu schlüpfen. Doch dieser erste Teil gehört ganz Kim Bodnia (NIGHTWATCH), der jede seiner Szenen mit einer Vehemenz an sich reißt, wie es nur den wenigsten Charakterdarstellern gelingt.
Frank ist keine klassische Identifikationsfigur. Er ist ein Arschloch, das sich selbst als tollen Hecht sieht, durch die Kopenhagener Straßen zieht um Koks und Heroin zu verticken - vor seinem Freund Tonny spielt er sich auf, vor seinen Kunden markiert er den dicken Macker. Als das Eis dünner wird, verliert Frank zusehends sein Pokerface, was von Bodnia in infernalischen Gewaltausbrüchen ebenso glaubwürdig verkörpert wird wie in Momenten stiller Verzweiflung. Als kongenialer Gegenpart steht ihm Zlatko Buric (
2012) gegenüber, dessen Figur Milo im dritten Teil in den Mittelpunkt rückt. Ebenso wenig, wie Frank ein unschuldiges Opfer der Umstände ist, ist Milo der diabolische Gangster-Boss. Der Umgangston mit Frank ist freundlich, auch noch längere Zeit nachdem der Deal versaut wurde. Milo bietet Kaffee an, macht Smalltalk, hat darüber hinaus aber nichts verschlagenes an sich. Seine Absichten sind klar und es ist ihm nicht daran gelegen, Gewalt anzuwenden. Doch bei aller Freundlichkeit und Zurückhaltung stellt Milo seine Forderungen mit der erfahrenen Abgebrühtheit eines Geschäftsmannes und lässt keinen Zweifel an seiner Skrupellosigkeit. Buric verleiht seiner Figur ein derartig ausdrucksstarkes Charisma, das er fast schon zum heimlichen Star des Films aufsteigt. Da dem gesamten Gangsterleben jegliche Romantik und jeder Glamour entzogen wird, fällt PUSHER niemals einer falschen Faszination für sein Milieu zum Opfer. Er zeigt die nackte Realität, nur eben stilisiert. So stecken selbst hinter den wie zufällig wirkenden Kamerabewegungen anspruchsvolle kompositorische Überlegungen und auch in den scheinbar trivialen Dialogen erzählen die Figuren unwahrscheinlich viel von sich selbst - allen voran natürlich Frank, der sich besonders stark entblößt wenn er zu Anfang den Prahlhans gibt und gegen Ende kleinlaut bei seiner Mutter auftaucht oder die Waffe selbst gegen gute Freunde richtet um das nötige Geld zusammen zu kratzen.
Die meisten Kritiker machen Parallelen zu Quentin Tarantino aus, womit sie falscher kaum liegen könnten. Mit den postmodernen Pulp-Opern des amerikanischen Kultregisseurs hat PUSHER nicht viel gemein. Tatsächlich ebenete der Erfolg des Films den Weg für eine ganze Reihe dänischer Gangsterfilme (z.B. IN CHINA ESSEN SIE HUNDE), die ihrerseits wirklich eher auf betont triviale, schwarzhumorige Unterhaltung setzen und damit Tarantino viel näher stehen als Refn. Der hatte es offensichtlich nicht im Sinn, einen hippen Kultfilm aus dem Boden zu stampfen sondern nimmt sein Milieu, seine Figuren, deren Nöte und Ängste absolut ernst. So verschwindet auch spätestens in der zweiten Hälfte jeder Anflug von Ironie, die zu erwartende Gaunerkomödie findet nicht statt. Frank sitzt in der Scheiße und Refn macht keinen Hehl daraus, das ein kleiner Ticker in solch einer Situation durch die Hölle geht. Durch ein kleines Missgeschick spitzen sich die Ereignisse in kürzester Zeit zu, woraus sich ein erbarmungsloser Spannungsbogen ergibt, der den Zuschauer ohne Rücksicht auf Verluste platt walzt.