Im dritten und letzten Teil seiner Kopenhagener Unterwelt-Trilogie schließt Nicolas Winding Refn sowohl inhaltliche als auch kausal-dramaturgische Zusammenhänge in einem wahrhaft apokalyptischen Finale, dessen kalter Nihilismus die beiden Vorgänger in Sachen schmerzhafter Seherfahrung deutlich in den Schatten stellt. Waren schon die ersten beiden Teile keineswegs bequem-erquickliche Unterhaltung, so stellt sich der Abschluss der Reihe als einer der härtesten und kontroversesten Filme der letzten Jahre heraus, dessen subversives Potential sich allerdings nicht sofort erschließen will. Im Mittelpunkt steht diesmal kein titelgebender Pusher sondern der "Gangsterboss" Milo, der bisher alle Fäden in der Hand hatte, einige "Positionen" über Leuten wie Frank und Milo rangiert und für jene kleinen Fische sowohl Brotgeber als auch Scharfrichter sein konnte. Der letzte PUSHER spielt also noch im gleichen Milieu, vermeintlich aber auf einer gehobeneren Ebene - was sich schnell als Trugschluss heraus stellt denn auch nach vielen Jahren im Geschäft muss Milo sich noch mit den Laufburschen abgeben und ist im Gegenzug auf die Gunst des nächst größeren Lieferanten angewiesen. Die Heroinsucht - die in PUSHER I & II noch nicht vorhanden war oder vielleicht nur nicht thematisiert wurde - hat den gealterten und mittlerweile recht aufgedunsenen Milo schwer gezeichnet. Am Geburtstag seiner Tochter, an dem die gesamte Handlung spielt, ist er schwer überfordert, muss er doch für dutzen
de Partygäste kochen, nebenbei einen Deal abwickeln und zwischendurch noch die Treffen der anonymen Drogensüchtigen besuchen. Doch der Druck lastet schwer auf Milo, sein Geschäft entgleitet ihm immer mehr: Es kommt zum Rückfall, das anberaumte Geschäft scheitert. Schnell eskaliert die Situation und es kommt wieder zur Katastrophe.
Statt einer Ladung Heroin, wie er es gewohnt ist zu verkaufen, landet eine große Portion Ecstasy-Pillen in Milos "Werkstatt", welche er nach anfänglichem Zögern an den Mann bringen will. Auch in gehobeneren kriminellen Kreisen reicht also ein geplatztes Geschäft um böses Blut aufkochen zu lassen. Refn versetzt Milo in eine ganz ähnliche Lage, wie sie zuvor Frank, Tonny und etliche andere durchlebt haben. War Franks Situation in
Pusher geprägt von einer exponentiellen Steigerung der Probleme, brach Tonnys Leben in
Pusher II schon wesentlich unregelmäßiger auseinander - PUSHER III treibt dieses Prinzip nun auf die Spitze indem er Milo eine ganze Reihe zerfaserter Erzählstränge anhängt, die sich allesamt an einem Tag zuspitzen. Der Film zerlegt alle dramaturgischen Vorgaben des Gangsterfilms und verätzt zum Ende hin jeden Anflug von romantisierter Coolness, die selbst den stärksten Genrefilmen fast unweigerlich anhaftet. In einem infernalischen Finale kommt es zu einer oft gesehenen Leichenentsorgung, deren naturalistische Unbarmherzigkeit jedoch ungeahnte Ausmaße annimmt. In präziser Kleinstarbeit wird ein menschlicher Körper ausgenommen und fachmännisch in alle Einzelteile zerlegt. Der schon zuvor zermürbende Trip, auf den PUSHER III den Zuschauer schickt, mündet in eine schier unerträglich zu konsumierende "Säuberungsaktion", bei der die Kamera stur jeden einzelnen Schritt der Eingeweise durch einen Fleischwolf verfolgt. Die Auflösung des Körpers in detaillierter Form spiegelt Refns kluge Dekonstruktion des Gangster-Mythos, den auch das Setting gänzlich unterläuft. Milo hat Geld, viele Freunde und Bekannte und bereitet den Geburtstag seiner erwachsenen Tochter als rauschhaftes Fest vor - zu sehen bekommt man zuvorderst aber das mühselige Handwerk, das diese Maschine am laufen hält.
Erst spät kristallisiert sich heraus, das Milo - der Chef in Kopenhagen - nach und nach von der Zeit und der nachrückenden Generation überholt wurde. Verwirft man diesen Gedanken noch, als sich zu Anfang der "kleine Mohammed" als neuer King aufspielt und Milo unbeholfen arrogant in die Schranken weisen will, zeigt sich später doch deutlich, das an dieser Aussage etwas Wahres liegt. Zum shakespeareschen Königsdrama im bodenständigen Look entwickelt sich PUSHER III spätestens aufgrund der familiären Dimension - denn auch die Tochter Milos gehört zur neuen Generation organisierter Krimineller, will ihren alten Herren aus dem Geschäft drängen und das aufgebaute Imperium nahtlos übernehmen. Doch nicht nur wegen der gedehnten Erzählweise ist der Film eine kleine Geduldsprobe für den Mainstream-Zuschauer, ist der Großteil der gesprochenen Dialoge doch in serbokroatisch gehalten. Unter "seinen" Leuten ist Milo aber schon lange nicht mehr geborgen und sicher. Ein Wiedersehen gibt es auch mit Milos ehemaliger rechter Hand Radovan, der in der gesamten Trilogie dabei ist und vom ehemaligen Türsteher Slavko Labovic, der dem charismatischen und höflichen Auftragsschläger sowohl menschliche Facetten abringt aber auch durch eine bedrohliche Körperlichkeit in Erinnerung bleibt. Radovan hat seinen im ersten Teil bereits gehegten Wunsch des Ausstiegs und vom eigenen Restaurant wahr gemacht - für Milo begibt er sich ein letztes Mal in kriminelle Gefilde.
Fazit: Alle drei Segmente in Refns Pusher-Trilogie funktionieren für sich allein, eine Kenntnis der jeweils anderen Filme ist für den Einzelnen nicht erforderlich. Da etliche Querverbindungen geknüpft werden, webt die Trilogie als Gesamtwerk ein dichtes Netz einer archetypisch gezeichneten Unterwelt, deren Logistik dramaturgisch famos übersetzt wird. Eine besonders destruktive Note erzeugt auch der kreischende Score, der Milos Heroinrückfall zum Abstieg in die Hölle generieren lässt. Ein ganz großer, wuchtiger und furchtloser Film, der noch lange nachwirkt und dessen ungeschminkte Drastizität nie in selbstweckhafte Effekthascherei ausartet.