Man gewöhnt sich ja schon bald daran, daß in letzter Zeit in Hollywood alles ge-remake-t, ge-reboot-et, ge-prequel-t, ge-neuerdacht und ge-aufwärmen-t wird, was nicht bis drei auf dem Baum ist. Ungefähr so gelungen wie die letzten paar Verbbeugungen im vorigen Satz geraten denn auch die meisten dieser Neuverfilmungen. Unlängst erwischt hat es THE STEPFATHER, 1987 ein fieser kleiner Angriff auf die von Reagan propagierten "Familienwerte", in dem Terry O'Quinn (der viel später mit der Fernsehserie LOST zu Ruhm kommen sollte) einen unscheinbaren netten Mann von nebenan spielt, der an das Ideal der perfekten Familie glaubt und, wenn sich seine derzeitige diesem Ideal nicht anpassen will, Kind und Kegel ermordet und sich unter neuer Identität einfach die nächste alleinerziehende Mutter sucht. Unter der Regie von Joseph Ruben war die '87er-Variante ein schwarzer, spannender Thriller, in dem unter der Fassade der Normalität eine der Grundinstitutionen Amerikas seziert wurde.
Soviel Glück haben wir bei der Neuauflage natürlich nicht: 2009 haben die Remake-Verantwortlichen hauptsächlich Angst, daß man vielleicht etwas verpassen könnte. Jede Kameraeinstellung ist ominös, jeder Moment vermeintlich unheimlich, jeder Blick und jede Geste des netten Stiefvaters wird so inszeniert, daß es beunruhigt. Wo Terry O'Quinn die perfekt freundliche Oberfläche gespielt
hat, darf nun Dylan Walsh derart offensichtlich sein Psychopathentum vorankündigen, daß man sich um die Intelligenz der Frau Sorgen macht, die er gleich zu Beginn aufgabelt. Nichts an der Figur wirkt glaubwürdig "normal" – und sollte der Zuseher die visuellen Hinweise auf ihre Bedrohlichkeit vielleicht doch nicht raffen, hilft höchstwahrscheinlich der permanent unheimliche Score, der so hoffnungslos vorahnungsvoll überzeichnet, daß der gute Stiefvater nicht mal ins Telefonbuch schauen kann, ohne dabei immens böse zu wirken.
Weil im Jahr 2009 Kino gerne unter dem Zeichen des Aufmerksamkeitsdefizits steht, beeilt sich auch der STEPFATHER so sehr, zum Kern der Story zu kommen, daß es fast absichtlich ironisch wirkt: In der ersten Sequenz rasiert sich unsere Hauptfigur, trinkt eine Tasse Kaffee, dann rückt die Kamera seine abgeschlachtete Familie ins Bild. Über dem Vorspann erklärt uns eine atemlose Reporterin, daß man einen Mann sucht, der sich unter falschem Namen in Familien einheiratet und diese dann ermordet. Nächste Sequenz: Der Verbrecher im Supermarkt, eine Frau kommt mit zwei Kindern vorbei, der Verbrecher gibt den Kindern ein paar Weisheiten ab und flirtet mit der Frau. Dann: Der Parkplatz vor dem Supermarkt, wo die Frau den Mann nochmal sieht und ihn zum Pizzaessen einlädt. Es folgt eine Einblendung – sechs Monate später! – und schon lebt der Psychopath als Stiefvater mit der Frau und den Kindern zusammen. Wenn schon die Prämisse mit derartiger "Bringen wir's hinter uns"-Haltung abgefrühstückt wird, wie glaubwürdig kann dann wohl die Normalität der Situation sein, die dann vom Psychopathen nach und nach zerstört wird?
Natürlich rennen alle Figuren immer nur im Laufrad des Plots – keiner der Charaktere scheint außerhalb des Frames auch nur eine Spur Leben zu haben. Weil also der älteste Sohn von der Militärakademie zurückkommt und den Stiefvater eher suspekt findet – vielleicht ist er der einzige, der die ständige bedrohliche Musik hört? – darf sich Verdachtsmoment an Verdachtsmoment reihen, während wir halt nur darauf warten, daß der Psychopath endlich ausrastet. Fast unnötig zu erwähnen, daß für die Erzeugung von "Spannung" (beziehungsweise dem, was die Filmemacher dafür halten) jedes Klischee im Buch ausgereizt wird: Eine Katze, die plötzlich ins Bild springt; lautstarkes Rumpeln auf dem Soundtrack, sobald einen etwas erschrecken soll; der Psychopath kann plötzlich aus dem Nichts auftauchen und hinter einem stehen; und, jawoll, wenn man vor einem Killer flüchtet, ist die Treppe nach oben auf den Dachboden wirklich fast immer die allerbeste Wahl – wenn man sicherstellen will, daß man irgendwann nicht mehr weglaufen kann.
Erwähnen wir noch kurz, daß Amber Heard im Film mitspielt – sie ist die Freundin des ältesten Sohnes und glaubt ihm natürlich kein Wort darüber, daß das Suchbild bei "America's Most Wanted" dem Stiefvater sehr ähnlich sieht. Weil sich ihr Aufgabenbereich also hauptsächlich auf das Abweisen von Informationen beschränkt, hat sich der Regisseur einen Kniff ausgedacht, um ihr Relevanz zu verleihen: Sie verbringt den Großteil des Films nur spärlichst bekleidet. Mal räkelt sie sich in rosa Unterwäsche auf dem Bett herum, dann liegt sie nur mit einem Bikini bekleidet im Garten, dann springt sie in den Pool und rennt dann naß durchs Haus, und in mindestens einer Szene ist die Kamera so positioniert, daß sie exakt da stehenbleibt, wo wir ihren (spärlich bekleideten) Hintern ausführlich begutachten können. Ganz nach Neigung und Interesse darf man Amber Heard vielleicht als das einzig Aufregende in diesem abgehangenen Spektakel betrachten.
Über den Abspann schreit Filter-Sänger Richard Patrick dann noch eine schreckliche Fassung von "Happy Together". Vermutlich, damit man dann auch wirklich froh sein kann, daß der Horror vorbei ist.