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von Antonio Margheriti




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Ein Kind zu töten...

Ein Kind zu töten...

Ein Film von Narciso Ibáñez Serrador

Eines der letzten großen Tabus sowohl des Mainstreams- als auch des Arthouse-Kinos dürfte die Tötung von Kindern sein. Die Gewaltszenen werden immer intensiver, die Sexszenen immer expliziter (gerade im Arthouse), doch gezielte Gewalt gegen Kinder, besonders on-screen, findet man nur sehr selten. Wenn Kinder sterben, dann meistens als Auslöser für den Rachefeldzug des Helden oder um die Tragik der Geschichte zu erhöhen. Die kindliche Unschuld ist eine feste Größe in der Gedankenwelt des Filmes, und nur wenige Streifen trauen sich, diese Unschuld zum zentralen Thema ihrer Geschichte zu machen. Gewalt gegen Kinder ist somit eines der seltener anzutreffenden Motive, (tödliche) Gewalt von Kindern findet man aber erst recht fast nie. Und die schwierige moralische Frage, was man als Erwachsener tut, wenn Kinder zu Mördern werden, behandeln dann nur die allerwenigsten Filme, da es ein undankbares Terrain für den Zuschauer ist, der sich auf diese Filme einlässt. Man kann moralisch nur daran scheitern.

Was nun diese Einleitung bei einem Film mit dem Titel „Ein Kind zu töten...“ zu suchen hat, benötigt wohl keine weitere Erklärung. Die inzwischen erschienene deutsche DVD aus dem Hause Bildstörung trägt dann auch „warnenderweise“ diesen Titel, und nicht etwa den scheppernden alten Namen „Tödliche Befehle aus dem All“, denn mit Befehlen und dem Weltall hat die ganze Sache dann doch eher gar nichts zu tun.
Vielmehr handelt der Film von d
em englischen Ehepaar Tom und Evelyn, die ohne ihre beiden Kinder Urlaub in Spanien machen. Zusammen mit seiner hochschwangeren Frau fährt Tom zur Insel Almazura, einem abgelegenen romantischem Platz jenseits des Lärms und Touristenmassen vom Festland. Dort angekommen unterstützen die hilfreichen Kinder sie beim Anlegen, doch sonst findet sich keine Menschenseele. Nach mysteriösen Anrufen beobachtet Tom schließlich, wie ein Mädchen einen Greis mit seinem eigenen Gehstock zu Tode prügelt. Irgendwas stimmt mit dieser Insel und ihren Kindern also definitiv nicht – und schon bald müssen Tom und Evelyn um ihr Leben fürchten, denn, um den englischen Titel des Films zu zitieren: „Who can kill a child?“
Ein Kind zu töten...Ein Kind zu töten...Ein Kind zu töten...
Untermalt von historischen Archivaufnahmen von Konzentrationslagern und diversen Kriegen, eröffnet „Ein Kind zu töten...“ ein grauenhaftes Szenario für den erwachsenen Zuschauer: Was wäre, wenn sich die Kinder dieser Welt gegen die Erwachsenen erheben und sich an ihren Peinigern rächen wollten? Könnte man ein Kind töten? Gerade wenn man, wie Tom, zweifacher Vater ist, und das dritte Kind sich schon auf dem Weg befindet? Diese ethische Zwickmühle lässt den Film als bemerkenswerte Variante von „Nacht der lebenden Toten“ oder „Die Vögel“ auch ganz wunderbar funktionieren. Gedreht bei Tag und strahlendem Sonnenschein, mit Kindern statt hässlichen, buckeligen Monstern, verweigert sich „Ein Kind zu töten...“ über weite Strecken etlichen Horrorfilm-Klischees, bedient sich aber gleichzeitig auf äußerst geschickte Weise dessen bekannten Mechanismen. Denn lange Zeit hangelt sich der Film ziemlich exakt an den standardisierten Formeln entlang, was man ihm durchaus ein bisschen als Nachteil auslegen kann. Das verlassene Dorf sorgt für zum schneiden dicke Atmosphäre, das Unwissen der Protagonisten passt exakt zum Unwissen des Zuschauers, die Kinder sind unheimlich und geben nichts über ihre Hintergründe preis, und man findet sogar noch einen Überlebenden.

Trotz dieser bekannten Handlungsstränge kann der Film aber als spannender Horrorfilm auf alle Fälle überzeugen. Durch den intelligenten Twist mit den Kindern gelingt es den Machern darüberhinaus, die üblichen Probleme von solchen Filmen zu weiten Teilen zu umschiffen. Denn natürlich werden Kinder von Erwachsenen nicht als Bedrohung gesehen, natürlich können die Erwachsenen nicht einfach zurückschlagen, und auch weil Evelyn schwanger ist, sowie das Paar ohnehin schon zwei Kinder hat, zeigen sie sich physisch und psychisch handlungsunfähig, sobald sie die Gefahr verstanden haben, in der sie sich befinden. Denn wären es keine Kinder, sondern Zombies, Monster oder was auch immer, dann würde man den Protagonisten doch ganz gerne manchmal links und rechts eine reinhauen, wenn sie sich dumm anstellen. Doch durch dieses Motiv bleiben die Handlungen oder eben Nicht-Handlungen einigermaßen glaubwürdig bzw. nachvollziehbar.

Die Freigabe ab 18 dürfte dann auch durch den Grundgedanken des Films bedingt sein, da zwar Blut fließt, aber nicht in überbordenden Mengen. An einer Stelle (die Szene in der Zelle) verheddert sich der Film dann auch fast und würde zu einem wirklich fürchterlichen Ärgernis werden (vom pädagogischen Standpunkt aus), da er scheinbar eine einfache Lösung propagiert, die sich ohne Probleme auch in die Realität übertragen lassen kann. Dazu muss man nicht einmal sonderlich auf den Subtext achten, da Tom das ganz deutlich ausspricht. Aber Gott sei Dank bekommt „Ein Kind zu töten...“ an dieser Stelle gerade noch einmal so die Kurve, und bietet uns eben nicht diese scheinbar einfache Lösung an – was ihm dann schon fast eine progressive Note gibt, und die Sache jenseits aller Unterhaltungsaspekte noch einmal interessanter erscheinen lässt. Den Propagandisten dieser einfachen Lösung wird der Spiegel vorgehalten, was nicht zuletzt daran liegt, dass der Film natürlich in der Zeit und den Nachwehen der 68er entstanden ist. Dabei gibt Regisseur Serrador selbst zu, dass die Archivaufnahmen besser am Ende des Films stehen sollten; sie als Intro zu nehmen, sei ein Fehler gewesen.
Ein Kind zu töten...Ein Kind zu töten...Ein Kind zu töten...
Natürlich gibt es auch hier wieder ein grimmiges und pessimistisches Ende, wie bei vielen Horrorfilmen dieser Zeit. Hierbei sei aber noch angemerkt, dass in deutschen Version sich an dieser Stelle ein Sprecher einmischt und etwas sagt, was in den anderen Tonspuren so nicht vorkommt. Ob dies ein Überrest der deutschen Variante „Tödliche Befehle aus dem All“ ist, kann ich nicht sagen. Die deutsche DVD von Bildstörung präsentiert den Film ungekürzt und szenenweise deutsch untertitelt, sowie mit interessanten Extras wie Interviews mit Regisseur Serrador und Kameramann Alcaine. Interessant und quasi perfekt ist die Lösung des leidlichen „Pflatschen-“Problems, also den riesigen, grässlichen FSK-Logos auf neueren DVDs; „Ein Kind zu töten...“ kommt im Amaray (inkl. Soundtrack-CD!) mit Schuber. Dieser Schuber kommt ohne das FSK-Logo auf der Vorderseite aus, da unter der Folie der noch eingeschweissten DVD eine Art Umschlag steckt, der das Logo trägt, aber weggeworfen werden kann. Schwer vorzustellen, aber in der Praxis überzeugend. Somit rundum eine gelungene und äußerst empfehlenswerte Veröffentlichung, darüberhinaus auch zu einem sehr vernünftigen Preis!

„Ein Kind zu töten...“ ist somit eine kleine Perle des kontroversen Kinos. In seiner Konsequenz der Umsetzung bemerkenswert, in seiner inszenatorischen Realisierung herausragend, kann der Film auf eigentlich allen Ebenen überzeugen. Er ist ein wunderbares Zeugnis dafür, welch kraftvolle Filme ein losgelöstes Kino leisten kann, ohne in exploitativem Sumpf zu versinken; ein Film jenseits der modernen fire-and-forget-Mentatlität des wöchentlichen 100-Millionen-Dollar-Blockbuster-Kinos, sondern vielmehr ein Film, der den Zuschauer ohne kübelweise Eingeweide an seine Grenzen führt, und eben jene quasi unbeantwortbare Frage aufwirft: Who can kill a child?

Betrachtet man den Vorspann: der Mensch!

Eine Rezension von David Kugler
(15. Juni 2009)
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Daten zum Film
Ein Kind zu töten... Spanien 1976
(¿Quién puede matar a un niño?)
Regie Narciso Ibáñez Serrador Drehbuch Narciso Ibáñez Serrador, Juan José Plans
Produktion Kamera José Luis Alcaine
Darsteller Lewis Fiander, Prunella Ransome, Antonio Iranzo
Länge 106:08 FSK 18
Filmmusik Waldo de los Ríos
Kommentare zu dieser Kritik
Bastian TEAM sagte am 15.06.2009 um 19:57 Uhr

Grandioser Streifen, ohne Worte!

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