Inhaltsangaben sind manchmal eine verzwickte Angelegenheit. Vor allem wenn man den Kern mancher Storys gerne umschiffen möchte, um nach Möglichkeit nichts von der Spannung zu verplempern.
Auch im Fall von „Timecrimes“, dem Spielfilmdebüt des spanischen Regisseurs, Schauspielers und Drehbuchautoren Nacho Vigalondo, lautet die Devise: Je weniger Vorkenntnisse von der Handlung, umso besser. Aber wie bekommt man diesen Anspruch auch als Rezensent geregelt, schließlich sollte es ja eigentlich dessen Aufgabe sein, möglichst
viel über das Werk zu berichten…?
Wagen wir den Versuch, beide Ansätze unter einen Hut zu bekommen!
Héctor (Karra Elejalde) ist erst vor kurzem mit seiner Frau Clara (Candela Fernández) in ein schickes, abgelegenes Haus eingezogen, das direkt an einen großen Wald grenzt.
Alles scheint für die Beiden auf ein ruhiges, entspanntes Leben hinauszulaufen. Bis auf einmal das Telefon klingelt und Héctor am anderen Ende der Leitung nur irgendwelche Geräusche vernimmt. Beim Drücken der Rückruftaste meldet sich nur ein unbekannter Anrufbeantworter.
Zunächst denkt sich das Paar bei der mysteriösen Störung nichts weiter. Während Clara noch einmal kurz wegfährt um etwas zu essen einzukaufen, entspannt sich Héctor mit Liegestuhl und Fernglas im Garten. Von dort kann er im Wald für einen Augenblick eine halbnackte Frau beobachten, die kurz darauf im Gebüsch spurlos verschwindet. Der neugierige Mann entschließt sich also, der Sache mal ein wenig auf den Grund zu gehen und macht sich im Dickicht auf die Suche.
Auf einer Lichtung entdeckt er die entkleidete Schönheit (Bárbara Goenaga) bewusstlos am Boden liegen. Doch bevor er feststellen kann, was mit der Unbekannten geschehen ist, sticht ihm jemand von hinten eine Schere tief in den Oberarm. Reflexartig sprintet Héctor davon und versteckt sich hinter einem Baum. Der mit einer Mullbinde vermummte Angreifer ist ihm scheinbar immer noch dicht auf den Fersen, weshalb Héctor in Panik über einen Absperrungszaun klettert und in ein nahegelegenes, riesiges Haus eindringt.
Von dort kann er über ein Walkie-Talkie mit einem anderen Mann (Regisseur Nacho Vigalondo) Kontakt aufnehmen, der ihn durch die Dunkelheit zu sich in ein anderes Gebäude schleust, wo er Héctor bittet, sich zu seinem eigenen Schutz in einer eigenartigen Maschine zu verstecken…
Obwohl der Film jetzt erst so richtig beginnt, soll die Zusammenfassung an dieser Stelle abgebrochen werden. Wer sich auf dieses spannende Filmchen wirklich ohne Spoiler oder unnötige Vorab-Information einlassen möchte, darf sich „Timecrimes“ vom Rezensenten schonmal als kleinen Geheimtipp empfehlen lassen und sollte das Weiterlesen des Textes sowie Studieren der DVD-Box bzw. anderer Artikel vor dem Ansehen zunächst zurückstellen.
Denn obwohl das Werk im Prinzip storymäßig keine neuen Pforten öffnet, stellt es dennoch eine sehr unterhaltsame, zwischen Nervenkitzel und Humor geschickt balancierende Variante des Zeitreise-Themas dar.
Während der in der Inhaltsangabe beschriebene Einstieg wie ein Psycho-Thriller anmutet, der ein wenig in der Tradition italienischer Gialli steht, die der Regisseur in Interviews als Inspirationsquelle angegeben hat, entwickelt sich „Timecrimes“ ab dem zweiten Drittel zu einer fast schon amüsanten Geschichte, die man wie eine erwachsenere Independent-Version von „Zurück in die Zukunft“ (1985) beschreiben könnte…der letzte Kommentar soll übrigens ausdrücklich keine Abwertung von Robert Zemeckis´ Kultfilm darstellen!
Was einem Vigalondo hier auftischt, ist zwar von einem
Mindfuck à la „
Donnie Darko“ (2001) weit entfernt, aber das Spiel mit den Zeitverschiebungen erfüllt in diesem eher „leichten“ Unterhaltungsfilm seinen Zweck und versorgt den Zuschauer bis zur tollen Schlußsequenz mit einem durchgängigen Spannungsbogen.
Man kann sich vermutlich schon denken, dass Héctor, obwohl er nur eine Stunde zurück gereist ist, mindestens ein ernstes Problem am Hals hat:
Denn natürlich gibt es in der anderen Zeit noch das andere Ich, was seine Heimkehr schon ein wenig „ungewöhnlich“ aussehen lassen würde - gelinde gesagt. Also muss er sich etwas einfallen lassen, um sich gegen sein Spiegelbild auszutauschen. Dass so ein Unterfangen nicht leicht werden dürfte, sollte auch ohne eigene Erfahrungen klar sein...
„Timecrimes“ braucht sich, obwohl er mit recht bescheidenem Budget und nur fünf Darstellern entstanden ist, nicht hinter internationalen Genre-Produktionen zu verstecken.
Gerade weil kein Geld für irgendwelche teuren Spezialeffekte zur Verfügung gestanden hat, verlässt sich Nacho Vigalondo einfach auf seine vertrackte Story, eine souveräne Inszenierung und die Schauspieler – allen voran natürlich der erstklassige Karra Elejalde, den Horror-Fans noch aus Jaume Balaguerós schockierendem „The Nameless“ (1999) in Erinnerung haben dürften.
Der Regisseur überfrachtet das Werk auch nicht gerade mit einer speziellen Atmosphäre, sondern setzt in erster Linie auf natürliche Bilder. Dieses Vorgehen erfüllt auch einen gewissen Zweck, da der Film nach einem Horror-artigen Beginn in eine ganz andere Richtung schwenkt, und vermutlich keineswegs so endet wie man es nach dem Auftakt erwartet hätte.
Von seinem Publikum ist „Timecrimes“ bisher überwiegend sehr positiv aufgenommen worden.
Und was vielen Leuten gefällt, gefällt meist auch den Großstudios in Hollywood. Für 2011 ist bereits ein Remake angekündigt, für dessen Regie sogar einmal der Name George A. Romero („Zombie – Dawn Of The Dead“) im Umlauf gewesen ist…