Marie Jones kehrt in ihre Heimat Russland zurück. Dort ist sie geboren, wuchs aber in England auf und lebt als Erwachsene in den USA. Grund für die Rückkehr ist ein Brief des Notars Andrei Misharin, der ihr offenbart, dass sie das Haus ihrer Mutter, die vor über 40 Jahren starb, geerbt hat. Leider steht das Haus in der absoluten russischen Pampa, einsam im Wald und abgeschnitten von der Zivilisation. Trotzdem macht sie sich auf den Weg, doch das heruntergekommene Haus scheint nicht so verlassen zu sein, wie es zu Beginn wirkt. Als sie dann noch auf Nicolai trifft, der behauptet ihr Zwillingsbruder zu sein, und sich die mysteriösen Erscheinung häufen, stoßen die beiden auf ein finsteres Geheimnis tief in der Vergangenheit...
"The Abandoned" lief dieses Jahr auf dem Fantasy Film Fest und stellt das Langfilmdebüt von Nacho Cerda dar. Cerda, am ehesten wohl für seinen Arthouse-Splatter "Aftermath" bekannt, versammelt hier als Team eine wirklich prominente Reihe von Leuten, die wohl am ehesten Fans des Underground-Kinos bekannt sein dürften. Cerda selbst, der mit "Aftermath" einen wirklich ziemlich harten Kurzfilm vorlegte, führte hier die Regie und schrieb am Drehbuch mit. Für den Rest des Scripts zeichnen sich zwei weitere Größen verantwortlich: Karim Hussain, berühmt-berüchtigt für "Subconscious Cruelty", sowie Richard Stanley, Regisseur von "MARK 13" und "Dust Devil", der hier auch schon gewürdigt wurde. Und auch bei den "technischeren" Aspekte
n der Produktion gibt es bekannte Namen, so wurde die Kamera von Xavi Gimenez geführt. Xavi wer? Der Mann ist verantwortlich für ein paar der besten spanischen Genreproduktionen der letzten Zeit, darunter "Intacto", "Fragile", "The Machinist" und "Darkness". Hier haben sich also eine lange Reihe von bekannten Größen versammelt, um gemeinsam einen Film zu machen. Hat es funktioniert?
Ja, teilweise. Cerda und seinem Team gelingen ein paar sehr sehr atmosphärische Sequenzen. Gerade die Szenen, in denen die Geister der Vergangenheit auftauchen sind absolut toll inszeniert, und angenehm creepy. Und wenn das alte verfallene Farmhaus untersucht wird, gibt es ein paar wirklich unangenehm anzuschauende Szenen. Also nicht im Sinne von Ekel, sondern einfach dieses ständige Gänsehautgefühl und die Frage, was hinter der nächsten Tür lauern könnte. Das Set-Design ist wirklich hervorragend gelungen und sieht wirklich heruntergekommen und schmutzig aus, ohne durchgestyled zu wirken. Das Sounddesign kann ebenso überzeugen, feines Knarzen und Kratzen auf dem Holzboden, und (Gott sei Dank) keine, oder sehr wenige, laute Buh-Effekte ohne Sinn. Am besten ist jedoch die Kameraarbeit gelungen. Für die Fotografie ist wie gesagt der erst 37jährige Xavi Gimenez verantwortlich, dem wirklich tolle Bilder gelingen, der das Haus effektiv einfängt, und manchmal mit subjektiver Kameraarbeit ausreichend Hektik und Anspannung vermittelt, ohne in geistlose Wackelei umzustürzen. Optisch und soundtechnisch ein wirklich super Film!
Aber natürlich gibt es auch so manches Problem des Films. Mancher Szenenübergang ist leider etwas holprig, so manche Sequenz endet im Nichts, und manches Mal startet eine neue Szene ohne wirkliche Hinführung. Entweder hat hier die Regie oder der Schnitt geschlampt, aber ab und zu wird der Zuschauer leicht orientierungslos im Geschehen stehen gelassen. Dies stößt jedoch nur bei zwei Szenen wirklich negativ auf, also kein wirkliches Problem. Doch auch die Handlung hat so ihre Macken. Das Geschehen und die Auflösung ist doch irgendwann recht vorhersehbar (der dt. Trailer tut sein übriges...) und gerade das Ende kann nicht wirklich überraschen. Darüberhinaus bleibt das ganze Warum etwas im Dunkel und wirkt leicht selbstzweckhaft. Und Nicolai ist eine zu zwielichtige Figur, er weiß viel und wirkt einfach seltsam, ohne dass dafür eine Erklärung geliefert wird. Am Ende passt man sich leider dem Mainstream-Trend an und versucht, die ganze Handlung durch eine Mischung aus Traumsequenz, Rückblende und Vorgriff zu erläutern, was einfach sehr unelegant wirkt.
Nichtsdestotrotz überzeugt der Film mit seiner gekonnten Geisterhausatmosphäre und stellt auch den Clash der Kulturen ordentlich dar. Nicht zuletzt weil die russischen Bürger russisch ohne Untertitel sprechen, fühlt sich der Zuschauer ähnlich verloren wie die Hauptdarstellerin selbst. Dazu gibt es neben der tollen Gruselstimmung noch den ein oder anderen blutigen Effekt, wenn auch nur zwei Szenen hier wirklich zu nennen sind. Diese zwei kurzen Szenen dürften dem Film auch die Freigabe ab 18 eingehandelt haben, was in meinen Augen mal wieder eine völlig willkürliche und unverständliche Entscheidung des FSK-Gremiums darstellt. Da gibts wesentlich härtere Sachen ab 16 auf dem Markt. Und gerade Geisterfilme hatten mit ihrer Realitätsferne immer einen kleinen Bonus, man denke nur an den ungleich härteren "Dead Birds" aus dem Jahr 2004.
Neben den bekannten Leuten bei der Crew, gibt es auch bei dem restlichen Cast ein paar Gesichter zu sehen, die man schon mal in anderen Filmen gesehen haben kann. Hauptdarstellerin Anastasia Hille spielte unter anderem in "The Hole" mit Keira Knightley, daneben war sie noch in "Red Dwarf" und "Die Weisheit der Krokodile" zu sehen. Ihr Partner, Karel Roden, dürfte der bekannteste von allen sein. Er spielte unter anderem für Guillermo del Toro in "Blade 2" und gab den Rasputin in "Hellboy". Zusammen mit Robert de Niro war er in "15 Minuten" zu sehen und hatte auch in "Bulletproof Monk" und "Bourne Verschwörung" Rollen. Gut im Geschäft der Mann! Die restlichen Schauspieler sind russische oder ukrainische Darsteller, Valentin Ganev könnte man aus "In Hell" oder "Undisputed 2" kennen.
Als DVD liegt die Presse-DVD von e-m-s im Laufwerk. Bild und Ton sind wirklich hervorragend, vor allem das Bild weiß wirklich zu überzeugen. Gestochen scharf und auch in dunklen Szenen detailreich. Ansonsten gibts noch eine kleine Trailershow, aber da das die Presse-DVD ist, erübrigt sich eine Bewertung. Vielen Dank an e-m-s für die DVD!
Fazit: "The Abandoned" ist ein atmosphärisch überzeugender Geisterfilm, der vor allem durch sein optisches und auditives Design zu überzeugen weiß. Mit einer etwas kompakteren Geschichte und so manchem ausgebügelten Schlagloch wäre hier noch ein halber Stern mehr drin gewesen. Deshalb bleibt es bei 4 1/2 Sternen. Fans von Geistern und wohliger Gänsehaut dürfen hier aber sicherlich zugreifen.