von Asokan Nirmalarajah
New York, I Love You (2009) ist der zweite in einer Reihe von nicht sehr einfallsreichen, aber recht gefälligen Konzeptfilmen des französischen Produzenten Emmanuel Benbihy, die vor drei Jahren mit
Paris, je t’aime (2006) begann. Unter dem Titel „Cities of Love“ und mit der Hilfe eines bemerkenswert großen Staraufgebots vor und hinter der Kamera zollt Benbihys Kinoserie den populärsten Großstädten der Welt romantische Leinwandtribute, die zugleich multiethnische Liebeskontakte innerhalb globaler Kulturzentren dramatisieren und eine Hymne auf die Universalität der Liebe anstimmen sollen. Bereits für die etwas durchwachsene, aber charmante Anthologie
Paris, je t’aime, einer stilistisch (wie auch qualitativ) sehr abwechslungsreichen Liebeserklärung an die titelgebende Hauptstadt Frankreichs, konnte man international renommierte Regisseure wie Walter Salles, Alexander Payne, Wes Craven, Tom Tykwer, Ethan und Joel Coen, Gus Van Sant, Alfonso Cuarón und Olivier Assayas gewinnen. Der nun in New York angesiedelten, ungleich homogener gestalteten Fortsetzung sollen in den nächsten Jahren noch weitere Episodenfilme folgen, denen dann unter anderem Städte wie Jerusalem, Rio de Janeiro, Shanghai, Venedig und Timbuktu als Schauplatz dienen werden. Zunächst aber zu der vielleicht aufre
gendsten Stadt der Vereinigten Staaten, der streitbar lebendigsten und facettenreichsten Metropole der Welt: New York City.
Zu den produktionstechnischen Vorgaben, an denen sich die Spielfilmregisseure und Regiedebütanten bei der Umsetzung ihrer Kurzfilme halten mussten, gehörten unter anderem eine festgelegte Drehzeit (zwei Tage), die Dramatisierung einer Hoffnung auf Liebe und die Verortung der Geschichte in einem klar zu erkennenden, zeitgenössischen Stadtteil New Yorks. Lediglich Scarlett Johansson, die mit ihrem in Schwarzweiß gedrehten, eher düsteren als romantischen Beitrag, in dem Kevin Bacon die Hauptrolle spielt, ihr Regiedebüt geben durfte, hatte so ihre Probleme sich an diese Vorgaben zu halten, weshalb ihr Werk auch aus dem fertigen Film geschnitten wurde und wohl erst als Extra auf der DVD zu finden sein wird. Was wohl auch dem Film zugute kommt, denn
New York, I Love You umgeht das Problem, das Episodenfilme in der Regel haben: qualitative Unebenmäßigkeit. Diese Anthologie ist einfach durchgehend mittelmäßig.
Gedreht an diversen Schauplätzen in den fünf Stadtbezirken New Yorks, in den „Five Boroughs“ (Brooklyn, Manhattan, The Bronx, Queens und Staten Island), umfasst
New York, I Love You insgesamt zehn jeweils bis zu achtminütige Kurzfilme, die durch Zwischensequenzen miteinander verbunden sind, die eine eigene Geschichte erzählen und in der die Hauptfiguren der einzelnen Segmente mitunter auch Gastauftritte absolvieren. Im Zentrum dieser Überbrückungssequenzen steht eine junge Frau (Emilie Ohana), die mit ihrer Kamera durch die Stadt streift und interessante Menschen auf der Straße filmt. Wurde
Paris, je t’aime noch regelmäßig unterbrochen durch Zwischentitel, die die Namen der jeweiligen Regisseure und der jeweiligen Bezirke von Paris trugen, sind die Übergänge zwischen den einzelnen Segmenten hier weit fließender, so dass man sich nicht immer wieder auf radikal unterschiedliche Erzählarten oder eigenwillige Stilblüten einstellen muss. Die einzige Episode, die etwas aus dem harmonischen Ganzen heraussticht ist eine von dem kurz vor Drehbeginn verstorbenen Regisseur Anthony Minghella (
The English Patient, 1996) geschriebene und von Shekhar Kapur (
Elizabeth, 1998) inszenierte, melancholische Geschichte über die seltsame Freundschaft zwischen einem körperlich behinderten Pagen (Shia LaBeouf) und einer alten Opernsängerin (Julie Christie) in der Upper East Side.
Davor und danach sieht man etwa in Wen Jiangs (
The Sun Also Rises, 2007) Beitrag wie Hayden Christensen als Trickbetrüger und Andy Garcia als Universitätsprofessor um die hübsche Studentin Rachel Bilson in Chinatown wetteifern oder wie in Mira Nairs (
Monsoon Wedding, 2001) Segment die junge jüdische Braut Natalie Portman und der alleinstehende indische Vater Irrfan Khan beim Diamentenhandel im Diamond District durch ihre religiösen Eigenheiten zueinander finden. Wem das zu esoterische Kost ist, der kann sich an Shunji Iwai (
All About Lily Chou-Chou, 2001) wenden, der uns zeigt, wie Orlando Bloom als frustrierter Filmkomponist über die Lektüre von Dostojewski die Bekanntschaft mit der hübschen Regieassistentin Christina Ricci macht, oder an Brett Ratner (
The Family Man, 2000), der zeigt, wie der Apotheker James Caan seine im Rollstuhl sitzende Tochter dem jungen Anton Yelchin als Prom Date aufschwatzt, ohne zu ahnen, dass das junge Paar zusammen im Central Park landen wird. Wer es dann doch etwas erwachsener haben möchte, der hält Ausschau nach Allen Hughes (
Menace II Society, 1993), der ohne seinen Bruder Albert davon erzählt, wie sich Bradley Cooper und Drea De Matteo nach einem One Night Stand wieder in Greenwich Village treffen oder hört gleich zweimal hin bei Yvan Attal (
My Wife Is an Actress, 2001), der in Soho sowohl Ethan Hawke als Schriftsteller auf eine unbekannte Schöne (Maggie Q) als auch Robin Wright Penn als verheiratete Frau auf einen unbekannten Mann (Chris Cooper) einreden lässt, in der Hoffnung auf eine unverbindliche Nacht zu zweit. Sentimentaler wird es dann schon eher bei Natalie Portman, die mit einer Geschichte über einen schwarzen Mann und ein kleines weißes Mädchen, die im Central Park spazieren gehen, als Regisseurin debütiert. Und richtig bittersüß gestalten Fatih Akin (
Gegen die Wand, 2004) und Joshua Marston (
Maria Full of Grace, 2004) ihre Beiträge: Während der eine einen kranken Maler (Ugur Yücel) zeigt, der versucht, seine heimliche Muse, eine junge Chinesin (Shu Qi) in sein Atelier in Chinatown einzuladen, fängt letzterer den mühsamen, aber glücklichen Spaziergang eines schrulligen älteren Ehepaares (Eli Wallach und Cloris Leachman) in Brighton Beach ein.
Um einiges weniger originell als die eigenständigeren Episoden von
Paris, je t’aime, sind die kleinen Geschichten von
New York, I Love You mal amüsant, mal berührend, mal schön, mal traurig, hinterlassen aber allesamt weder einen wirklich bleibenden Eindruck, noch regen sie einen auf. Die besten Episoden setzen auf dichte Atmosphäre und auf interessante Figuren, weniger auf eine kleine Story mit einer leicht vorhersehbaren Pointe wie die anderen Segmente. So greift der Inder Shekhar Kapur recht effektiv nach Bergman'scher Identitätsverwirrung und Traumlogik, während die Inderin Mira Nair kulturell undenkbaren Körperkontakt zwischen den Ethnien gefühlvoll einfängt, beide untersützt von souveränen, intensiv agierenden Schauspielern. Lustiger ist da schon der charmante Highschool-Gag des Amerikaners Brett Ratner und das von Yvan Attal eingefangene Wortgefecht, das sich ein wunderbar arroganter Ethan Hawke mit einer atemberaubend sinndlichen Maggie Q liefert. Die wohl schönste Episode ist der drollige Spaziergang der zwei Leinwandlegenden Eli Wallach und Cloris Leachman. Der Rest ist wie der gesamte Film ganz nett, ohne viel zu wagen, noch recht zu begeistern.
Natürlich könnte man meinen, eine so tolle Stadt wie New York hätte mehr verdient (vor allem weit mehr Ethnien und auch mal weniger bekannte Stadtbereiche als Schauplätze), aber einem so gefälligen, bescheidenen und von Herzen kommenden Film wie
New York, I Love You, der mehr mit kleinen Gefühlsmomenten als großen Einsichten punktet will man nicht unbedingt fehlende Ambitionen vorwerfen. Schließlich will man nicht als Miesmacher darstehen. Ich mochte
New York, I Love You, aber ich liebe New York.