In seinem vierten Schuljahr wird Harry Potter (Daniel Radcliffe) von schrecklichen Alpträumen, in denen „Der, dessen Name nicht genannt werden darf“ (Ralph Fiennes) einen Komplott gegen den jungen Magier schmiedet, geplagt. Durch ein „Missgeschick“ wird Harry schließlich dazu verpflichtet an dem gefährlichen Magiertunier teilzunehmen, nicht ahnend, dass er damit Lord Voldemort und seinen Häschern in die Falle läuft.
Wer dachte es ginge nicht mehr düsterer der hat sich geirrt, denn „Harry Potter und der Feuerkelch“ legt in Sachen Bedrohung und Dunkelheit noch einen Zahn zu. Es gibt nur noch selten auflockernde Elemente wie sich bewegende, sprechende Gemälde oder beinah-kopflose Burggespenster, sodass die Spannung fast durchgehend aufrechterhalten bleibt. Die Intrigen und Bosheiten werden zudem immer raffinierter. Harry Potter kann niemandem mehr vertrauen und alle Charaktere machen sich verdächtig, sodass sich das Gefühl etwas Unheilschwangeres würde bevorstehen auch auf den Zuseher überträgt.
Positiv fällt auch auf, dass die Geschichte nicht mehr mit Harrys garstiger Ziehfamilie und den obligatorischen Gags einsteigt, sondern gleich zu Beginn eine unheimliche Traumsequenz mit Voldemort und seinen Speichelleckern zeigt, die mit einem Mord endet. Das Ende des Films, bei dem der böse Zauberer seine menschliche Gestalt wiedererlangt, ist abrupt und schnell. Eine richtige Erleichterung will sich anhand der drohenden Warnung Dumbl
edores (Michael Gambon), dass Harry düstere Zeiten bevorstünden, nicht einstellen, sodass man gezwungen ist voll Spannung auf „Harry Potter und der Orden des Phönix“ zu warten.
Die unheilvolle Erzählweise wirkt sich auch auf die visuellen Aspekte der Fortsetzung aus. Landschaft und Sets haben sich abermals verändert, und es gibt nur noch selten bunte Farben, stattdessen wirkt alles grau, verwaschen, farblos, trübe, regnerisch, und karg, eine trostlose Stimmung! Hoggwart ist kein freundlicher Ort mehr, an dem man sich länger aufhalten will, sondern ein mysteriöses Spukschloss voller Bedrohungen und ungelüfteter Geheimnisse, welche man lieber nicht ergründen möchte.
„Der Feuerkelch“ umgeht auch kleinere Blut- und Goreeffekten nicht, und Verstümmelungen und andere Grausamkeiten werden sensible Gemüter verschrecken.
Ein Minuspunkt ist der Erzählfluss, der nicht mehr ganz so ausgefeilt wie jener des Vorgängers wirkt. Hier zeigt sich wieder, dass ein komplexes Buch mit mehreren dramaturgischen Höhenpunkten, wie es die Prüfungen des Wettkampfes sind, nach ganz anderen Regeln funktioniert als das ein Film tut. Der holprige Erzählfluss liegt aber auch daran, dass zu Gunsten der vielen und ausführlichen Actionhighlights die Dialoge häufig platt sind und kaum noch begeistern können, fehlt es ihnen doch schlicht und einfach an Nachdenklichkeit und Tiefe.
Die Charaktere sind zudem weniger gut herausgearbeitet und haben, mit Ausnahme von Dumbledore, der zum ersten Mal seinen richtig großen Auftritt hat und beweist, dass weit mehr als nur ein gemütlicher alter Großvater in ihm steckt, nicht mehr jenen Stellenwert wie im bisher unübertroffenen „Harry Potter und der Gefangene von Askaban“.
Trotzdem gibt es bei den Akteuren einige Weiterentwicklungen: Harry schwärmt für die Ravenclaw-Schülerin Cho (Katie Leung) und verzettelt sich mit seiner Einladung zum Ball, während sich zwischen Ron (Rupert Grint) - man beachte seinen neuen Retro-Haarschnitt! - und Hermine (Emma Watson) wahre Liebesdramen und viel Kummer, Frust und Eifersucht anbahnen, und die beiden zu sehr mit sich selbst beschäftigt sind, sodass sich der berühmte Zauberschüler oftmals einsam fühlt.
Die jungen Protagonisten stecken zudem gerade mitten in der Pubertät und erkennen ihre eigene Sexualität, was unweigerlich Spannungen und Konflikte nach sich zieht. Eine humorvolle Einlage ist die Szene, in der Harry Potter in der Badewanne versucht das Geheimnis des Goldenen Eies zu ergründen, und Moaning Myrtle (Shirley Henderson) ihn belästigt. Voller Scham versteckt Harry hierauf sein bestes Stück unter dem Badeschaum, während die boshafte Myrtle ihn neckt und versucht einen Blick darauf zu erhaschen.
Als ein innovatives Element in der Welt von „Harry Potter“ sticht der Yule-Ball heraus, der nach einem frigiden Walzer zur Teenie-Party mit Rock Band (Jarvis Cocker von ‚Pulp’ hat hier einen Gastauftritt) wird.
Daniel Radcliffe hat sich offenbar schauspielerisch weiterentwickelt, da er die Konfrontation mit Voldemort sehr glaubhaft spielt und die Verzweiflung, Hilflosigkeit und Trauer nach Cedrics (Robert Pattinson) Tod überzeugend darzustellen weiß. Eine wahre Freude ist natürlich Ralph Fiennes, der viel Präsenz, und Ausdruck in seine Rolle legt und durch derart entstelle Gesichtszüge verunstaltet ist, dass man ihn nur mehr an seiner markanten Stimmer erkennt.
Vieles was bezüglich Schnitt, Kameraführung, Special FX, Sets, Details (man achte auf den überdimensionierten Lautsprecher des Grammophons!), Kostüme, Schauspieler etc. bereits zu „Der Gefangene von Askaban“ gesagt wurde, trifft auch auf den vierten Teil zu und soll hier nicht noch einmal wieder gekaut werden. Bei der Filmmusik gibt es allerdings eine Neuerung, da John Williams ausgeschieden ist, und deswegen Patrick Doyle den Soundtrack komponierte. Das Ergebnis bleibt zwar groß und orchestral, ist aber etwas gewöhnungsbedürftig und hat einerseits nicht mehr den unheilvollen Klang von „Der Gefangene von Askaban“, nervt aber andererseits auch nicht mit den typischen John Williams Themen.
Nach Alfonso Cuaróns Regiearbeit ist dies ein weiterer guter, wenn auch schnellerer und oberflächlicherer „Harry Potter“, den man sich als Fan keinesfalls entgehen lassen sollte. Wer allerdings die strahlend bunte Welt mit der überschönen weihnachtlichen Filmmusik von „Harry Potter und der Stein der Weisen“ bevorzugte, wird von dieser unheimlichen und mitunter brutalen Gruselmär, die wenig Humor (mit Ausnahme der Versuche Haggrids [Robbie Coltrane] Madame Maxime [Frances de la Tour] den Hof zu machen) dafür viel Tragik, Ernst und Gewalt in jeglicher Form, entsetzt sein, denn obwohl Newell vor „Harry Potter und der Feuerkelch“ romantische Komödien inszenierte beweist er, dass er ein außerordentliches Talent für die Umsetzung dieses Fantasystoffes hat und dazu fähig ist in zweieinhalb Stunden Spielzeit Spannung und Atmosphäre durchwegs aufrechtzuerhalten.
Stellt man den ersten Teil dem hier rezensierten Film gegenüber, so ist ein großer Bruch sichtbar: erwartete man in Columbus’ Verfilmung noch, dass Santa Claus und seine Rentiere jeden Moment um die Ecke biegen würden, so fühlt man sich in „Harry Potter und der Feuerkelch“ immer wieder in ausgewachsene Gruselthriller hineinversetzt.
Die einzelnen Prüfungen gestalten sich jedes Mal aufs Neue spannend und bieten einige nette Schockmomente. Das Gefühls- und Hormonchaos der Heranwachsenden wird sowohl von Regie als auch von den Schauspielern glaubwürdig gemimt.
Was kann man von der Umsetzung eines 700 Seiten Wälzers mehr erwarten (wenn auch eine Aufteilung auf zwei Filme wohl geschickter gewesen wäre)? Der Film hat nichts mehr mit der idealisierten Märchenwelt des ersten Teils gemein, und Harry Potter wird erwachsen!