von Asokan Nirmalarajah
Chuck war der Kindheitsname des erfolgreichen Musikagenten Charlie Sitter (Chris Weitz), der mit seiner attraktiven Freundin Carlyn (Beth Colt) in L.A. wohnt.
Buck ist noch immer der Vorname seines besten Kindheitsfreundes O’Brien (Mike White), der ihm zu Beginn von Miguel Artetas sonderbarer Independent-Komödie
Chuck & Buck (2000) eine Einladung zu der Beerdigung von Bucks Mutter schickt. Aus Höflichkeit und Mitgefühl besucht Charlie seinen alten Freund, sträubt sich in Anwesenheit seiner Freundin aber vor den nostalgischen Kontaktaufnahmen Bucks, die schnell sexuelle Formen annehmen. Von einem Annäherungsversuch auf der Toilette irritiert, ergreift Charlie rasch die Flucht vor dem scheinbar gestörten Buck und ihrer gemeinsamen Vergangenheit. Doch Buck folgt seinem Chuck nach L.A.…
Mike White, dessen grotesken Gesichtszüge wohl am ehesten als die des schüchternen Freundes von Jack Black in der von White verfassten Komödie
School of Rock (2003) bekannt sein dürften, verdingte sich zunächst als Drehbuchautor für die melodramatische Highschool-TV-Serie
Dawson’s Creek, bevor er mit seinen intelligenten Skripten zu den Independent-Erfolgen
Chuck & Buck und
The Good Girl (2002), beide inszeniert von Miguel Arteta, für Aufsehen sorgte
. Während er sich in der TV-Serie mit der altersklugen Rhetorik emotional unsicherer Jugendlicher im stetigen Reifeprozess befasste, beschäftigt er sich in seinen Filmen zumeist mit den tragikomischen Schicksalen nicht minder unsicherer Erwachsener, die weder geistig noch emotional ausreichend gereift sind und somit zu sozialen Außenseitern werden, deren verzweifelten Versuche, Liebe und Anerkennung zu erhalten, oft ebenso amüsant wie verstörend eingefangen werden.
Entsprechend anfänglich genervt und schon bald geschockt reagiert Chuck als Buck ihm in Los Angeles öfters zufällig über den Weg läuft, unangemeldet in seinem Büro auftaucht, ihm selbst gebastelte Geschenke macht, und schließlich mit seiner eigentlichen Intention herausrückt: “Chuck and Buck: Suck and Fuck”. So nannten Chuck und Buck früher ein Spiel, das sie als Kinder spielten, und das Chuck verdrängt haben mag, aber der einsame Buck sich wiederersehnt. Doch reagiert Chuck mit entschiedener Ablehnung und will als bald vermählter heterosexueller Mann weder etwas von ihren kindlichen, harmlosen Sexspielen, noch von seinem der Vergangenheit verhafteten, sozial ungelenken Kindheitsfreund wissen. Doch der unglücklich verliebte, sich schnell zum Stalker wandelnde Buck hat einen Plan, um Chuck von seinen Gefühlen zu überzeugen…
Chuck & Buck ist kein einfacher Film, da er die Grenzen zwischen skurriler Komödie und bedrückendem Psychodrama so oft überschreitet, dass der Zuschauer sich nie sicher sein kann, was als nächstes in dieser unangenehm witzigen wie bemerkenswert berührenden Charakterstudie passieren wird. Zudem verlangt der Film die Identifikation mit einem emotional und geistig zurückgebliebenen Protagonisten, dessen Taten oft zwischen sympathisch kindlicher Naivität und verstörenden psychischen Unzulänglichkeiten wanken. Aber Whites sensibles, ehrliches Spiel fängt die Komplexität dieser ebenso abstoßenden wie bemitleidenswerten Figur bravourös ein, indem er jenseits aller Eigenarten seiner Rolle den emotionalen Schmerz unerfüllter Liebe äußerst effektiv einzufangen vermag.
Die schnörkellose, bewusst amateurhafte Digitalkamera-Optik sowie das flache, ungelenke Spiel der übrigen (Amateur-)Mimen (Paul und sein Bruder Chris Weitz sind sicherlich bekannter als die Regisseure von
American Pie, 1999, und
About a Boy, 2002) tragen ihr übriges dazu bei, dass diese Tragikomödie in kürzester Zeit eine besondere Sogwirkung entwickelt, die den Zuschauer erfolgreich in unerwartete Richtungen zieht. Dass manch eine Handlungsentwicklung dabei eher schwer zu schlucken ist, besonders in Bezug auf die problematische Figur des Chuck, der zum Schluss konträr zu seinem Charakter agiert, mag man angesichts der herrlich schrägen Gestalten, die White in seinen äußerst pointiert und liebevoll geschriebenen Film zu packen weiß, gerne verzeihen. Besonders in Erinnerung bleiben dabei sicherlich die kluge Beverly (Lupe Ontiveros), die an der Kasse einer örtlichen Theaterbühne sitzt und von Buck prompt damit beauftragt wird, ein von ihm geschriebenes Stück als Regisseurin zu verwirklichen, und der idiotische Mime Sam (Paul Weitz), dessen Ähnlichkeit zu Chuck genug ist für den sexuell interessierten Buck, dass er ihn für die Hauptrolle engagiert. Die Handlung des Stücks, mit dem Buck hofft, Chuck für sich wiederzugewinnen, ist, wie Beverly richtig feststellt, ein homoerotisch aufgeladenes Märchen mit einer Frau als Bedrohung für die Homosozialität zweier Kindheitsfreunde… Die Proben und die Aufführung dieses Stücks gehören zu den amüsanteren Episoden dieser Geschichte, die oft auch in unangenehme psychologische Tiefen, vornehmlich die von Buck abtaucht, um von dessen Identitätskrise und finaler Selbstfindung zu erzählen. Dass die Nebenfiguren, insbesondere Chuck, dabei etwas farblos und problematisch bleiben, kann man insoweit verkraften, als dass der Film vornehmlich aus der beschränkten, äußerst sonderlichen Sicht Bucks erzählt, und wie alle Filme aus der Feder von Mike White in einer sympathischen Liebeserklärung an Außenseiter aller Art gipfelt.