SCHÖNE GEHACKTE WELT.
Mit dem fiebrig-spannenden Cyber-Thriller
„BLACKHAT“ kehrt Regie-Veteran
Michael Mann (
71, „
Heat“ [1995]) nach sechsjähriger Abstinenz wieder auf die hiesigen Kinoleinwände zurück und beweist trotz längerer Wartezeit eindrucksvoll, dass die Verquickung von alten Stärken mit neuen Themengebieten gut gelingen kann. Auch wenn der Meister hier nicht komplett zu alter Form zurückfindet:
Das gerade eine 15-jährige Haftstrafe absitzende Computergenie Nicholas Hathaway (Chris Hemsworth) glaubt erst an einen Scherz, als ihm von oberster Stelle ein Deal vorgeschlagen wird: Hathaway kommt demnach vorzeitig aus dem Gefängnis frei, muss dafür aber die Täter hinter einer aktuellen Cyber-Attacke aufspüren, welche sowohl Regierungen als auch Geheimdienste bedroht. Schon sehr bald muss Hathaway erkennen, dass dies keinesfalls ein Witz, sondern bittere Realität ist, die sich innerhalb nur kürzester Zeit zu einem tödlichen Wettlauf gegen die Zeit entwickelt. Denn längst sind die Cyber-Terroristen nicht mehr nur im Netz unterwegs...
„BLACKHAT“ ist ein am Puls der Zeit verortetes Abenteuer, das nicht nur den Herzschlag seiner atemlos um die halbe Welt hastenden Protagonisten, sondern auch den der Zuschauer in ungeahnte Höhen treibt. Ja, der Film ist zum Teil unglaublich spannend, die Atmos
phäre zum Schneiden dick, während der bedrohliche Score hämmert, untermalt und dann wieder in einem Stakkato bassgeschwängerter Töne explodiert: Bereits in den ersten Minuten, die eine furios umgesetzte Reise in das Innere von Datennetzen visualisieren, packt Regisseur Michael Mann die Gelegenheit beim Schopfe, um die Rezipienten vor der Leinwand mit optischen Tricks für ein bisher eher schwer zu fassendes Thema, namentlich
Cyber-Kriminalität, zu sensibilisieren. Und die Rechnung geht zunächst mehr als auf. Denn die zu diesem Zeitpunkt noch gesichtslose menschliche Bedrohung erfährt auf diese Weise eine Visualisierung, die das Ausmaß weltweiter Vernetzung und die Abhängigkeit des Menschen von der heutigen Technik begreiflich macht. So weckt der erste vollzogene Anschlag schreckliche Erinnerungen an eine reale Katastrophe von vor einigen Jahren, bei der unsereins schmerzlich erkannte, dass die Technik Freund und Feind zugleich sein kann.
Eine Einsicht, der sich auch die im Film handelnden Obrigkeiten erinnern: Es gibt immer zwei Seiten einer Medaille. Der Schritt, einen inhaftierten Sträfling als Galionsfigur im Kampf gegen Cyberterrorismus zu verwenden, ist unter diesem Gesichtspunkt weitaus nachvollziehbarer, als die eingangs geschilderte Ausgangsprämisse vielleicht vermuten ließ. Denn auch, wenn sich der von
Thor-Darsteller und
Sexiest Man Alive Chris Hemsworth verkörperte Hathaway in der Vergangenheit nicht unbedingt um sein Vaterland verdient gemacht hat, so ist es nun gerade sein Hacker-Fachwissen, das helfen soll, die Bedrohung aus dem Internet abzuwehren. Wer nun aber befürchtet, dass sich dieser Charakter von der einen auf die andere Minute in einen Gutmenschen verwandelt, dem plötzlich einzig das Schicksal der Menschheit am Herzen liegt, kann aufatmen: Selbst als im Auftrag von Regierung und Geheimdienst Befindlicher lässt Hemsworths Figur selbstgefällig-egoistische Allüren aufblitzen, so dass trotz nahender Straf-Freiheit nicht immer klar ist, auf wessen Seite der Computer-Freak nun genau kämpft respektive hackt.
Es sei aus Spannungsgründen im nun Folgenden nicht weiter auf Charakterentwicklungen und Story-Wendungen eingegangen. Nur noch soviel: In der zweiten Stunde vollzieht Michael Mann eine nicht unerhebliche Kehrtwendung, indem er den Cyber-Thriller in einen waschechten Action-Thriller mit Terrorismus-Thematik verwandelt, in welchem nicht nur intrigiert und scharf geschossen, sondern auch vermehrt gestorben wird. In diesen Momenten spielt Mann wie erwartet alte
Heat-Stärken aus, und die zwar recht dynamische, aber nie unübersichtliche Kameraführung von
Stuart Dryburgh („Das erstaunliche Leben des Walter Mitty“ [2013]) tut ihr Übriges, das blutig-brachiale Geschehen entsprechend zu bebildern. Leider vergessen Mann und sein Drehbuchdebütant
Morgan Davis Foehl ab jetzt jedoch ein wenig, das eingangs noch so mühsam aufgebaute Schreckensszenario einer unbekannten Bedrohung aus dem Netz wirklich konsequent zu Ende zu denken, und lassen etliche Chancen auf nachhaltig Eindruck schindende Story-Elemente lieber für virtuos-wilde Schießduelle, Handgemenge und ein streitbares Ende verstreichen. Jenes erscheint zwar zunächst einleuchtend, dröselt im Nachhinein aber die recht durchdachte Story viel zu einfach und im Vergleich zum Vorgeschehen geradezu unspektakulär auf. Dass darüber hinaus die obligatorisch eingeflochtene Liebesgeschichte der Dynamik dieses Thrillers nicht immer zuträglich ist, soll hier zumindest noch beiläufig Erwähnung finden.
Ob dies nun beabsichtigt war, oder nicht, kann und muss dahingestellt bleiben. Denn weder ist es die Aufgabe des Films, Antworten zu geben, noch muss
„BLACKHAT“ sich dafür rechtfertigen, wenn er es nicht tut: Michael Manns Thriller ist bis zu einem gewissen Grad vielmehr ein düster-zynisches Abbild unserer Zeit, in der ein Wort zur Wahrheit und die Wahrheit letztlich zur größten Lüge werden kann, die die Menschheit bis dahin gesehen hat. Es gibt kein eindeutiges Falsch, kein eindeutiges Richtig mehr, sondern verschwimmende Grenzen in einem Meer aus Widersprüchen, die die Unterscheidung, was Gut und Böse ist, immer weiter erschweren. Somit ist
„BLACKHAT“ vielleicht ein Meisterwerk im Geiste, in jedem Fall aber ein überdurchschnittlich gelungener Thriller, der vieles, wenngleich nicht alles, richtig macht. Wenn man das unter dieser Prämisse überhaupt so deklarieren kann.
Cover & Szenenbilder: © Universal Pictures