Pornofilme gibt es schon seit die Menschen das (Filmprojektor-)Licht des Kinos erblickten. 1910 wird als das historische Datum des Pornofilms gesehen. Denn damals soll der erste, in Deutschland produzierte, Film mit explizit sexuellem Inhalt gezeigt worden sein. „Am Abend“ war der Pionier unter den Filmen, deren obrigstes Ziel die sexuelle Stimulierung des Zuschauers ist. Kaum zu glauben, dass bereits vor fast 100 Jahren in diesem 10-minutigen Film neben öffentlich zur Schau gestelltem Sex sogar Masturbation, Fellatio und Analverkehr zu sehen war. Das weitere Schicksal dieses offenkundig exploitativen Genres war ein weltweiter Verbot und strafrechtliche Verfolgung der Porno-Produzenten und -Vertreiber. Sogar das Betrachten eines Pornos konnte mit einer Gefängnisstrafe belegt werden. Daraufhin tauchte diese Filmbranche in den tiefsten Untergrund, aus dem sie erst zum Jahre 1969 sich heraus wagte. Nämlich als Holland als erstes Land europa- und amerikaweit den Pornofilm legalisierte.
Mit „Mona“, „Deep Throat“ und „Behind the green Door“ wurden schlagartig die ersten legalen Sexfilme gedreht und öffentlich aufgeführt. Wie eine Riesenwelle breitete sich der Porno im audio-visuellen Medium aus und etablierte sich eine eigene Industrie. Heute, nur 36 Jahre später, werden in Deutschland 80 Millionen Pornos jährlich ausgeliehen und im letzten Monat sind mehr als 1 000 neue Pornofilme erschienen. Kein anderes Film-Genre kann das toppen!!! Nach Amerika
haben wir Deutsche nämlich den größten Pornomarkt der Welt.
Schon witzig, dass unsere Nachbarn die Österreicher uns mit der Idee zuvorkamen, einen Film über den Pornofilm zu drehen.
Bei diesem sog. „Film-im-Film“ handelt es sich um Michael Glawoggers „Nacktschnecken“. Glawogger und Drehbuchschreiber Michael Ostrowski erzählen die Geschichte um drei Studenten und Freunde, Johann (Raimund Wallisch), Max (Michael Ostrowski) und Mao (Pia Hierzegger), die den Entschluss fassen, ihren eigenen Pornofilm zu drehen.
Mit Schorsch (Georg Friedrich) ist auch schnell ein Produzent und Finanzierer gefunden. Voller Enthusiasmus geht’s also erst mal daran, die Cast zusammen zu stellen. Und auch dies erweist sich als problemlos, da Max und Johann sich gleich bereit erklären, ihren Mann zu stehen und mit den Studentinnen Martha und Mara ist das Team schnell komplett. Die Location – das Haus von Maos reichen Althippie-Eltern – ist ebenfalls organisiert also bricht die Gruppe auf zum ersten Dreh. Der Handlungsrahmen des Sexfilms soll eine Studenten-Lerngruppe sein, die sich an einen ruhigen Ort zurück zieht, um hier für die anstehenden Prüfungen zu pauken. Natürlich nur ein Grund dafür, dass es jeder mit jedem treibt.
Alles scheint in den Augen der Fünf perfekt zu sein: die Story ist nicht zu kompliziert, die Dialoge auf flachster Ebene, die Location viel versprechend. Was fehlt ist nur die nötige Erfahrung. Denn auf Befehl vor der Kamera zu „pudern“ stellt sich schwieriger heraus als es den Anschein hatte. Max bringt's auf den Punkt: „Das einzige Problem beim Ficken ist, dass wir Menschen keine Viecher mehr seien und uns einen Urstress machen mit der Fickerei.” Umdenken ist somit die letzte Maßnahme, die den zeitlich überfälligen kaum vorangeschrittenen Film jetzt noch retten kann. Die Akteure müssen ihre tierischen Triebe in sich wecken.
„Nacktschnecken“ ist eine mögliche Allegorie auf die Schlüsselszene des Filmes. Vom Urtrieb gepackt, wälzen sich die wilden Halbwüchsigen in dem Gras, jegliche Schüchternheit und Bedenken über Bord geworfen, und veranstalten Gruppen-Sex.
Aber so umständlich braucht man andererseits gar nicht denken. In einer Szene wird’s nämlich viel offenkundiger. Echte Nacktschnecken im Garten verschrecken die angeekelten weiblichen „Darsteller“ und das Vorhaben, eine Freiluft-Szene zu drehen, wird für geraume Zeit unmöglich. Dabei sind die Schnecken nur die erste der Hürden, die genommen werden müssen, bis der Plan der Beteiligten Früchte trägt.
Ein Beziehungs- und Gefüls-Chaos birgt noch weitere Hindernisse. Denn Max ist in Mao verliebt, die aber eine überzeugte Lesbin ist, zum Schluss hin sich aber doch noch von Johann nehmen lässt. Zum großen Ärger von Max. Mara ist unkompliziert und kommt gleich zur Sache, wohingegen Martha die ganze Nummer nur wegen dem Geld macht und im Grunde total verklemmt ist. Johann ist eigentlich nur wegen dem „Pudern“ da und um seinen eineinhalb jährigen Sexnotstand zu überwinden. So artet sein Engagement manchmal derart aus, dass er, um Momente der Einfallslosigkeit und Schaffenskrise zu überbrücken, eine One-Man-Show abliefert und z.B. vor laufender Kamera über einen Tomatenstrauch masturbiert.
Was dem Filmemacher-Team Glawogger / Ostrowski in diesem Film sehr gelungen ist, sind die zahlreichen skurrilen Momente und die witzigen, pointenreichen Situationen, in welche die Protagonisten geraten. Zum Beispiel wollen Max und Johann für das Casting einen Fragebogen entwerfen. Dieser soll aber nicht zu lang und kompliziert werden. Was ist nun die besondere Eignung, die eine angehende Pornodarstellerin mitbringen sollte? „Wir müssen unbedingt überprüfen, ob die es auch wirklich machen wollen,….“, meint Johann, „deswegen 1) Höflichkeit, 2) Stöhnen abchecken und 3) Sauberkeit“ – „Und wie willst du das überprüfen?“ – doch nur, indem man an den Bewerbern schnuppert!!!
In einer anderen Szene jagt Schorch – umwerfend komisch dargestellt von Georg Friedrich – seine geliebte Corvette mit 100 Sachen zum Drehort und wird von jedem Blitzgerät in der Umgebung abgelichtet. Vom Beifahrer gefragt, warum er denn so rast, antwortet der blonde Hüne im Steiermarkschen Dialekt: „Ich hab a schnelles Auto. Wie schaut des aus, wenn i fahr wie a gfesselter Schneck?“. Der Zuhälter und Drogendealer ist nämlich pleite, kann die Leasingraten für seinen geliebten Sportwagen nicht bezahlen und das idiotensichere Ding („technisch gar nicht aufwendig, so nen Porno dreht doch eh a jeder heutzutage“) läuft auch nicht mehr so glatt. Total aufgebracht über die misslungenen Pläne knallt er mit seiner Pistole während der Fahrt aus dem Fenster, verliert die Kontrolle über den Wagen und fährt gegen das Aushängeschild des örtlichen Puffs „Zum kleinen Pelz“.
Neben dem Klamauk kommt aber das Substantielle des Films und seine Aussage nicht zu kurz. Mit viel Mühe und Sorgfalt wird die Problematik um den Pornodreh und die moralische Frage hinter dem „Sexeln“ auf witzige aber aufschlussreiche Art und Weise gezeigt. Stellenweise wird dabei auch viel nackte Haut mit einschlägigen Szenen gezeigt. Dieser Film bestätigt’s: Österreicher sind alles andere als prüde.
Somit ist „Nacktschnecken“ durch die fünf großartigen, glaubwürdigen und sympathischen Hauptdarsteller, die flotten Dialoge im umwerfenden Lokaldialekt, die skurrilen Plottwists und nicht zuletzt durch den herrlich überzeichneten, dealenden, Sprüche klopfenden und einfach nur schrägen Zuhälter Schorsch eine kurzweilige Situationskomödie, die immer zündet und einen aus den Schuhen hebt. Ein Vergleich zu „American Pie“ lässt sich aber zu keiner Minute halten, dafür ist die Idee und die Umsetzung zu originell und engagiert - dennoch versucht „Nacktschnecken“ nie mehr zu sein als eine Sexklamotte mit höchstem Unterhaltungsfaktor.