Einen geliebten Menschen zu verlieren, ist an sich grausam genug. Wenn dann jedoch das gesamte Umfeld behauptet, dieser Mensch sei niemals da gewesen, bis man schließlich an seinem eigenen Verstand zu zweifeln beginnt, dann bekommt der Horror eine noch viel größere Dimension. In "
Die Vergessenen" (2004) war es Julianne Moore, die unter der Regie von Joseph Ruben steten Schrittes dem Wahnsinn zu verfallen droht, und in "Flightplan" (2005) fand sich Jodie Foster in einem solchen Albtraum wieder.
In
"OHNE JEDE SPUR" ist es nun die junge Bankerin Mary Walsh (Brittany Murphy), die sich einer solchen Herausforderung stellen muss. Sie bringt ihren Freund Kevin (Dean Cain) für eine Knieoperation im Krankenhaus und gesellt sich zu den Wartenden in der Lounge, während sich die Ärzte um Kevin kümmern. So glaubt sie zumindest. Denn als die Stunde, von der ursprünglich die Rede war, längst vorrübergegangen ist und sich immer noch kein Ende des Wartens abzeichnet, erkundigt sie sich bei einer Schwester am Empfang nach dem Stand der Dinge – nur um festzustellen, dass sie selbst offenbar die Einzige ist, die von der Existenz ihres Freundes und der angesetzten Operation weiß. Kevins Name findet sich nicht in den Unterlagen des Krankenhauses, der Arzt, der für die OP angeblich eingeteilt war, hat an diesem Tag nicht einmal Dienst. Und die Schwester, die Kevin für seine Operation vorbereitet hat, ar
beitet offenbar überhaupt nicht hier.
Das Krankenhauspersonal stellt schon bald Zweifel bezüglich Marys Geisteszustand an, wobei die Tatsache, dass die junge Frau seit dem Tod ihrer Mutter ununterbrochen Antidepressiva nimmt, ihrer Glaubwürdigkeit nicht gerade zuträglich ist. Auch Detective Franklin (Jay Pickett), der sich mit der Vermisstenanzeige befassen soll, die Mary in die Wege geleitet hat, kann der Geschichte nicht so recht Glauben schenken. So ist Mary bei der Suche nach der Wahrheit schließlich ganz auf sich allein gestellt.
Wie so oft ist der Originaltitel "ABANDONED" mal wieder deutlich vielschichtiger als der deutsche, aber das soll dem Film nicht angelastet werden. Den Zuschauer beschäftigen andere Umstände weit mehr – nicht mit jedem davon möchte man sich auch tatsächlich ausführlich befassen. Es ist unangenehm, daran denken zu müssen, dass dies der letzte Film war, den Schauspielerin
Brittany Murphy ("
Across The Hall") vor ihrem Tod 2009 vollenden konnte. Man möchte das Werk natürlich nicht unter dieser Prämisse bewerten, aber der Gedanke bleibt im Hinterkopf. Und es drängt sich unweigerlich die Frage auf, ob der Look der Schauspielerin in
"OHNE JEDE SPUR" gewollt ist. Wenn ja, muss man den Make-Up-Artisten leider ein schlechtes Zeugnis ausstellen, denn bereits zu Beginn des Films sieht sie alles andere als gut aus. Zwar hat Mary seit dem Tod ihrer Mutter noch nicht wieder ganz zu sich selbst gefunden, muss immer noch Antidepressiva schlucken, doch eine zufriedenstellende Erklärung für ihren abgekämpften, verstört wirkenden Ausdruck gibt das noch nicht. Zumal Mary eigentlich als starke Frau portraitiert wird, die sich selbst dann nicht die Zügel aus der Hand nehmen lässt, als bereits alles gegen sie spricht. Erst im Laufe der Geschichte passt sich die Entwicklung der Figur ihrem Äußeren an, und nun können wir Brittany Murphy so sehen, wie man sie lieber im Gedächtnis behält: nicht ermattet und angeschlagen, sondern kämpferisch und ausdauernd, selbst als ihre eigene Angst sie zu überwältigen droht.
Und diese Ausdauer braucht Mary bei der Suche nach der Wahrheit auch. „No clues. No evidence. No answers. No trace.” – so heißt es auf dem Werbeposter. Und zunächst hält der Film tatsächlich, was hier versprochen wird. Auf zwei große Wendungen kann sich der ahnungslose Zuschauer freuen – wenn, ja, wenn er den Klappentext der DVD nicht gelesen oder den Trailer gesehen hat. Denn hier wird bereits eine der als Überraschung geplanten Entwicklungen im Vorfeld verraten – eine unnötige Verschwendung von Potenzial, die den Film leider Einiges an Spannung kostet. Auch das darf dem Werk als solchem natürlich nicht angelastet werden, aber der Gesamteindruck wird dadurch nun einmal beachtlich getrübt.
Dafür, dass die Geschichte altbekannte Muster wiederaufgreift und der geübte Zuschauer die zweite Wendung auch ohne Trailer-Hilfe vorzeitig erahnen kann, hält der Film seinen Spannungsbogen erstaunlicherweise recht gut. Der Grund hierfür lässt sich schwer ausmachen,
"OHNE JEDE SPUR" ist auf eine seltsame Art und Weise unterhaltsam, obwohl er insgesamt nicht mehr als durchschnittlich ist. Positiv fällt allerdings die Musik aus der Feder von
Andres Boulton auf, der sich ebenso als Sound Designer in den Credits wiederfindet.
Großes Thriller-Kino ist
Michael Feifers Werk leider nicht, bewaffnet mit einem Eimer Popcorn ist aber zumindest ein angenehmer DVD-Abend möglich. Für Fans von Brittany Murphy ist dieser Film als ihr letzter ohnehin ein Muss. Aber auch Anhänger von
Dean Cain sollten einen Blick riskieren, wenn sie den einstigen
Superman mal in einer weit weniger stählernen Rolle sehen wollen.