„I am the one and only / nobody I'd rather be / I am the one and only / you can't take that away from me”
Zu Chesney Hawkes' Singlehit „The One and Only“ aus dem Jahr 1991 düst der junge Arzt Ben Stone (Michael J. Fox) in seinem 1956-Porsche Richtung Beverly Hills.
Dort will er sich als Schönheitschirurg mit Brustimplantationen und Fett-Absaugen bei den Stars und Sternchen eine goldene Nase verdienen und endlich weg von all dem Tod und Elend aus der Notaufnahme. Seinen Idealismus, Menschenleben zu retten, hat er bereits selbstbewusst über Bord geworfen.
Die letzte Aufforderung eines Kollegen, sich seine Entscheidung noch einmal durch den Kopf gehen zu lassen, lässt er – bereits vom Mammon geblendet - ziemlich unberührt im Raum stehen.
Blöd nur, dass er mit seinem schicken Gefährt eine vermeintliche Abkürzung wählt, die ihn nach einem riskanten Ausweichmanöver mitten in den frisch gestrichenen Zaun des Richters der verwunschenen Kleinstadt Grady, der „Hauptstadt des Kürbisses“, treibt.
Und noch blöder, dass die Provinzler kein Wenn und Aber kennen und den durchreisenden Mediziner trotz wichtigem Vorstellungsgespräch als Schadensausgleich zu 32 Stunden Arbeit im örtlichen Krankenhaus verdonnern.
Für Ben, der in einer ähnlichen Umgebung aufgewachsen ist, kommt die Verurteilung zunächst einer Hölle auf Erden gleich. Die Einwohner wirken auf ihn eher wie eine Horde Cartoon-Figuren und die gesamte Situation surreal.
Im Krankenhaus gibt die kantige Schwester Packer (Eyde Byrde) den Ton an, der alte und grimmige Stadtdoktor Aurelius Hogue (Barnard Hughes) lässt sich nur bei absoluten Notfällen widerwillig blicken und es wimmelt in Grady noch von anderen kauzigen Gestalten wie der Nymphomanin Nancy Lee (Bridget Fonda) oder dem vermeintlich harten Burschen Hank (Woody Harrelson).
Allerdings ändert sich das anfängliche Schreckensbild für Ben, als vor seinen Augen die attraktive und splitternackte Lou (Julie Warner) wie eine Nixe aus einem See auftaucht.
„Wenn Sie Arzt sind, gibt es nichts, was Sie nicht zuvor gesehen haben!“ wirft die alleinstehende Mutter dem verdutzten Arzt kokett an den Kopf.
Dass aus dieser Begegnung allmählich eine Liebesgeschichte entsteht, sollte die Zuschauer ebenso wenig überraschen wie die Tatsache, dass sich der Held dieser Geschichte nach und nach an das einfache Leben im Nirgendwo gewöhnt.
Doch reichen diese neuen Lebensqualitäten aus, um Ben an das idyllische Grady zu binden und auf die möglichen Millionen von Dollars aus Hollywood zu verzichten…?
„Doc Hollywood“, der von dem Briten Michael Caton-Jones („Memphis Belle“) inszeniert worden ist, ist mit Sicherheit kein spektakulärer Film. Wie die Geschichte ausgeht, dürfte für den Großteil des Publikums sehr genau vorhersehbar sein.
Dennoch funktioniert die romantische Komödie bis zur letzten Minute ganz ausgezeichnet.
Das liegt zum einen daran, dass hier nicht die Begriffe
Kitsch und
Romantik verwechselt worden sind und man wirklich sympathische Charaktere mit Macken, Kanten und allem, was dazugehört, vorgesetzt bekommt. Deshalb ist der Streifen wahrscheinlich auch nicht gerade die erste Wahl für pubertäre Teenager, die viel lieber aalglatten Covermodels beim Küsschen geben zusehen oder die Abenteuer irgendwelcher Blutsauger mit Herzschmerz verfolgen.
Im Prinzip ist „Doc Hollywood“ das, was man als einen perfekten Date-Film für beide Geschlechter bezeichnen würde: Er ist witzig, ohne in billige, Slapstick-artige Momente zu verfallen, romantisch, ohne durch eine widerwärtige Penetranz den Partner zum extrem langen Toilettenbesuch zu animieren, und vor allem mit toll aufgelegten Schauspielern wie „Zurück in die Zukunft“-Star Michael J. Fox, Bridget Fonda und einem wie immer saucoolen Woody Harrelson („Weiße Jungs bringens nicht“) besetzt.
Was Regisseur Caton-Jones hier außerdem sehr gut gelungen ist, ist die Kleinstadt Grady so darzustellen, dass sie mit ihren Einwohnern auf die Zuschauer absolut lebensecht wirkt. Man glaubt den Figuren, dass sie dort schon seit ihrer Geburt leben und hegt keinen Zweifel daran, dass sie an diesem Ort auch sterben wollen.
Natürlich nimmt man das verschlafene Nest mit der magischen Atmosphäre zu Beginn durch die Augen des skeptischen Yuppie-Arztes wahr, und lernt erst mit ihm dort wieder, die verloren geglaubten, kleinen Dinge im Leben zu schätzen.
Denn das ist - trotz Love-Story - die einfache Kernfrage des Films: Kann Geld allein wirklich glücklich machen?
Die meisten werden darauf wohl mit einem flinken
Nein antworten.
Gelegentlich hat man aber dennoch auch einfach mal einen kleinen und gerade deshalb liebenswerten Film, wie diesen hier, gern, der einem wieder vor Augen führt, dass sich vielleicht schon hinter der nächsten Kurve ganz neue Lebens-Möglichkeiten auftun könnten.
Meist rutscht man einfach unbeabsichtigt hinein.