„You are not a soldier. You are a messenger. You've always been a messenger.“
Man sollte in naher Zukunft vielleicht wirklich mal die Insel Nimmerland aufsuchen und
Peter Pan fragen, ob er kürzlich Besuch hatte. Denn dass Krawallier
Michael Bay, mittlerweile 47 Jahre alt, seit geraumer Zeit dagegen anzukämpfen scheint, endlich erwachsen zu werden, wissen wir spätestens seit der tricktechnisch opulenten, aber inhaltlich hohlen Kleine-Jungen-Fantasie „
Transformers - Die Rache“, die 2009 nicht nur die hiesigen Kinoleinwände erschütterte. Wir erinnern uns: da war die ungesunde Zusammenführung von
Autobots und
Decepticons, welche nach „
Transformers“ [2007] wiederholt als filmgewordene
Hasbro-Actionfiguren einen pompösen Kampf auf dem Rücken der Logik austrugen und dabei wahrlich keinen Stein auf dem anderen ließen. Kritiker weltweit suchten in der Folge nicht nur verzweifelt, sondern im übrigen sogar vergebens nach einem Sinn, dem sprichwörtlich roten Faden der Geschichte, und konnten sich letztlich doch nur echauffieren ob der brachial-pubertären Materialschlacht, an deren Ende nichts übrigblieb außer einem riesigen Haufen Schutt, der unglaubliche 836 Mio. Dollar eingebracht hat. Bay gelobte für einen etwaigen dritten Teil, den er
damals ja eigentlich schon gar nicht mehr drehen wollte, kurzerhand Besserung und stellte deutliche Charaktervertiefungen in Aussicht. Nun also, zwei Jahre und einen Megan Fox-Rauswurf später, sollen den Worten mit dem Kinostart von
„TRANSFORMERS 3“ bestenfalls auch endlich echte Taten nachfolgen. Ob wir am Ende alle nur einem Lausbubenstreich Bays auf den Leim gegangen sind und die angekündigte Tiefenauslotung möglicherweise nur auf den obligatorischen 3D-Effekt bezogen war, wird die diesmal noch großzügiger bemessene Zeit zeigen, die uns in 156 Minuten folgende Geschichte erzählt:
20. Juli 1969: Die ganze Welt verfolgt gebannt die Mondlandung Neil Armstrongs und hört dessen weltberühmte Worte. Doch etwas bleibt der Weltbevölkerung verborgen. Auf der dunklen Seite des Mondes nämlich entdecken die Astronauten ein scheinbar unbemanntes und zerstörtes Raumschiff. Kurzerhand beschließt die Regierung, diese Entdeckung zur Geheimsache zu erklären. Ein überaus schwerer Fehler, wie sich allerdings erst 40 Jahre später zeigen soll.
Gegenwart: Ein bislang unentdeckter Transformer namens
Shockwave lässt zusammen mit alten Bekannten den erbitterten Krieg zwischen
Autobots und
Decepticons, der sich diesmal um ein gefährliches Artefakt rankt, wieder aufleben. Zu spät erkennen Sam Witwicky (Shia LaBeouf) und seine einsamen Streiter, dass die damalige Mondlandung nur ein Vorwand war, als dessen direkter Ausfluss nun nicht nur der Fortbestand der Erde, sondern sogar der des gesamten Universums auf dem Spiel steht...
Wenn ein Film derart brachial zu Felde zieht, sei es dem Rezensenten bitte verziehen, dass er ebenfalls jegliches Feingefühl vermissen lässt, um sogleich zu dem größten Kritikpunkt von
„TRANSFORMERS 3“ vorzudringen, der sich zunächst etwas seltsam liest: Er ist (im Ansatz) besser als sein unmittelbarer Vorgänger. Gut, das ist auch kein allzu großes Kunststück, wird manch einer unken, da in
„Revenge of the Fallen“ ja bekanntermaßen ein riesiges Feuerwerk an peinlichen Albernheiten abgefeuert wurde, das weniger den Film als vielmehr das reihenweise Fremdschämen der Kinogänger glänzen ließ. Solche Momente sind nunmehr fast vollständig einer ernsthafteren Herangehensweise gewichen, der eine fast schon lobenswerte Grundidee, die sich sogar über mehrere Jahrzehnte spannt, zugrundeliegt. Alleine dies ließ die Hoffnung aufkeimen, dass Michael Bay zum Ende seiner erfolgreichen Filmreihe vielleicht doch einmal das kindliche Gemüt in der Spielekiste gelassen haben könnte. Zu dumm nur, dass besagte Einsicht ja meistens mit dem Alter kommt und sich dieser Umstand im Falle des 47-jährigen Michael Bay zugegebenermaßen als etwas problematisch darstellt. Denn trotz aller guten Vorsätze ist und bleibt er immer noch der kleine Junge im Körper eines Erwachsenen, welcher Actionfiguren liebt und dies auch jedem zeigen möchte. Alte Gewohnheiten lassen sich eben doch nur schwer ablegen.
Dass kleine Kinder mitunter dazu neigen, das Feingefühl eines Presslufthammers an den Tag zu legen, dürfte hinlänglich bekannt sein. Somit ist es eigentlich wenig verwunderlich, dass in
„TRANSFORMERS 3“ jeder noch so gute Story-Ansatz letztlich durch eine Zerstörungsorgie
par excellence niedergetrampelt wird, an deren Ende nicht nur halb Chicago, sondern auch ein beträchtlicher Teil des sowieso schon äußerst brüchigen Filmkonstrukts in Schutt und Asche vor uns liegt. Oder um es plastischer zu formulieren: Bay glaubt den Karren traurigerweise viel zu früh auf sicherem Terrain, wodurch er ihn in der Folge aufgrund von grober Nachlässigkeit kontraproduktiv, aber wahrlich formschön an die Wand fährt. Selbstverständlich in Zeitlupe. Der Actioner möchte mitreißen, echte Emotionen wecken, während der harte, ungeschönte Kampf von Gut gegen Böse auf der Leinwand seine unzähligen Opfer fordert. Dabei ist der größte Verlust in dieser Schlacht ausgerechnet das dem Film durchaus innewohnende Potential, welches sein „Leben“ an eklatante filmische Defizite verliert, die man in einem Werk dieser Größenordnung so wohl nicht erwartet hätte. Abgesehen von etlichen Logiklöchern nämlich, die beim Krawallfilm aber anscheinend schon zum guten Ton gehören, ist es gerade die holprige Erzählung der Geschichte, die hinsichtlich Schnitt und damit einhergehender Inkohärenz gehörig an den Nerven des Zuschauers nagt. Da kommt es glatt schon mal vor, dass das Bild plötzlich sekundenlang schwarz wird und nach erfolgtem Wiederaufblenden mit einem Mal der Krieg bereits in vollem Gange ist. Entschuldigung, aber
so nimmt man den Zuschauer nicht an die Hand, Stilmittel hin oder her.
Wenigstens geht Komponist
Steve Jablonsky („D-War“ [2007]) diesbezüglich gleich den direkten Weg, indem er die jeweils assoziierte Stimmung passend mit musikalischem Bombast unterfüttert. Die Zuschauer könnten ja Gefahr laufen, den Showdown nicht zu bemerken. Ähnlich brachial wie das Geschehen auf der Leinwand gestaltet der Hans Zimmer-Schüler demzufolge auch seinen Score, der teils routiniert, teils geschickt kopiert die letzten Staubkörner aus dem Boxen pustet. Abwechslung sieht zwar anders aus, aber zumindest bleibt Jablonsky seinem etablierten Stil treu.
Wirklich beeindrucken kann
„TRANSFORMERS 3“ eigentlich nur in visueller Hinsicht, die sich effekttechnisch auf dem allerneusten Stand der Technik präsentiert. Die gegenüber dem optisch bereits herausragenden Vorgänger noch einmal verfeinerten Effekte lassen nunmehr in den Verwandlungen der Transformers nahezu jede noch so kleine Schraube erkennen, und auch in den etlichen Schlachten bleiben Nuancen trotz schneller Schnitte deutlich sichtbar, ohne zum schummrigen CGI-Wisch zu verkommen. Zudem weist Bays Effekte-Epos wohl das sauberste 3D seit James Camerons Welterfolg „
Avatar“ [2010] auf, das hier nicht nur als Gimmick Anwendung findet, sondern zuweilen mit überaus schöner, weil effektiver Tiefenwirkung zu überzeugen weiß. Klar, dass mit der vordergründigen Konzentration auf die technischen Belange zwangsläufig eine Vernachlässigung der charakterlichen Ausgestaltung der wenigen menschlichen Protagonisten einhergeht.
John Malkovich („
Eragon“ [2006]) kann hier neben einem soliden
Shia LaBeouf („
Bobby“ [2006]) vielleicht noch am ehesten durch sein Overacting einige Akzente setzen, während die Wahl,
Patrick Dempsey („
Freedom Writers“ [2007]) als „hundsgemeinen“ Bösewicht zu verpflichten, einzig und allein auf dessen Zugwirkung beim weiblichen Publikum zurückzuführen sein könnte. Unterwäschemodel
Rosie Huntington-Whiteley macht in ihrer ersten großen Kinorolle übrigens genau da weiter, wo die gefeuerte Megan Fox aufgehört hat: Sie lässt sich lustvoll von der Kamera einfangen. Madames nur sehr knapp bedecktes Hinterteil ist daher auch das erste, was man überhaupt von dem Neuzugang zu sehen bekommt. Überraschung: Michael Bay ist auch ein Schlawiner.
Fazit: Es fällt nur allzu leicht, Bay für die aufgezählten Kritikpunkte zu verurteilen. Doch spätestens bei
„TRANSFORMERS 3“, dem ersten
Threequel in der Schaffensphase des Regisseurs, ist es genau genommen weit weniger der Film als vielmehr eine allzu starre Erwartungshaltung, die uns Zuschauer straft. Anspruch und originelle Geschichten waren nämlich noch nie wirklich Bays Stärke, der seit jeher einfach nur sündhaft teuren Krawall zu zelebrieren gedenkt. Dass dies zwar einen lauten, mitnichten aber einen guten Film im herkömmlichen Sinne verspricht, steht freilich außer Frage. Klar ist jedoch auch, dass
„TRANSFORMERS 3“ trotz aller Defizite einer der optisch bombastischsten Blockbuster in diesem Jahr sein wird. Denn über allem ist diese Materialschlacht am Ende des Tages die totale digitale Entfesselung eines kleinen großen Jungen, der seit seinem „Pearl Harbor“ [2001] weiß, dass er so schnell wohl keinen Oscarkandidaten auf die Beine gestellt bekommt. Eine Erkenntnis, aus der er erst gar keinen Hehl macht. Welch begrüßenswerte Ehrlichkeit liegt doch in diesen Zeilen, die dem Zuschauer zugleich etwas in aller Deutlichkeit vor dessen Augen führt: Manchmal sollte man seine hochgesteckten Erwartungen ein wenig bis vollständig zurückschrauben und sich schlicht und ergreifend mit dem zufriedengeben, was einem im aufgewärmten zweiten Nachschlag serviert wird...