Drei Paare, drei Beziehung, drei Lebensabschnitte: die Twentysomethings Jaime, eine Küchenhilfe, und Hugo, ein Lehrer, planen die Hochzeit um ihr wildes Leben zur Ruhe zu bringen. Palek und Carolyn, beide in den Dreißigern, sind bereits verheiratet, jedoch noch kinderlos – das soll schnellstmöglich geändert werden. David und Katie haben bereits eine Tochter und einen kleinen Sohn, dafür aber mit ihren über 40 Jahren überhaupt kein Liebesleben mehr. Alle drei Paare kämpfen um ihre Beziehungen und begeben sich einzeln oder als Paar in die Therapie von Dr. May Foster, die eine reife, aber nicht problemlose Ehe führt...
HBO ist ja bekannt für seine mutigen und aufwändigen Serien. „Tell me you love me“ erscheint dabei weniger aufwändig, dafür aber extrem mutig. Nicht nur, dass die Serie sehr geschwätzig und „unspannend“ ist, sondern dazu kommt eine erfrischend nüchterne Inszenierung, und für TV- (und eigentlich auch Kino-)Verhältnisse überraschend explizite Sexszenen. Erneut war nach einer Staffel Schluss, obwohl diesmal – mag man den Gerüchten glauben – nicht die Quoten verantwortlich waren, sondern die Macher entschieden sich bewusst gegen eine zweite Staffel, da man nicht wusste, wohin sich die Serie entwickeln sollte. Ist ja auch mal schön, wenn eine Cash-Cow nicht bis ins letzte gemolken wird, sondern man eine Serie einfach mal enden lässt. Dementsprechend kurz ist die Serie dann auch, es sind gerade einmal 10 Folgen geworden
. Eine letzte, quasi elfte Folge, wäre wünschenswert gewesen, um den Abschluss etwas runder zu gestalten, aber nun gut, man kann nicht alles haben.
Die DVD-Veröffentlichung trägt den Untertitel „sex. life.“, der die Serie eigentlich schon recht gut charakterisiert. Sex ist eines der zentralen Themen der Serie, doch die Serie auf eine Softporno-Fummelei-Reihe herunter zu brechen, wäre ungerechtfertigt. Denn es gibt nur relativ wenig Sexszenen, viel mehr ist es eines der zentralen Themen in den Leben der handelnden Charaktere. Da wäre zum ersten das junge Paar Jaime und Hugo. Beide führen ein wildes Leben, mit viel Alkohol, Party und eben auch jeder Menge Sex, an möglichst vielen Orten. Jaime selbst bezeichnet sich im Laufe der Serie selbst als „toxic“, und letztendlich geht die Beziehung schon zu Beginn der Serie in die Brüche, da Hugo trotz bevorstehender Hochzeit keinen Treueschwur leisten will. Da hilft auch Versöhnungssex nicht mehr viel, denn genau das ist eines der Probleme des Paares: Sex als Waffe zur Konfliktbewältigung, ohne dass die entsprechenden Konflikte ausgehandelt werden. Gerade Jaime steht gegenüber Hugo im Vordergrund, und in den Gesprächen von Dr. Foster wird sie sehr differenziert gezeichnet. Hierbei seien auch die Leistungen von Michelle Borth, Luke Kirby und später Ian Somerholder in höchsten Tönen gelobt. Borth und Kirby spielen wirklich exzellent, und alle drei sind darüber hinaus auch noch mit vollstem Körpereinsatz bei der Sache.
Palek und Carolyn hingegen haben ihre Beziehung schon in den sicheren Hafen der Ehe geführt, schaffen es jedoch nicht, schwanger zu werden. Dies fehlt dem Paar augenscheinlich noch zu ihrem Glück, denn beide verdienen gutes Geld als Architekt respektive Anwältin. Doch die Schwangerschaft will sich partout nicht einstellen, und in der Paartherapie bei Dr. Foster brechen immer weitere Konflikte aus dem Verborgenen hervor. Besonders interessant hierbei ist – genau wie bei der gesamten Serie – wie lebensecht und differenziert die Figuren gezeichnet sind, ohne in Stereotypen und Abziehbilder zu verrutschen. Denn in fast jeder Folge werden neue Sichtweisen offenbart, die absolut nachvollziehbar sind, ohne überkonstruiert zu wirken. Leider verläuft die Parallelhandlung mit Paleks familiären Problemen etwas im Sande bzw. nebenher, so dass sie leicht unnötig erscheint, auch wenn sie durchaus dabei hilft, die Figur und ihre Gefühle besser zu verstehen. Das dritte Paar im Bunde besteht aus Katie und David. Sie lieben sich zwar innig, haben jedoch seit über einem Jahr keine Sex mehr gehabt. Dies ist insofern mit der spannendste Handlungsstrang, da sowohl der Zuschauer, als auch Dr. Foster versuchen, der Ursache dafür auf den Grund zu gehen.
Gerade David ist bei diesem Paar am Anfang zwar mehr eine zurückhaltende Figur, rückt jedoch immer stärker in den Fokus und zeigt deutlich die zweite Seite der Medaille auf – eine durchaus interessante Storykonstruktion. Dazu hat das Paar noch zwei Kinder, den kleinen Joshua, der leider ziemlich zur Staffage verkommt und wenig narrative oder charakterisierende Funktion erfüllt, sowie Isabella, auf die immer wieder das Augenmerk gerichtet wird. Dieser Subplot hätte einiges Potential für eine zweite Staffel gehabt, die ja aber nie zustande kam, womit er leider im Sande verläuft. Auch die Beziehung von May Foster und ihrem Ehemann Arthur wird thematisiert. Obwohl sie als Expertin aufgesucht wird, erfüllt ihre Rolle einen größeren Zweck als nur Dialogpartner und Stichwortgeberin der Figuren auf Erkundung ihrer Gefühle zu sein. Zu Beginn scheint sie die Antithese zum selbstzerstörerischen (Sex-)Leben von Jaime und Hugo zu sein, zum unerfüllten Kinderwunsch von Palek und Carolyn (obwohl sie selbst keine Kinder hat), und auch zum praktisch nicht vorhandenen Liebesleben von Katie und David. Doch diese überzeichnet reife und erfüllte Figur hat durchaus Probleme mit ihrem Beziehungsleben, wie immer wieder deutlich wird. Und doch sind sowohl Arthur als auch sie eigentlich die einzigen Personen, die reif genug sind, eine tatsächlich erfüllte Beziehung zu führen. Und Sex im Alter ist auch möglich, was umso verwunderlicher ist, weil ja kürzlich erst um den Film Wolke 9 solch ein Aufheben gemacht wurde – bei Tell me you love me wurde das schon 2007 ganz selbstverständlich thematisiert.
Womit wir bei der inszenatorischen Umsetzung der Serie angelangt wären. Um die Sache abzukürzen kann man wohl drei Worte benutzen:
Realismus ist alles. Und das ist wahrlich eine andere, ungewohnte aber auch erfrischende Seherfahrung. Es fängt allein schon damit an, dass Tell me you love me keinerlei Vorspann oder Credits zu Beginn der Folgen benutzt. Man wird quasi mitten ins Geschehen geworfen. Darüberhinaus gibt es in der gesamten Serie, es sei denn, die Personen befinden sich in Kneipen oder ähnlichem, keinerlei musikalische Untermalung. Erst am Ende jeder Folge startet je ein Lied, dass nach kurzer Zeit in die Endcredits übergeht. Dieses Lied ist auch immer wieder ein anderes, so dass dieser Serie sogar ein eigenes musikalisches Thema fehlt: sowas hab ich glaub ich auch noch nie erlebt. Unterstützt wird der Realismus von vielen Handkameraaufnahmen, die dem Ganzen eine semi-dokumentarischen Look verleihen. Und auch in den kontrovers diskutierten Sexszenen gibt es kaum ästhetische Verherrlichung. Keine Windmaschinen, kaum kaschierende Beleuchtung, keine schmierigen Soli auf noch schmierigeren Gitarrensaiten, sondern einfach verschwitzter, realistischer und blanker Sex, der nicht in pornografische „Grundkurs Gynäkologie“ Gefilde verfällt, noch auf romantisch-ästhetisch-überhöhten Hochglanz-Liebesakt empor gehoben wird. Und genau das ist eigentlich die Stärke der Serie: der Realismus. Da verzeiht man auch, dass es eigentlich kaum einen echten Spannungsbogen gibt, und die einzelnen Figuren etwas sehr nebenher leben. Wobei das in amerikanischen Großstädten ja durchaus auch realistisch ist: was sollten diese drei so unterschiedlichen Paare auch großartig miteinander zu tun haben?
Getragen wird die Serie von einem schlichtweg großartigen Schauspielerensemble. Eigentlich jeder der sieben Hauptrollen (also Jaime, Hugo, Katie, David, Carolyn, Palek und May) sind extrem gut gespielt, was umso verwunderlicher ist, dass das eigentlich alles größtenteils TV-Darsteller sind. Eine Ausnahme ist hierbei sicherlich Jane Alexander als May Foster, die es auf sage und schreibe vier Oscarnominierungen in 13 Jahren bringt. Bemerkenswert ist dann natürlich erneut Michelle Borth, die immerhin mal eine Rolle als Ärztin in dem weltbekannten (naja, nicht ganz so) Monsterkracher (naja, auch nicht ganz so) Komodo vs. Cobra spielte. Sonya Walger (Carolyn) sammelt fleißig Erfolgsserien-Erfahrung in Lost, Sarah Connor Chronicles und CSI: New York. Der Rest vom Fest spielte dann eher TV und kleine Rollen in durchaus bekannten Filmen, aber davon ist mir keiner in Erinnerung geblieben. In einer Folge hat Sticky Fingaz aus
Over There auch mal einen kurzen Gastauftritt, das wars dann aber auch schon.
Auf DVD gibt es die Serie in den USA. Die Folgen verteilen sich auf vier Scheiben, dazu gibt es Audiokommentare zu ausgewählten Folgen, aber leider keine Making Ofs oder andere Hintergrundinfos. Sehr schade, aber trotzdem empfehlenswert, wenn die üblichen Verdächtigen die mal wieder im Angebot haben.
Fazit: „Tell me you love me“ ist eine sehr gut gespielte, realistische und sehenswerte Serie, die sich irgendwo wie eine ernsthafte Variante von „Sex and the City“ anfühlt. Dabei ist der Fokus jedoch bei weitem nicht auf die weiblichen Darstellerinnen gerichtet, sondern auch die männliche Seite kommt zu Wort. Insofern kann man der Serie für alle jene eine Empfehlung aussprechen, die auch mit durchaus recht expliziter Nacktheit auf dem TV-Schirm kein Problem haben.