„Während alle anderen Leben nehmen, werde ich Leben retten.“
Ganze zehn Jahre hat Mel Gibson („Lethal Weapon – Zwei stahlharte Profis“) den Regiestuhl seit seinem Maya-Epos „
Apocalypto“ nicht mehr bezogen. Zehn Jahre, in denen viel passiert ist: Seinen Ruf konnte der ehemalige Superstar innerhalb von Hollywood zwar nicht aufpolieren, dafür hat der Australier durch seine ordentlichen Auftritte in „Get the Gringo“, „Machete 2“, „The Expendables 3“ und „Blood Father“ eine beachtliche Spätkarriere als knurriges B-Movie-Reibeisen hingelegt und nachhaltig bestätigen können, dass ihm die tiefen Furchen in seinem Gesicht eine wunderbar verlebte Verwegenheit zugestehen. Die vollständige Rückkehr in den inneren Zirkel der Traumfabrik wird Mel Gibson vermutlich nie wieder bewerkstelligen, auch wenn sich Robert Downey Jr. („
Iron Man“) für die Rehabilitation seines langjährigen Weggefährten beharrlich ausspricht. Durch seine misogynen wie antisemitischen Aussagen bleibt ihm der Posten als Persona non grata jedoch gewiss.
Mit seiner neuen Regiearbeit, dem Kriegsfilm „Hacksaw Ridge – Die Entscheidung“, scheint Gibson nun jedoch wieder auf sachte Tuchfühlung mit dem Garten Eden der Filmbranche zu gehen – immerhin ganze sechs Oscar-Nominierung konnte das Desmond-Doss-Portrait einheimsen, darunter fÃ
¼r den Besten Film und die Beste Regie. Wer sich im Vorfeld zu „Hacksaw Ridge – Die Entscheidung“ ein wenig mit der Weltanschauung von Mel Gibson vertraut gemacht hat (und dafür genügt es eigentlich schon, seine vorherigen Werken zu begutachten), wird schnell verstehen, was den Mann an der Verfilmung der Lebensgeschichte von Desmond Doss gereizt hat. Ein Soldat, der sich aufgrund des sechsten Gebotes weigert, im Zuge der Schlacht um Okinawa dem Dienst an der Waffe nachzugehen. Gibson kann die Figur des Desmond Doss (Andrew Garfield, „
The Amazing Spider-Man“) also als Projektionsplattform nutzen, um seine persönliche Gesinnung zu transportieren.
Heroisches Soldatentum und pathologische Gottesfürchtigkeit sind das A und O in „Hacksaw Ridge – Die Entscheidung“. Dabei wirbelt es vordergründig eine äußerst interessante Dynamik auf, einen Waffenverweigerer im Wahnsinn des Zweiten Weltkrieges agieren zu sehen. Das Problem an Desmond Doss, ist, dass er selbst keine Distanz zum Kriegsgeschehen nimmt, er befürwortet den Krieg, erachtet ihn als gerecht, als notwendig. Gewalt lehnt er zwar ab, aber nur die selbst getätigte, was der Film auf zwei traumatische Erlebnisse in seiner Kindheit respektive Jugend zurückführt. Die Widersprüchlichkeit, die das Szenario also zum Gegenstand der Erzählung hätte verwenden können, ist schlicht nicht existent, weil „Hacksaw Ridge – Die Entscheidung“ ein Film der klaren Worte, der simplen Geisteshaltungen, der erwartbaren Formeln bleibt. Und diese Einfachheit, mit der Gibson sein Geschehen ausstaffiert, entblättert sich freilich als verwerflichen Werteverständnis.
Wer glauben möchte, im ultrabrutalen „Hacksaw Ridge – Die Entscheidung“ verbirgt sich womöglich ein Anti-Kriegsfilm; eine Abhandlung über den Verfall von Moralität und der Pervertierung amerikanischer Erziehungsideale, der hat die Rechnung ohne den manischen Fundamentalismus des Steuermanns gemacht. Obgleich Desmond Doss, der offenkundig Gibsons kühnste Materialisation einer reingewaschenen Heldenvorstellung entspricht, kein Leben nimmt, spricht er das Massenmorden seiner Kameraden fraglos heilig. Das Töten nämlich ist ein Instrument, um den Glauben zu befreien. Das Töten ist elementar, um den Weg zu Gott zu finden – den Weg, den Desmond schon lange gefunden hat und ihm, aus Gibsons Perspektive, eine astreine Erlöser-Ikonographie samt Himmelfahrt-Motiv gestattet. Dass „Hacksaw Ridge – Die Entscheidung darüber hinaus unfassbar kurzweilig erscheint, bestätigt sicherlich Mel Gibsons außerordentliches Talent als Geschichtenerzähler. Genau das aber macht den verqueren Film umso gefährlicher.
Cover & Szenenbilder: © 2016 Summit Entertainment