Der Film stellt in großen und blutigen Bildern die letzten Stunden Jesu von seiner Gefangennahme bis zum Tod am Kreuz und der Wiederauferstehung dar, die als „Passion“ (Deutsch „Leiden“) bezeichnet werden.
Mel Gibson steht mit seinem Film ganz in der Tradition der Passionsspiele. So übernimmt er Elemente, die den Opfertod Jesu besonders hervorheben und bereits in traditionellen Passionen zu finden sind. Interessant ist, dass der Regisseur seinen Film in der verarmten süditalienischen Kleinstadt Matera gedreht hat. Dabei handelt es sich um denselben Schauplatz, den bereits 1964 Pier Pasolini für sein Meisterwerk „Das 1. Evangelium - Matthäus“ gewählt hatte.
Gibson war darum bemüht seinen Film an Bilder des italienischen Barockmalers Caravaggio anzugleichen, der mit vielen Lichteffekten und starken Kontrasten gearbeitet hat. Er gibt zu, dass er die Passion deswegen verfilmen wollte, weil er sich viel mit Gemälden der italienischen Kunstgeschichte auseinandergesetzt habe (vor allem mit Werken von Mantegna, Masaccio, Piero della Francesca). Diese Aussage wird im Film bestätigt: Gibson übernimmt viele ikonographische und kompositorische Motive und Elemente, die auf bewusste Wiedererkennung angelegt sind (z.B. die Pietà, der Schmerzensmann).
Gibson lehnt sich in seinem Film nicht nur an die vier Evangelien des Neuen Testaments, sondern auch sehr stark an das Buch „Das bittere Leiden unseres Herrn Jesus Christus“ vo
m Dichter Clemens Brentano, der darin die Visionen der Anna Katharina Emmerich niedergeschrieben hat, an. „Das bittere Leiden“ erfreut sich gerade in evangelikalen Kreisen in den USA einer großen Beliebtheit und wird dort stark rezipiert.
Doch nun zum Film selbst: „Die Passion Christi“ ist für mich keine gut umgesetzte Jesusverfilmung. Der theologische Gehalt wird auf ein Minimum reduziert, stattdessen inszeniert Gibson eine blutrünstige Gewaltorgie, um ein schaulustiges Publikum zu befriedigen.
Auch der Vorwurf, dass der Film antisemitisch sei bestätigt sich leider. Zwar wird man um einen gewissen Antisemitismus nie herumkommen, wenn man den Stoff der Evangelien verfilmt, zu bedenken ist hier aber, dass Jesus Jude war, seine Botschaft primär an Juden richtete und vor allem Juden ansprechen wollte. Er intendierte keine Abspaltung von der jüdischen Religion, sondern wollte vielmehr innerjüdische Reformen.
Dies kommt jedoch bei Gibson überhaupt nicht zur Geltung. Bei der Szene, in welcher Pilatus Jesus zur Rede stellt, antwortet dieser ihm auf Lateinisch. Zu Erinnerung: Jesus war (laut Evangelien) ein einfacher Zimmermann, der bestimmt nicht mit der Sprache der römischen Besatzungsmacht vertraut war. Ich unterstelle Gibson, dass er diese Darstellung ganz bewusst gewählt hat, um Jesus von den Juden abzugrenzen und hervorzuheben.
Auch die plakative Darstellung der gierigen und scheinbar gefräßigen jüdischen Hohepriester, die ständig Gift und Galle spucken, ist äußerst unsensibel und für jeden Juden wie ein Schlag ins Gesicht. Zu erwähnen sei zudem an dieser Stelle, das Gibsons Vater Holocaust Leugner ist, und der Regisseur selbst sich nie von den Aussagen seines Vaters distanzierte, sondern ganz im Gegenteil noch betonte, hinter seinem Vater zu stehen.
Daran wird auch wieder die Doppelmoral des Films ersichtlich. Einerseits lässt Gibson seine Schauspieler pseudohistorisch in den alten Sprachen Latein, Aramäisch und Hebräisch sprechen, andererseits (abgesehen davon, dass die Evangelien, auf welche sich „Die Passion“ ja vornehmlich stützt, ohnedies nicht historisch sind) dichtet er ständig Ereignisse und Begebenheiten hinzu, was den gesamten Film unglaubwürdig macht.
Vom cineastischen Aspekt betrachtet gibt es nichts zu kritisieren. Die Stilmittel, derer sich Gibson bedient, funktionieren einwandfrei. Immer wieder überrascht der Regisseur mit genialen Kameraeinstellungen (z. B. die Träne Gottes, die auf den Richtplatz fällt und das Erdebeben auslöst) und interessanten Perspektiven.
Der Film ist hier ganz Kind seiner Zeit und erinnert in vielen Aufnahmen, Motiven und Einstellungen mehr an zeitgenössische Fantasy- und Horrorfilme, denn an andere Jesus- oder Bibelverfilmungen. Besonders auffallend sind dabei die Dämonen und Monster, die Judas peinigen und an schlechte, trashige Horrorshocker erinnern. Aber auch gewisse Kamerafahrten lassen nur allzu oft an Peter Jacksons Ring Trilogie denken.
Zu den Schauspielern lässt sich nicht viel sagen. James Caviezel (die Werbetrommel ist natürlich auf seinen Initialen herumgeritten) ist ein viel zu hellhäutiger Klischee-Jesus mit bravem Mittelscheitel, wie man ihn aus barocken Darstellungen kennt und passt insofern zum Look des Films, den Gibosn beabsichtigte. Monica Bellucci spielt zwar ganz gut, ihre Rolle ist aber so stereotyp und typologisch, dass sie als Schauspielerin darin unterzugehen droht. Wie in jedem Jesusfilm wird auch hier Maria Magdalena mit der „Sünderin“ gleichgesetzt, obwohl diese in den Evangelien zwei verschiedene Personen sind. Maia Morgenstern als Maria ist gut gewählt, wirkt sie doch eher mütterlich als madonnenhaft – ein positiver Punkt für den Film.
Fazit: Cineastisch und tricktechnisch ist „Die Passion Christi“ zwar interessant und bietet dem Zuseher wirklich grandiose Masken, der Inhalt ist jedoch kaum theologisch zureichend dargestellt. Vielmehr liefert hier Gibson eine fundamentalistische und reaktionäre, betont blutige Darstellung der letzten Stunden Jesu, die den Film überflüssig und verzichtbar macht.
Wer sich für den Stoff interessiert sollte besser auf Pasolinis Werk zurückgreifen, oder sich die sog. Rockoper „Jesus Christ – Super Star“ zu Gemüte führen.
(Diese Kritik beruht in groben Zügen auf einem Referat, das ich im Sommersemester 2006 in meinem Studienfach Theologie gehalten habe. Falls die Rezension daher zu theologisch geworden sein sollte tut es mir leid. Das mag sicherlich auch darauf beruhen, dass ich am Ende meines Studiums schon etwas „betriebsblind“ geworden bin.)