„A philosopher once asked: ‚Are we human because we gaze at the stars, or do we gaze at them because we are human?’ Pointless, really... ‚Do the stars gaze back?’ Now that`s a question.”
Es ist gewiss kein Geheimnis, dass Märchen seit jeher etwas Faszinierendes anhaftet, das nur schwerlich in Worte zu fassen ist. Manche schreiben diese Faszination der Zeitlosigkeit des märchenhaften Stoffes zu, der schon so viele, viele Jahre überdauert hat; wiederum andere verbinden mit dem umfangreichen Grimm`schen Fundus an Erzählungen einfach „nur“ schöne Kindheitserinnerungen. Gemeinsam haben diese beiden Gruppen in jedem Fall eins: sie alle unterstreichen eindrucksvoll, dass Märchen bei jeder einzelnen Person etwas bewirken können. Wobei dieses „etwas“ jedoch meistens für mindestens genauso viele Möglichkeiten steht wie das tapfere Schneiderlein dereinst Fliegen erledigt hat. „Meistens“ bedeutet aber nun einmal nicht „immer“, weshalb hier und da Ausnahmen von der Regel auftauchen, die die sieben und mehr möglichen Wirkungen reduzieren auf lediglich eine einzige. Märchenhaft, in der Tat. Lauschen wir also der Geschichte eines jungen Mannes namens Tristan, der seiner Geliebten verspricht, ihr als Liebesbeweis einen gefallenen Stern zu bringen. Es war einmal vor 150 Jahren...
Wir befinden uns im kleinen englischen Dorf Wall, welches durch eine große Steinmauer vom dahinterliegenden Märc
henreich Stormhold abgetrennt ist. Niemand hat es bisher gewagt, die Mauer zu passieren, und der einzige Durchgang (ein Loch in der Mauer) wird seit einer halben Ewigkeit von einem alten Mann (David Kelly) bewacht. Doch Neugier treibt den jungen Dunstan Thorn (Ben Barnes), und tatsächlich gelingt es ihm eines Tages, durch eine List das unbekannte Land zu betreten, wo er sich sogleich auf einem großen Jahrmarkt der Merkwürdigkeiten wiederfindet. Es ist eine junge, hübsche Frau (Kate Magowan), die Blumen verkauft, die ihn auf den ersten Blick fasziniert. Sie „verkauft“ ihm für einen Kuss ein Schneeglöckchen als Glücksbringer und erklärt Dunstan, dass sie in Wirklichkeit eine Königstochter sei, die nun als Sklavin arbeiten müsse. Eine Zauberkette bindet sie an den Wohnwagen ihrer Herrin, der Hexe Sal (Melanie Hill), die jedoch gerade nicht zugegen ist. So bittet die Hübsche den jungen Neugierigen, doch zu ihr in den Wagen zu kommen. Was dort geschieht, zeigt erst neun Monate später Wirkung, als bei Dunstan – inzwischen wieder zurückgekehrt – ein Baby in einem Korb abgegeben wird, welches fortan von ihm in Wall aufgezogen wird.
18 Jahre später ist aus dem Baby ein schon recht stattlicher Junge namens Tristan (Charlie Cox) geworden, der sich unsterblich in die gleichaltrige Victoria (Sienna Miller) verliebt hat, die jedoch mit dem Schönling Humphrey (Henry Cavill) liiert ist. Tristan lässt nicht locker, die von ihm Angebetete zu umgarnen und sieht seine Chance gekommen, als sich die Schöne zu einem nächtlichen Rendezvous unter dem Sternenhimmel hinreißen lässt. Denn als die beiden eine Sternschnuppe sehen, die hinter der Mauer aufschlägt, entsteht in seinem Kopf die tolldreiste Idee, seiner Victoria als Liebesbeweis den gefallenen Stern zu bringen. Victoria ist sofort Feuer und Flamme und setzt Tristan die Frist von einer Woche, um dieses Vorhaben in die Tat umzusetzen. Andernfalls werde sie nicht ihn, sondern den ihr eigentlich versprochenen Humphrey heiraten. Wenn der Abenteurer gewusst hätte, dass die Sternschnuppe in Wirklichkeit der Abendstern war, der durch einen fliegenden Zauberrubin eher unfreiwillig auf die Erde geholt wurde, hätte er vielleicht von seinem weiteren Vorhaben abgelassen. Der Zauberrubin wurde nämlich vom sterbenden König von Stormhold (Peter O`Toole) losgeschickt, um seinen rechtmäßigen Nachfolger zu ermitteln, weshalb sich nun die verbleibenden (und überaus mordlustigen!) Söhne auf die Suche nach ihm machen. Aber auch die böse Hexe Lamia (Michelle Pfeiffer) heftet sich an die Fersen des gefallenen Sterns, um endlich wieder ihre ehemalige Schönheit zurückzuerlangen. Tja, wenn Tristan doch nur gewusst hätte, auf was für ein Abenteuer er sich da eingelassen hat...! Zu allem Überfluss entpuppt sich nämlich der Stern nicht als Stein, sondern erscheint in Form einer jungen Frau (Claire Danes), die überhaupt nicht sonderlich erpicht darauf ist, als Geschenk für Tristans Freundin herhalten zu müssen.
Matthew Vaughn, Ehemann von Claudia Schiffer, ist in der Vergangenheit neben seiner Tätigkeit als Produzent erst durch den sehr positiv aufgenommenen Film „Layer Cake“ [2004] als Regisseur in Erscheinung getreten.
„DER STERNWANDERER“ ist somit die zweite Regiearbeit des jungen Filmschaffenden, und auch die Verfilmung des Romans vom Hit-Autor
Neil Gaiman (Co-Autor von „
Die Legende von Beowulf“ [2007]) schlägt erfolgsmäßig in dieselbe Schneise wie der Vorgänger. Kritiker und Zuschauer waren nach Sichtung größtenteils voll des Lobes, so dass sich Vaughn fast wie im Märchen gefühlt haben muss. Wahrscheinlich überkam den Regisseur ein ähnliches Gefühl, als vor Drehbeginn große Namen wie
Robert De Niro,
Peter O`Toole und
Michelle Pfeiffer zusagten, der Filmwerdung von Neil Gaimans „Märchen für Erwachsene“ beizuwohnen. Sie alle wurden an Bord versammelt, so dass das Produktionsstudio aufgrund der bisherigen Starbesetzung auch zuließ, die männliche Hauptrolle des Tristan mit einem bisher eher unbekannten Schauspieler namens
Charlie Cox zu besetzen. Nach Ansicht des Regisseurs wäre es der Geschichte nicht zugute gekommen, wenn ein Star vom Schlage eines Orlando Bloom – möglicherweise etwas entfremdet mit seltsamem Haarschnitt und dicker Brille – als Tristan gecastet worden wäre, da somit von vornherein klar gewesen wäre, wie der Hase läuft. Anders hier: Charlie Cox macht seine Sache ausnahmslos gut und spielt den abenteuerlustigen Tristan mit einer solchen Spielfreude, dass man den Schluss ziehen könnte, hier musste sich jemand gar nicht sonderlich viel verstellen.
Die mit
Claire Danes prominent besetzte zweite Hauptrolle ist überdies eines der vielen weiteren Glanzlichter (wie passend), die der Film bietet. Sie verleiht dem gefallenen Stern ein zutiefst menschliches, einfühlsames Gesicht, das hier und da mit leisem Humor überrascht. Überhaupt ist
„DER STERNWANDERER“ ein erfrischend lustiges, originelles Fantasymärchen, das all die umherwandernden fantastischen Elemente nicht ausschließlich zum Zwecke des Präsentierens von Schauwerten benutzt, sondern sie als etwas Alltägliches darstellt. Das hiermit einhergehende Skurrile ist somit völlig normal und wirkt – so man sich dieser Tatsache bewusst ist – niemals aufgesetzt oder grundlos übertrieben. Der Zuschauer lacht über den tuntigen Pirat in Gestalt des gestandenen Schauspielers Robert De Niro und schmunzelt während der Verjüngungsaktion der Hexe Lamia, die einfach mal völlig grundlos die Hüllen fallen lässt – auf dem Papier mag sich dies zurecht seltsam anhören, aber im Film passt es einfach. Genauso wie die in alten Geschichten so oft bemühte böse Königin vor den sprechenden Zauberspiegel. So sind sie eben, die Märchen. Fern ab aber vom Kitsch, der zeitweise einige Märchen heimsucht, kreierte Matthew Vaughn mit durchweg gelungenen Visual Effects seine eigene, mitunter sehr düstere Märchenwelt voller zauberhafter Charaktere und wundersamer Geschehnisse, teils sehr frei nach der von Neil Gaiman erdachten Geschichte, die geradewegs einem staubigen Märchenwälzer entsprungen sein könnte. So säumen Hexen, Einhörner, fliegende Piratenschiffe und Zauberpflanzen den langen Weg unseres Helden Tristan. Ein junger Mann, der sich aufmachte, die wahre Liebe zu finden.
„DER STERNWANDERER“, der trotz Märchenthematik eher ungeeignet für die ganz Kleinen ist, erweist sich im Ergebnis glücklicherweise wieder als erfrischend unterhaltsames Fantasyabenteuer, nachdem einige Produktionen in den letzten Jahren mehr enttäuschten denn begeisterten. Tolle Effekte gehen Hand in Hand mit tollen Schauspielern und einer nicht sonderlich komplizierten, dafür aber originell gestrickten Geschichte über Liebe, Heldenmut und Abenteuer. So schließt sich auch plötzlich der Kreis zum Anfang, denn während Take Thats „Rule the World“ den Abspann einläutet, kommt der Zuschauer nicht umhin, die eingangs erwähnte Ausnahme nickend zu bestätigen. Der märchenhaft schöne Film über einen hellen Stern, der auf die Erde kam, kann nämlich im Grunde nur eine einzige Wirkung hervorrufen, die so naheliegend wie ein
leuchtend ist: er lässt uns schlicht und ergreifend
strahlen.