In den großen Stadien hat er sich nie wohlgefühlt. Sieben Jahre nach dem ersten Album seiner Band explodierte seine Popularität plötzlich soweit, daß man ihn - als vergleichsweise alten Mann - zu MTV einludt, und er wußte gar nicht, was er da verloren hatte. Weil ihm das Rockstardasein völlig fremd war und er sich für ein solches auch gar nicht interessierte, legte er nicht nach, was man von ihm erwartete. Er produzierte und schrieb Songs für andere Musiker, nahm Countrymusik mit seinen Helden auf und zog mit Nebenprojekten durch kleine Clubs. Sechs Jahre nach dem Welterfolg von
Brothers in Arms nahm Mark Knopfler noch einmal ein Album mit seiner Band Dire Straits auf, aber
On Every Street enthielt keine Stadionsongs und keine opulente Produktion. Wenig später löste er die Band auf und konzentrierte sich auf das, was er am besten kann: in kleinen, roots-lastigen Songs lakonische Geschichten über das Leben der einfachen Leute zu erzählen. Und dazu seine Gitarre zu spielen. "Mark Knopfler hat die unwahrscheinliche Fähigkeit, einen Schecter Custom Stratocaster zum Heulen und Singen zu bringen wie Engel am Samstagabend, die vom Die-ganze-Woche-Gutsein erschöpft sind und ein ordentliches Bier brauchen", schrieb Douglas Adams schon 1984 über Knopfler.
Über die Jahre hinweg traf sich Knopfler immer wieder mit der Countrysängerin Emmylo
u Harris, und nach wenigen Treffen fingen beide schon an, Songs miteinander aufzunehmen. Erst 2006 aber setzten sie sich gezielt zusammen, um ihre Arbeit in ein Album zu bündeln. Knopfler hat ja im Laufe seiner Karriere immer wieder mit Country, Hillbilly, Blues und artverwandten Genres geflirtet, und so wurde
All the Roadrunning zur spannenden Gratwanderung zwischen seinem gewohnten Songwriting und den obenerwähnten Elementen, in der sich Knopflers und Harris' Stimmen problemlos ergänzten. Mit ihrer Musik sind die beiden dann auf Tour gegangen - und veröffentlichten nun eine dazugehörige Konzert-DVD. Und die ist so gelungen, daß wir die Ironie heute einfach mal abschalten.
Die Setlist des ungefähr 100-minütigen Konzerts setzt sich größtenteils aus Stücken der Knopfler/Harris-Kollaboration zusammen. Nur ein paar Mal wird der Blick zurück geworfen - zu den Dire Straits (u.a. "Romeo and Juliet") oder zum ersten Soloalbum ("Done With Bonaparte"). Die beiden Stars machen durchweg eine gute Figur auf der Bühne: Knopfler wie gehabt zurückhaltend und bescheiden; Emmylou mit ihren 59 Jahren immer noch eine schöne Frau von Eleganz und Klasse, was sich auch in ihrer Musik niederschlägt. Die Band - seinerzeit für Knopflers erstes Soloalbum zusammengestellt und seitdem mit geringen Variationen bei all seinen Projekten dabei - funktioniert als Einheit so gut, daß man die einzelnen Musiker gar nicht wahrnimmt: Sie betten jeden Song passend ein und sind der perfekte Teppich, auf dem Knopfler und Harris durch ihre Geschichten wandern.
Natürlich ist die Musik - wie wir das von Knopfler gewohnt sind - sehr unaufdringlich, leise, oft bedächtig. Und wie es von einer solchen Zusammenarbeit zu erwarten war, übersteigt der Country-Quotient bei weitem das, was der gemeine Alt-Cash-Hörer noch als "cool" empfindet. Will heißen: Man muß schon einen wirklichen Draht zu dieser uramerikanischen musikalischen Erzählform haben, die ja den Kitsch mitunter nicht scheut und gerne - und das ist kein Widerspruch - im Einfachen und Geradlinigen schwelgt. Die obengenannten Qualitäten (im Sinne von: Eigenschaften) der Musik bedeuten aber auch, daß das Konzert visuell keine Aufreger zu bieten hat. Regisseur Martyn Atkins (der schon Musikvideos für Johnny Cash und Depeche Mode sowie Konzertfilme von Eric Clapton und Sheryl Crow drehte) findet den richtigen Rhythmus für die Musik, kann aber freilich keine Wunder vollbringen. Weitaus aufregender ist der Ton, der glasklar und einwandfrei eingefangen wurde: So gut klingt nicht mal jede Studioaufnahme.
Der DVD liegt eine Audio-CD dabei, die in abgespeckter Form dasselbe Konzert beinhaltet, aber mit einem Bonustrack ("All That Matters") aufwarten kann. Viele Highlights des Auftrittes - Knopflers staubtrockener Blues "Song for Sonny Liston" oder die Soldatenmär "Done With Bonaparte" - fehlen leider auf der CD, aber es sind auch hier genug spannende Momente enthalten: Die Band, die zu "Speedway at Nazareth" in einem dynamisch-spannenden Aufbau in den Vordergrund treten kann, oder die Fassung von "Romeo und Juliet", die mit Knopflers gealterter Stimme zur lakonischen Reminiszenz wird. Wer Knopfler und Harris über ihre Songs sprechen hören will, kann sich auf der DVD noch ein Interview ansehen, das beide als intelligente Songwriter präsentiert, aber leider zu kurz und zu promotionbetont geraten ist: Es ist eigentlich ein Werbeclip für die Studio-CD.
So. Genug der Begeisterung. Ab sofort wird wieder scharf geschossen. Paßt nur auf!