Change your fate.
Pixar bürgt für Qualität. Das am 9. Dezember 1985 gegründete Studio, das anfangs noch mit Kurzfilmen für Furore sorgte, überzeugte spätestens mit seinen animierten Langfilmen auch die härtesten Kritiker. Immer liebevoll, immer technisch brillant erzählen die
Pixar-Masterminds nun schon seit fast 30 Jahren Geschichten aus aller Welt, die berühren, die mitreißen und das Herz jedes Mal am rechten Fleck tragen. Selbst als der damalige Co-Partner
Disney das Studio Anfang 2006 kurzerhand für 7,4 Milliarden Dollar übernahm, was ob der vermuteten Qualitätseinbußen einen kurzzeitigen Aufschrei in der Fangemeinde evozierte, ließ sich
Pixar nicht von seiner Erfolgsspur abbringen und lieferte im Gegenteil mit „
Ratatouille“ [2007] und „
WALL·E“ [2008] zwei weitere Meisterwerke in Folge ab. Höchstens in einem Punkt zeigt sich dann heute aber doch ein klein wenig Einfluss seitens des Mauskonzerns. Denn mit seinem 13. Animationsfilm
„MERIDA – LEGENDE DER HIGHLANDS“ (im Original kurz und knackig
„Brave“ betitelt) wagt sich das preisgekrönte Studio auf für
Disney zwar bekanntes, für
Pixar aber gänzlich neues Terrain. Warum? Weil es sich diesmal um eine wackere Heldin aus den schottischen Highlands d
reht, die sich in einem packend-herzigen Mutter-Tochter-Abenteuer ihrem eigenen Schicksal stellen muss.
Die Tochter des Königs von Schottland (Originalstimme: Billy Connolly) tanzt ein wenig aus der Reihe. Sehr zum Leidwesen ihrer herrischen Mutter Elinor (Emma Thompson), die sie am liebsten sofort verheiratet sehen möchte. Denn anstatt ein Leben nach den Regeln der Etiquette zu führen, streift die junge Merida (Kelly Macdonald) tagein, tagaus durch die heimischen Wälder, um ihre Fähigkeiten als Bogenschützin zu verfeinern. Da kann auch ein schnell von ihrer Mutter anberaumtes Turnier, dessen Sieger der künftige Mann an Meridas Seite sein soll, nichts ändern: Die junge Frau deklassiert kurzerhand alle potentiellen Ehe-Anwärter, als wenn es das Leichteste auf der Welt wäre. Es kommt zum unvermeidlichen Streit zwischen Mutter und Tochter, der Meridas frommen Wunsch, das Wesen ihrer Mutter eines Tages grundlegend verändern zu können, von Neuem befeuert. Wie passend, dass sie in den Wäldern auf eine seltsame alte Frau trifft, die ihr scheinbar genau dies geben kann. Doch die dunklen Mächte, die hier am Werk sind, machen Meridas Beziehung zur Mutter in der Folge keinesfalls leichter...
Eines sticht bei
„MERIDA - LEGENDE DER HIGHLANDS“ bereits in den ersten Sekunden ins Auge: Die Detailverliebtheit des neuesten
Pixar-Werkes stellt alles, was man bisher in Animationsfilmen gesehen hat, locker in den Schatten. Selten zuvor wurden Landschaften derart lebendig, echt und fotorealistisch am Rechner geschaffen wie hier. Mit gespielter Leichtigkeit beweisen die Pixel-Künstler wieder einmal aufs Neue, dass im heiß umkämpften Animationsgenre derzeit kein Weg an ihnen vorbeiführt. Ohne Übertreibung sind die optischen Schauwerte des Films sogar so gut, dass es im Grunde kein 3D benötigt, um in die schottischen Highlands einzutauchen. Im Gegenteil: Die Konvertierung in die dritte Dimension ist wie bei den meisten animierten Filmen zwar sehr solide umgesetzt worden, jedoch ist echte Tiefenwirkung nur selten erkennbar. Keine Frage: Einen Mehrwert bietet das 3D wahrlich nicht. Denn es ist – wie eigentlich bei jedem
Pixar-Film – nicht die optische Brillanz, sondern die zugrundeliegende Geschichte, auf die es hier wirklich ankommt. Und diese kann sich, wenn auch mit einigen wenigen Abstrichen auf hohem Niveau, durchaus sehen lassen.
Aus einer Mutter-Tochter-Beziehung der schottischen Art destilliert
Pixar wichtige Themen wie Zusammenhalt, Freundschaft und Verantwortung heraus, um aus ihnen eine märchenhaft-mystische Parabel auf die Ergreifung des eigenen Schicksals zu kreieren. Das gelingt zum Großteil auch sehr gut, obwohl der Gedanke
„Be brave, be strong“ gerade gegen Ende ein wenig zu dominant über dem Geschehen steht. Dies ist sicherlich Geschmackssache, doch da der Zuschauer ansonsten eher auf subtiler Ebene berührt wurde, ist die Einhämmerung der Moral mit dem Holzhammer zumindest für kurze Zeit ein wenig gewöhnungsbedürftig, weil eigentlich
Pixar-unüblich. Aber
„MERIDA - LEGENDE DER HIGHLANDS“ besitzt als Kompensation für diesen kleinen Fehltritt – man erinnere sich zum Vergleich an die bloße Pflichtübung „Cars 2“ [2011], der nicht einmal die Kritiker wohlgesonnen waren – immer noch mehr Charme und clevere Einfälle als die meisten Fließband-Animationswerke der Neuzeit. Der Grund ist ein ganz einfacher:
Pixar nimmt in seinem 13. Langfilm, der sich wieder einer Originalgeschichte zuwendet, ausnahmslos alle Charaktere ernst und geht sogar soweit, ungewohnte Wege einzuschlagen. Als sollte das Schicksal geradezu provoziert werden.
Damit ist nicht einmal zwangsläufig die Zentrierung auf eine weibliche Hauptperson gemeint, sondern eher der Umstand, dass sich das Geschehen mit den schottischen Highlands an einem wahrlich märchenhaft anmutenden Ort abspielt. Und aus ebensolchen erwachsen nunmal die besten Geschichten. Auch wenn Einiges vertraut vorkommt, sind Meridas Abenteuer ein erstaunlich erwachsener, düsterer, gleichwohl humorvoller Ausflug vom Gewohnten, dem man eine teils konventionellere Herangehensweise schlichtweg verzeiht. Denn wenn die Charaktere beispielsweise mit herrlichstem Akzent, der in der deutschen Fassung wohl leider fehlen wird, ihre Probleme austragen und manch einer dabei das Gegenüber gar nicht versteht, weil es nichts zu verstehen gibt, dann macht das einfach einen Heidenspaß, der mit Sprechern wie
Emma Thompson und
Robbie Coltrane hervorragendst besetzt ist. Gerade in der Originalversion tragen die Stimmen sehr zur (dann unverwechselbaren) Atmosphäre des Films bei und sorgen maßgeblich dafür, dass sich auch dieses
Pixar-Werk trotz einiger Abzüge in der B-Note weit über dem bloßen Durchschnitt ansiedelt.
Fazit: „MERIDA - LEGENDE DER HIGHLANDS“ ist nach „
Toy Story 3“ [2010] und „Cars 2“ [2011] wieder ein
Pixar-Film, der nicht auf einem Vorgängerfilm aufbaut, und das spürt man. Die liebevoll erzählte Mutter-Tochter-Geschichte, die es erstaunlich gut versteht, echte Gefühle zu vermitteln, rückt solche Werte wie 'Verantwortung für das eigene Schicksal zu übernehmen, ohne aber seine Mitmenschen zu vernachlässigen' in den dreidimensionalen Vordergrund und präsentiert beiläufig eine der toughsten Heldinnen in der
Disney- beziehungsweise die
erste Heldin in der
Pixar-Historie. Angereichert mit dem typischen
Pixar-Charme, wäre auch dieses tadellos animierte Werk im Grunde über jeden Zweifel erhaben. Aber es lässt sich leider nicht verleugnen, dass die immens hohen Erwartungen diesmal vielleicht nicht ganz erfüllt werden konnten. Warum? Weil die magischen Momente, jene Zwischentöne, die zuletzt etwa „
Oben“ [2009] zur tragisch-rührenden Glanzleistung reifen ließen, ein wenig rar gesät sind. Nichtsdestotrotz:
Pixar ist wieder da und (zumindest in technischer Hinsicht) gut wie eh und je. Aber das weitere, im Vorfeld vermutete Meisterwerk bleiben uns die Animationskünstler mit ihrem 13. Langfilm leider schuldig. Das nennt man dann wohl, ganz im Sinne des Films, Schicksal...