Italien, das Eldorado des 70er- und 80er-Schundfilms. Jeder, der gerade eine Kamera zur Hand hat, schnappt sich dieselbe und tauscht den Inhalt seines mageren Sparschweins gegen ein paar Eimer Gedärme und Liter von Kunstblut - fertig ist das nächste Horrormeisterwerk! Unzählige Zombie- und etwas weniger Kannibalenfilme werden auf die hilflose Menschheit losgelassen. Das geht doch nicht, denkt sich da ein gar pfiffiger Drehbuchautor: Etwas neues muss her! Etwas noch nie da gewesenes! Eine Innovation! Kein Zombiefilm, kein Kannibalenfilm - Nein: Ein Zombie-
und Kannibalenfilm! Nachdem sich der begeisterte Drehbuchautor von seiner schreiberischen Ekstase erholt hat, blickt er auf die 2 1/2 Seiten Papier vor sich und weiß: Es wird ein Meisterwerk! Das denkt sich auch der gebürtige *hüstel* Amerikaner *hust* Frank Martin *keuch*, der manchmal, wenn keiner hinguckt, auch Marino Girolami heißt, und entschließt sich, dieser filmischen Vision sein Talent zu schenken. Unter seiner Regie erblickt ein Schocker das Licht der Welt, dessen geradezu schamlos einfallsreicher Name allein die stärksten Nerven erzittern lässt:
Zombi Holocaust!
In einem New Yorker Krankenhaus trägt sich gar Schröckliches zu: Ein geistig leicht Derangierter streift durch die Pathologie und stellt sich seine eigene kleine Sammlung von Leichenteilen zusammen. Ist es erst noch eine Hand, verabschieden sich schließlich ganze Herzen aus den Körpern der Verstorbenen. Der zuständige Professor spricht ratlos zu seiner Assistentin Lori (da die deutsche Tonspur (nicht nur) in dieser Szene offensichtlich mit neuem Script miserabelst nachsynchronisiert wurde, auf englisch):
Frankly, I don't understand - something like this would make sense in a society of primitive savages, but today in New York City?
-But doctor, do you really think we're that much different from savages?
I don't know, Lori...
Lori ist nicht nur medizinisch tätig, sondern auch Anthropologin und überhaupt unglaublich intelligent. Um dem Zuschauer ja auch keine ihrer zahlreichen Gaben vorzuenthalten, zieht sie sich, kaum in ihrer Wohnung angekommen, erst einmal bis auf ihren BH aus. Man hat ohnehin das Gefühl, dass mit der Zunahme der verstrichenen Filmminuten die Anzahl der Textilien auf ihrer Haut merklich abnimmt. Die Gute wandert jedenfalls, jetzt mit einem Seidenumhang bekleidet, durch ihre Wohnung und entdeckt in ihrem Kühlschrank plötzlich - Kamerazoom, Synthie-Heulen - ein Stück Fleisch (ja, ein stinknormales Stück Fleisch)! Sie erschrickt sich gar fürchterlich, wahrscheinlich, weil sie Vegetarierin ist. Während sich der Zuschauer sich noch den Kopf über die Bedeutung der letzten Szene zerbricht, klingelt schon eine Reporterin und erkundigt sich bei der wieder völlig ruhigen Lori merklich interessiert nach den seltsamen Vorfällen im Krankenhaus. Nach ein wenig Zickenterror und ungemein frostigen Blicken bugsiert Lori die allzu Investigative nach draußen.
Dann bedrohliches Synthie-Pumpen, ein dunkler Krankenhausflur, leise voranschreitende Beine in Schlaghosen - der Bösewicht ist wieder unterwegs! Er entnimmt einer weiteren Leiche das Herz und will gerade genüsslich hineinbeißen, als *zack* das Licht angeht und *zack* der Prof ihn bereits fest im Griff hat. Es ist ein Krankenpfleger, der aus Südostasien stammt! Die Leiche erschrickt sich dermaßen, dass sie kurz blinzeln muss, da wählt der Gefasste auch schon den Fluchtweg durch's Fenster, das sich leider doch einige Meter über dem Erdboden befindet. Er segelt in Zeitlupe durch die Luft und verliert beim Aufprall seinen Arm - das kann schon mal passieren, wenn Puppen aus einer derartigen Höhe auf Beton aufprallen. Aber weil der Krankenpfleger ja keine Puppe ist, sitzt der Arm in der nächsten Szene auch wieder an Ort und Stelle. Die zur Hilfe Eilenden kommen zu spät, der Kannibale (huch! Habe ich Kannibale gesagt? Ach, jetzt hab ich alles verraten...) segnet gurgelnd das Zeitliche, nachdem er noch die Worte "Quitu hat es befohlen!" ausgestoßen hat
Dr. Chandler vom "Gesundheitsdepartment des FBI" (was es nicht alles gibt), der wie Roger Moore aussieht und wie Sean Connery klingt (genauer gesagt wie dessen wunderbare deutsche Synchronstimme, weshalb jetzt auch flugs zu ebendieser Tonspur zurückgewechselt wird), schaltet sich ein und stellt mit Hilfe der Gehirnakrobatin Lori in einem meisterhaft geschriebenen Dialog schnell fest, dass man wohl auf der Inselgruppe der Molukken den Ursprung des ganzen Schlamassels finden könnte.
Wissen Sie, ob auf den Molukken noch Kannibalismus praktiziert wird?
-Ach, der findet sich bei allen Primitiven!
Na, dann nix wie hin! Flugs stellt Chandler ein Expeditionsteam von geeigneten *ähem* Experten zusammen - das sind er selbst, sein Assistent George, Lori und *tusch* die vorher so geschickt in die Story eingeführte Reporterin namens Susan. Warum die mitkommt? Weil sie Georges Freundin ist. Die Auswahlkriterien des FBI sind schon streng. Als man dann endlich im tropischen Dickicht angekommen ist, tauchen auch schon bald die ersten Kannibalen auf, hüpfen wild umher und stoßen merkwürdige Geräusche aus - ganz realistisch also. Erst werden nur die Träger der Ausrüstung vernascht, dann geht es auch langsam den ehrenwerten Weißen an den Kragen; George wird zerlegt, Susan entführt - diese einheimischen Biester haben einfach keinen Respekt vor der zivilisierten Welt.
Es kommen immer mehr - da muss irgendwo ein Nest sein!
Wenn der Film nicht so äußerst unbeholfen und komisch daherkäme, könnte man ihn glatt für ideologisch bedenklich halten. Ähm, nun ja, zurück zur ... ... ... Handlung: Als es gerade auch unserem Protagonistenpärchen, Peter und Lori, an den Kragen geht, tauchen mit einem Mal Zombies auf. Zumindest könnte man sie so nennen, wenn man meint, dass Statisten mit zwei Kilo Matsch im Gesicht nach Untoten aussehen. Die 2,5 Zombies jedenfalls, die aus dem Gebüsch aufgetaucht sind, verscheuchen die geschätzten 20 Eingeborenen und lösen sich dann in Luft auf. Viel mehr sieht man von ihnen in diesem Film nicht. Gefährlich werden sie kein einziges Mal und ihre Haupttätigkeit scheint darin zu bestehen, umher zu schlurfen, in Basslage zu stöhnen und dann und wann sinister aus dem Dickicht hervor zu blicken. Irgendwie muss man den Filmtitel ja rechtfertigen, hat sich der Drehbuchschreiber wohl gedacht. Dafür an dieser Stelle einen herzlichen Glückwunsch.
Peter und Lori haben sich derweil zum mysteriösen Dr. O'Brien durchgeschlagen, der zwischen Zombies und Kannibalen in einem alten Missionshaus (wie auch immer das dahin gekommen ist) kampiert und offensichtlich hinter all dem Übel steht, wie Peter recht bald ahnt.
Diese Insel birgt ein schreckliches Geheimnis, furchtbarer als alle Kannibalen zusammen.
-Glaubst Du, dass diese monströsen Ungeheuer, deren Auftauchen uns das Leben gerettet hat, damit was zu tun haben?
Kann sein. Denkbar wäre es.
Recht haben sie! Nicht nur, dass ein Zombie die beiden im Auftrag von O'Brien anfällt, allerdings, bevor er auch nur irgendetwas ausrichten kann (denn Zombies dürfen hier einfach nicht zum Zuge kommen), fachgerecht von einem Bootsmotor eine intenisve Gesichtsmassage verpasst bekommt, nein, bald sehen wir, was der finstere mad scientist so treibt, wenn er alleine ist. Allein? Muhahah, oh nein, denn vor ihm auf dem Operationstisch liegt Susan. Wie die von den Kannibalen zu O'Brien gelangt ist, ist sowieso zweitrangig, denn der böse Onkel Doktor hat sie skalpiert und noch einiges mehr mit ihr vor. Susan quittiert das mit lautem Geschrei, was den Doc gar nicht amüsiert.
Jetzt stört mich Dein Gebrüll nicht mehr bei der Arbeit, ich habe Deine Stimmbänder durchtrennt!
Ich bin der einzige Chirurg der Welt, der diese Operation ausführt. Dieser junge Mann ist seit 11 Tagen klinisch tot. Ich werde nun Dein Hirn in seinen Schädel transplantieren, um ihn dadurch wieder zu beleben. Du brauchst keine Angst zu haben - Du wirst weiterleben wie all die anderen, die schon von mir erschaffen wurden und die Wissenschaft wird Dir ewig dankbar sein!
Nach dieser unglaublichen Enthüllung findet die Story natürlich noch das Ende, das sie verdient hat, aber das sei dem von der überlangen Inhaltsbeschreibung bereits halb weggedösten Leser erspart. Kommen wir also zum Fazit: Eine Story, die man bestenfalls als hanebüchen bezeichnen könnte, grenzdebile Dialoge und Effekte und Masken, die jederzeit als solche zu erkennen sind. Dazu ein hohes Erzähltempo, eine Vielzahl saftiger Goreszenen und eine naiv-ernste, leicht muffige Atmosphäre, wie man sie heutzutage nicht mehr finden kann - kurz, ein billiges, aber kurzweiliges Kannibalenfilmchen mal ohne Tiersnuff, das immerhin den wohlmeinenden Blick eines Trashliebhabers wert ist.
Ach ja, wer sich den Film über wundert, ein Déjà Vu nach dem anderen zu erleben, weil ihm die gesamten Sets und einige Schauspieler so bekannt vorkommen: Er hat wohl Fulcis
Woodoo gesehen, nach dessen Drehschluss einfach an Ort und Stelle weitergefilmt wurde -
Zombi Holocaust entstand.