Auch wenn die ganz große Neuentwicklung am Ende ausblieb, geriet „
The Amazing Spider-Man“ vor zwei Jahren trotz allem zu einem effektvoll-gelungenen Blockbuster, der gekonnt die Balance zwischen aufwendigen Actionsequenzen und den leisen, zwischenmenschlichen Tönen zu halten wusste. Was auch zu einem beträchtlichen Teil an Neu-Spider-Man
Andrew Garfield („
The Social Network“ [2010]) und seiner gelungenen Interpretation des arachnoiden Schülers Peter Parker lag. Ohne Tobey Maguires Leistung in den drei vorangegangenen Sam Raimi-Vehikeln (unsere Kritiken:
Teil 1,
Teil 2 und
Teil 3) auch nur annähernd schmälern zu wollen, aber Andrew Garfield nahm man den schüchtern-charmanten Teenager von Anfang an eher ab (und das, obwohl er zu Drehbeginn des Reboots bereits älter war als Maguire bei seinem Einstand).
Demzufolge wich die anfängliche Skepsis, ob dieses schnelle Reboot der Reihe wirklich sein musste, bald schon der Erkenntnis, dass es zwar nicht unbedingt überlebenswichtige Funktionen erfüllt, als Wegbereiter einer neuen Reihe aber durchaus seine Daseinsberechtigung besitzt. Denn Potential für mehr wies der Film bei aller berechtigter Kritik auf
. Somit dürften viele Kinogänger die diese Woche anlaufende Fortsetzung mit gespannter Erwartung betrachten. Denn ob
„THE AMAZING SPIDER-MAN 2: RISE OF ELECTRO“ am Ende wirklich ein „Mehr“ zu präsentieren weiß, hat nichts mit Superkräften oder Ähnlichen zu tun, sondern einzig und allein mit der Qualität des Films. Und diese ist, soviel sei bereits vorab verraten, von teils zwiespältiger Natur. Und das im wortwörtlichen Sinne.
Das Leben als Spider-Man hat durchaus seine Vorzüge. So genießt unsere freundliche Spinne aus der Nachbarschaft (Andrew Garfield) es, sich halsbrecherisch zwischen den Wolkenkratzern New Yorks hin und her zu schwingen und den Bewohnern der Stadt zu helfen. Doch ein dunkler Schatten weicht nicht von seiner Seite: das Wissen, dass er damit auch immer seine Freundin Gwen (Emma Stone) mehr in das Geschehen mit einbezieht, als er es ihrem verblichenen Vater einst versprochen hat. Aber ein Spider-Man ist unter seiner Maske halt immer noch der Mensch Peter Parker, mit allen Ecken und Kanten, und als solcher gewiss nicht immun gegen die Macht der Liebe. Dass mit Electro (Jamie Foxx) eines Tages auch noch ein Gegner auf der Matte steht, der so viel mächtiger als unser Held daherkommt, macht die Sache nicht unbedingt einfacher. Erst als ein alter Freund aus vergangenen Tagen (Dane DeHaan) auftaucht, erkennt Peter allmählich, dass seine Feinde alle etwas gemeinsam zu haben scheinen. Doch diese Erkenntnis kommt womöglich zu spät, um das immer mehr aus den Fugen geratene Leben des Helden wieder in die Spur zu bringen.
Spektakuläre Flug-Sequenzen, fantastische (3D-)Effekte und eine auf den Punkt gebrachte Geschichte, die dieses Mal wirklich hält, was sie im Vorfeld versprochen hat: Die Macher von
„THE AMAZING SPIDER-MAN 2: RISE OF ELECTRO“ scheinen sich die Kritik am Vorgänger zu Herzen genommen haben und beweisen bereits in den ersten Minuten, in denen sich Spider-Man mit einem herrlich auf Krawall gebürsteten
Paul Giamatti („
Rock of Ages“ [2012]) eine actiongeladene Verfolgungsjagd in den Straßen von New York liefert, dass im Folgenden wohl eher nicht gekleckert, sondern vielmehr geklotzt werden wird. Und so darf sich Spider-Man in diesem Abenteuer auch gleich mit drei menschlichen Gegnern (und einem inneren Dämon des Zweifels) herumschlagen. Wer jetzt womöglich eine krasse Gegner-Übersättigung wie in „Spider-Man 3“ befürchtet, die viel aufbot, ihre Antagonisten aber zum Leidwesen der Fans eher lieblos-stiefmütterlich behandelte, darf erst einmal aufatmen. Der Gegner-Fokus liegt deutlich auf der Entstehungsgeschichte von Electro, wie auch der Filmtitel andeutet. Green Goblin und Rhino hingegen haben eher kurze Auftritte, die nicht den Eindruck erwecken, als wären sie nur dazu da, um zu demonstrieren, dass man im Grunde niemals genug Gegner in einer Superhelden-Verfilmung aufbieten kann. Zudem ordnen sich diese Momente für einen aufwendigen Action-Blockbuster dieser Art jedes Mal erstaunlich feinfühlig dem Fokus der emotionalen Geschichte über Liebe, Bestimmung und Verantwortung unter und wirken dadurch niemals wirklich deplatziert.
Es ist eine Geschichte, die sich trotz einiger Freiheiten gegenüber der Comics recht nahe an der Vorlage hält und der ihre Charaktere, vor allem der titelgebende Held, mehr als wichtig sind. So entspinnt Regisseur Webb mitsamt seinen drei Drehbuchautoren unter dem Deckmantel eines Blockbusters eine berührende Geschichte über einen Helden und seine Liebe(n), über einen trotz allem ganz normalen Menschen, der nach außen hin unverwundbar erscheint, im Innern jedoch immer häufiger an den Problemen zerbricht, die sich ihm in den Weg des Lebens stellen. Andrew Garfield und
Emma Stone („
The Help“ [2011]) brillieren hier einmal mehr als Liebespaar der besonderen Sorte, das seinen Alltag mit den Rechten und Pflichten eines Superhelden in Einklang zu bringen versucht. Was gar nicht so einfach ist, wie sich noch zeigen soll. Denn spätestens mit dem Auftauchen des von eigenen Problemen geplagten
Dane DeHaan („
The Place Beyond the Pines“), dessen spätere Verwandlung der geneigte Comicfan gewiss schon kennt, sind die Sorgen, die durch
Jamie Foxx' („Ray“ [2004]) versiert verkörpertes Alter Ego Electro begannen, auf dem absoluten Höhepunkt. Ausladende Kämpfe konkurrieren fortwährend mit der durcheinandergewirbelten Gefühlswelt des berühmten
Marvel-Helden um die alleinige Schirmherrschaft in diesem Film, was teils in einem geregelten Miteinander resultiert, mitunter aber auch leider zu derjenigen Seite ausschlägt, die nur wenig mit Feingefühl und Herzensangelegenheiten zu tun hat.
Der Film möchte zwar am liebsten alles auf einmal sein, homogen und kohärent, verspinnt sich dummerweise aber selbst hier und da in seinen ausufernden und nicht gerade rar gesäten Actionsequenzen, die durch den repetitiven Einsatz von Zeitlupen-Einstellungen das Hauptaugenmerk ganz bewusst und allzu offensichtlich auf den reinen Effekt als solchen fokussieren. Auch wenn dieser bei einem geschätzten Budget von 200 Millionen US-Dollar jederzeit fantastisch aussieht – er reduziert leider einen an sich sehr sorgfältig ausgearbeiteten Film mit spannender Ausgangslage und einer sich kontinuierlich zuspitzenden (Liebes-)Geschichte im selben Atemzug immer wieder auf ein bloßes Schauwerte-Stelldichein, das durch den gewöhnungsbedürftig-innovativen Score von
Hans Zimmer („
Inception“ [2010]) und seinen
Magnificent Six auch noch absolut gnadenlos in den Sehnerv des Zuschauers gehämmert wird. Zurück bleibt ein Augenwisch-Spektakel sondergleichen, das die Errungenschaften der 3D-Technik weitestgehend als ein bloßes Gimmick für optische Spielereien versteht. Man staunt, man hält den Atem an – doch der erste Moment schierer Begeisterung weicht bald der Ernüchterung, da bis auf wenige Ausnahmen der Wow-Faktor keine richtige Ästhetik zu entfalten weiß. Alles ist nur noch größer, lauter, schneller, weshalb sich das grundsolide, emotionale Drumherum zumeist nicht so recht ins zweieinhalbstündige Gesamtgefüge, das einfach nicht zur Ruhe kommen will, einzugliedern vermag. Spider-Man verfängt sich so mitsamt seinen zuvor präzise herausgearbeiteten Zweifeln und Gewissensbissen im eigens gesponnenen Action-Netz.
Ja, lautet dennoch die Antwort auf die eingangs gestellte Frage:
„THE AMAZING SPIDER-MAN 2: RISE OF ELECTRO“ bietet zweifellos mehr als sein Vorgänger: Ein Mehr an Laufzeit, Action, Gegnern und zugrundeliegender Geschichte. Jedoch schafft es der Film nicht immer, diese begrüßenswerte Steigerung in allen Belangen in einen einheitlichen Fluss zu bringen. Dies lässt ihn, wenn auch auf sehr hohem Niveau, gegenüber seinem direkten Vorgänger an Boden verlieren. Gleichzeitig beweist uns Webbs Film aber auch, dass dem Motto „Weniger ist mehr“ im Superhelden-Genre eine nicht zu unterschätzende Relevanz zukommt. Denn aus großer Kraft folgt anscheinend wirklich große Verantwortung – für das nämlich, was
wirklich zählt im Helden-Leben. Es sind dies nicht etwa die Kämpfe gegen das Böse dieser Welt, sondern die kleinen, alltäglichen Momente, die bitte auch vor einem vielbeschäftigten Spinnenmann aus dem Hause
Marvel nicht zurückschrecken dürfen. Vielleicht berücksichtigt unsere freundliche Spinne aus der Nachbarschaft diesen Punkt ja im bestätigten dritten Anlauf.
Cover & Szenenbilder: © 2014 Sony Pictures Releasing GmbH