von Asokan Nirmalarajah
(95) Minutes of Summer. Alles hat ein Ende. Das gilt auch für diesen amüsanten, recht charmanten, durchweg gefälligen Film über eine Romanze, die genau 500 Tage dauert. Doch, versichert uns eine ironisch gefärbte, altkluge Erzählerstimme aus dem Off, die sich im Folgenden dankenswerterweise immer seltener zu Wort melden wird: „you should know up front, this is not a love story.“
(500) Days of Summer (2009), das bereits mit allerlei Vorschusslorbeeren gesegnete Spielfilmdebüt des Musikvideo-Regisseurs Marc Webb ist also eine pfiffig erzählte Geschichte über eine Liebesbeziehung, die keine Liebesgeschichte sein will, eine bittersüße Romantik-Komödie, die nicht einfach nur abwechselnd komisch und romantisch sein will. Immerhin handelt der Film ja auch von einer modernen Bindung zwischen einem jungen Mann und einer jungen Frau der Internet-geschädigten Generation Y, die sich den ganzen Film hindurch vor Bezeichnungen wie „Romanze“, „Beziehung“ oder „Paar“ sträubt und sich wenn überhaupt nur als „Freundschaft“ (mit Gelegenheitssex) versteht. Und schließlich will ein sich so ambitioniert und einfallsreich präsentierender, aber letztlich doch hoffnungslos konventioneller Film wie
(500) Days of Summer nicht in derselben Genre-Kategorie geführt werden, in der im se
lben Kinosommer ausnehmend schwache Hollywood-Romantikkomödien wie
Ghosts of Girlfriends Past (2009; dt. Titel:
Der Womanizer),
The Proposal (2009; dt. Titel:
Selbst ist die Braut) und
The Ugly Truth (2009; dt. Titel:
Die nackte Wahrheit) den Weg ins Kino fanden.
(15). Das recht clevere Erzählprinzip des Films, wie es spätestens nach den ersten 15 Minuten des Films selbst zum begriffsstutzigsten Zuschauer durchgesickert sein müsste, gestaltet sich so, dass das Publikum die 500 Tage, die mit der ersten Begegnung des Protagonisten Tom Hansen (Joseph-Gordon Levitt) mit der titelgebenden Summer Finn (Zooey Deschanel) beginnen und mit ihrer letzten Begegnung enden, nicht chronologisch zu sehen bekommt, sondern bunt durcheinander gewürfelt. Das heißt: Der Film springt mal emotional, mal thematisch, mal dramaturgisch motiviert oder auch ganz willkürlich – wenn auch nie so willkürlich wie ein Film wie etwa
21 Grams (2003) – von einem zum anderen Tag innerhalb dieser 500 Summer-Tage und zeigt so in rascher Abfolge die Höhen, Tiefen und Verwirrungen in den Gefühlen Toms für Summer. Was Summer für Tom empfindet bleibt dem Zuschauer allerdings größtenteils verborgen, ist dieser Film, geschrieben und inszeniert von drei Männern, die ihren Film auch mit einer halb-ernsten Widmung an eine pseudo-reale Verflossene beginnen, doch komplett aus der Sicht eines Mannes erzählt, der den ganzen Film hindurch damit beschäftigt ist, das weibliche Mysterium „Summer Finn“ zu entschlüsseln. Dabei fängt alles so harmlos an: Tom, ein Autor für Glückwunschkarten mit Architekturträumen, verliebt sich auf dem ersten Blick in die neue Büroangestellte, die süße Summer und vermag sie nach mehreren Anlaufversuchen sogar für sich zu gewinnen. Doch die eigenwillige Summer glaubt nicht an die Liebe und will nur eine gute Zeit mit ihm verbringen, worauf sich Tom zwar zunächst einlässt, aber im Laufe der Beziehung nicht ganz mit seinen romantischen Vorstellungen vereinbaren kann…
(39½). Als ein Film über das schmerzhafte Ende einer Beziehung kommt auch
(500) Days of Summer nicht umhin an den Klassiker unter den Beziehungsfilmen, Woody Allens
Annie Hall (1977) zu erinnern. Selbst die Erzählstruktur des Films imitiert etwas jene retrospektive Nabelschau von Alvy Singer über seine Beziehung mit Annie Hall. Hier wie dort sehen wir die Achterbahnfahrt der Gefühle hauptsächlich aus der Sicht des Mannes, der hier ungleich sensibler und emotionaler daherkommt als die pragmatische, abgeklärte Frau – nicht ohne Grund vergleicht Summer ihn mal mit Goethes Romanfigur Werther, mal mit Nancy und sich mit Sid von den Sex Pistols (siehe das Promotion-Bild Nr. 9, das so im Film nicht zu sehen ist). Diese persönlichen Dynamiken zwischen den zwei Hauptfiguren erlauben mitunter wunderbare Momente, wie etwa eine Sequenz, die den Morgen nach der ersten gemeinsamen Nacht plötzlich zu einer regelrechten Musical-Nummer explodieren lässt, aber nicht Summer ins Zentrum stellt, sondern Tom, der freudestrahlend sein Liebesglück in eine Tanzdarbietung samt animiertem Vogel verwandelt.
(87). Oder wir erleben wie Tom voller Hoffnung einer Wiederbegegnung mit seiner Verflossenen entgegenfiebert und wie sich sein imaginiertes Szenario subtil, aber schmerzhaft von den realen Vorgängen via Splitscreen-Gegenüberstellung unterscheidet. Und schmunzeln müssen wir, wenn er sich in Beziehungsfragen an seine 12jährige Schwester wendet, die sich als weit abgeklärter entpuppt als er. Tatsächlich sind alle Männer im Film – die nicht ausreichend entwickelten besten Freunde Toms sind überhaupt das schwächste Glied des gesamten Films, der gerade in seiner Figurenzeichnung etwas zu sehr schlampt – die gewohnten Kindsköpfe und die Frauen die abgeklärten Liebesveteranen. So ganz klischeefrei ist der Film dann also auch nicht. Darüber hinweg hilft aber die solide Besetzung, vor allem der unglaublich charismatische und talentierte Joseph Gordon-Levitt, der in hochambitionierten Independentfilmen wie
Mysterious Skin (2004) und
Brick (2005) brilliert hat und hier seiner hoffnungslos pathetischen Figur viel Komik und Identifikationsfläche abringen kann. Zooey Deschanel spielt dagegen nur eine weitere Variation ihrer patentierten schrullig-süß-seltsamen Zooey-Deschanel-Filmpersönlichkeit, wenn auch wesentlich effektiver als in ihren bisherigen Filmen.
(1) Minute of ...? Ob
(500) Days of Summer einen zweiten Blick rechtfertigt sei mal dahingestellt, denn auch wenn der Film zwischen plumbem Klamauk und geistreichem Witz pendelt, viele seiner frühen Szenen verschenkt und zwischendurch sich immer mal wieder verwirrt, um dann wieder mit einer cleveren Szene zurück auf den sicheren Weg zu finden, so verfügt er doch oft genug über mal romantische, mal nüchterne Einsichten über die Unberechenbarkeit und Absurdität moderner Beziehungen. Sehenswert ist er allein deshalb – und auch aufgrund des peppigen Soundtracks, der sogar Patrick Swayze aus
Dirty Dancing-Gesangszeiten reanimiert – allemal. Und alle zusammen:
She's like the wind...