Was macht man, wenn die eigene Karriere so ziemlich am Ende ist und man selbst weiß, dass man viel Schrott gemacht hat, nur glaubt es einem keiner? Richtig, man nimmt sich selbst auf den Arm.
Da gibt es Typen, die können das nicht. Vielleicht wissen sie es selbst nicht einmal, welchen Müll sie verzapfen. Genannt sei in diesem Fall z.B. Steven Seagal, der munter weiter tumbe Haudrauf-Streifen dreht, die eigentlich keiner mehr wirklich sehen kann.
Von Größen wie Robert De Niro, der sein Image bereits in „Reine Nervensache“ auch ohne Karrieretief erfolgreich persiflierte, wollen wir hier aber erstmal nicht sprechen.
Jean-Claude Van Dammes neuer Film jedenfalls ist…eine Komödie. Van Damme in einer Komödie? Das kann nicht gut gehen – es sei denn, er nimmt sich selbst auf die Schippe.
Dabei ist die Story so innovativ wie lustig: Jean-Claude Van Damme (ja, er spielt sich hier selbst) hat genug davon, immer nur diese langweiligen 08/15-Actionstreifen zu drehen und in unrealistischen Settings rumzuhüpfen, muss mit Geldproblemen klarkommen und familiäre Streitigkeiten aufgrund seines Seins ertragen. Er braucht dringend Geld und als er dieses abholen will, gerät er in einen Überfall – und hat Angst wie jeder andere…
Was den Film wirklich zu etwas Besonderem macht, ist die strikte Durchführung der eigenen Demontage. Dabei greift der Film nie auf Humor aus der Ekel- oder Teenieschublade zurück, sondern bleibt angenehm niveauvoll
und verspricht sich dem implizierten Witz.
Zum Hintergrund gibt es einiges zu sagen. Dass Van Damme etwas arrogant ist, wissen viele. Und offensichtlich auch er selber, sodass es gleich im Titel den ersten Seitenhieb gibt: ein Mensch mit solcher Arroganz MUSS einen Film über sich selbst einfach nach seinen Anfangsinitialen benennen: JCVD. Und natürlich weiß er selbst, dass vieles von dem, was er so verzapft hat, unrealistischer und manchmal auch dümmer kaum sein könnte, was die gelungene Eröffnungssequenz zeigt: sie sieht aus wie jeder andere Van Damme-Actionfilm. Im Unterhemd bekleidet rennt er, springt und schießt, tötet Hunderte von den bösen Jungs und bekommt selbst nicht einen Kratzer, kickt seine Gegner weg und alle warten praktisch nur darauf, von ihm einen Tritt in die Visage zu bekommen. Es wird ein Film im Film gedreht, ein typischer Van Damme-Film. Als er dann in der Drehpause bemitleidenswert in die Kamera sieht, ist klar, was die Stunde geschlagen hat: „The Muscles from Brussels“ ist ausgelaugt – und hat keinen Bock mehr auf diese Art Film.
Die schier unendlich scheinende Anzahl von Seitenhieben und ironischen Anspielungen auf ihn selbst sind unglaublich witzig und so ist der Film wirklich eine richtige Komödie, in der es weitaus mehr Lacher gibt, als in 60% der üblicherweise im Kino laufenden Komödien.
Die Fülle der gezeigten Details aus Van Dammes Karriere ist überragend. Ob es nun Fans sind, die ihn auf der Straße wegen Fotos anhalten oder Polizeileute, die ihn auf seine Filme ansprechen, oder Postmitarbeiter, die sich einen feuchten Dreck darum kehren, wer er ist – es vergeht keine Minute, in der die Demontage seiner Karriere nicht weiterentwickelt wird. Und sie trifft dabei wirklich fast immer ins Schwarze! Zu nennen sei hierbei z.B. die Szene, in der Van Damme mit seinem Agenten bezüglich seines nächsten Projekts, ein Actionfilm (was sonst?), telefoniert und ihm leider gesagt wird, Steven Seagal hätte die Rolle bekommen…
Oder die Taxifahrerin, von welcher er sich zur Post fahren lässt. Sie meint, er sei ihr größtes Idol – auf der Leinwand aber wesentlich besser aussehend und charismatischer als in der Realität. Der daraufhin sprachlose Van Damme ist ein Bild für die Götter. Reichlich bissig bleibt auch eine Szene im Gerichtssaal in Erinnerung: der Staatsanwalt knallt DVDs mit Van Damme-Filmen auf den Tisch und listet auf, durch welche Methoden Menschen in diesen Filmen sterben. Aber eigentlich geht es um die Probleme seiner Tochter: sie sagt aus, sie würde ständig in der Schule gedemütigt, wenn Filme mit ihrem Papi im TV laufen…
Am meisten hängen bleibt wahrscheinlich auch eine ganz bestimmte Szene: ein Monolog Van Dammes. Er philosophiert über sein Leben, bemitleidet andere, gibt den Angsthasen, und das minutenlang. Das ist zwar weniger zum Lachen, aber mitunter doch zum Schmunzeln und Staunen, wie ein Van Damme einen Monolog gestalten kann. Man sollte ihm öfter die Gelegenheit dazu geben.
Stellvertretend für den ganzen Film ist praktisch auch eine Szene am Ende des Films. Van Damme wird vom Geiselnehmer aus dem Post Office geführt, eingespielte Filmlaufgeräusche deuten bereits an, dass es sich um einen imaginären Van Damme-Film handelt. Sekunden später befreit sich der Recke heldenhaft auf der Umklammerung des Geiselnehmers, haut einmal kräftig zu, vollführt einen Sprungkick – und der Geiselnehmer fällt erledigt zu Boden. Die Menge feiert Jean-Claude, wie in alten „Bloodsport“-, „Karate Tiger“- und „Kickboxer“-Zeiten macht er auf dicke Hose, reißt die Arme hoch, lässt sich feiern, die Mimik steinhart, wie es sich für einen ordentlichen Actionhelden gehört. Dann wieder Filmlaufgeräusche und die Geschichte wechselt wieder in die Realität: Van Damme wird vom Geiselnehmer aus dem Post Office geführt…versucht, ihm einen Ellbogencheck zu verpassen, tut sich dabei aber mehr selbst weh und fällt zu Boden. So sieht die Realität aus – keine heldenhaften Helicopter-Kicks, kein Kampfgeschrei, keine fernöstliche Kraftübertragung – einfach mal die Realität. Diese Szene atmet den Geist des ganzen Films und von allem, was dahinter steckt. Ein alternder Actionstar erkennt selbst, was er verbockt hat – und zieht die Konsequenzen.
„JCVD“ ist also in jeder Hinsicht ein toller Film, weil er Innovation bietet und Althergebrachtes karikiert. Selbst Gegner des einstigen Actionhelden Jean-Claude Van Damme werden diesen Film mögen, schließlich werden sie in vielen Belangen von der betreffenden Person selbst unterstützt Was kann da noch sympathischer sein?
Nun ist ein ängstlicher Van Damme natürlich nicht mit dem eingangs erwähnten De Niro zu vergleichen, der sich als Mafiaboss in einer Komödie als Autoverkäufer versucht – und den Kofferraum mit der möglichen Leichenbestückung bewirbt. Das war mehr eine Persiflage, „JCVD“ ist reine Ironie, oft auch harte Karikatur.
Die Demontage der eigenen Karriere war die beste Konsequenz, die Jean-Claude Camille Francois Van Varenberg (richtiger Name) je hätte ziehen können.