(USA, 2008)
(Kinostart: 12.06.2008)
Was im Kopf von M. Night Shyamalan vor sich geht, konnte in den vergangenen Jahren niemand so genau sagen. Das einstige Wunderkind Hollywoods hatte sich mit seinem letzten Film
Das Mädchen aus dem Wasser (2006) mit Karacho ins Abseits gekegelt. Das hatte vermutlich zwei Gründe. 1. Das Thema, mit dem er die Wende vom Thriller zum modernen Märchen schaffen wollte. Die meisten erkannten jedoch nur eine ausgewachsene Spinnerei. 2. Ein Regisseur, Autor und Produzent, dem Kritiker Selbstüberschätzung im fortgeschrittenen Stadium attestierten. Er spielte einen Schriftsteller, der auserwählt sei, die Welt zu retten. Hat man da noch Fragen?
Doch abgesehen davon, dass er zum ersten Mal seit seinem Knüller
The Sixth Sense (1999) einen kommerziellen Absturz hingelegt hatte, wurde man seit langem das Gefühl nicht los, dass aus dem Mann eh die Luft raus sei.
The Village (2004) war zum Gähnen.
Unbreakable (2000) könnte als größter, narrativer Aprilscherz in die Kinogeschichte eingehen. Ein Film, der seine gesamte Länge in Anspruch nimmt, um da anzukommen, wo andere erst beginnen würden. Das könnte man originell nennen. Man konnte aber auch einfach nur im Kinosessel sitzen und sich vorkommen wie doppelt gefoppt.
Und wenn man sagt, dass
Signs (2002) für einen der beste Shyamalan sei, erntet man häufig dumme
Sprüche und eindeutige Handbewegungen.
Das Schlimme ist, dass so ein Komplettflop auf Jahre hinweg die Reputation versauen kann. Es steht zu befürchten, dass der indischstämmige Regisseur auf unbestimmte Zeit zum Abschuss freigegeben ist, egal wie gut seine nächsten Filme auch sein mögen. Womit also hat er diesmal probiert, die Gunst des Zuschauers zu gewinnen? Zuerst einmal mit einem knappen Zeitkorsett. Neunzig Minuten, nicht länger. Er verliert keine Sekunde, in der ersten Szene passiert es. Der Wind weht dräuend durch die Stadt, Menschen im New Yorker Central Park bleiben plötzlich stehen und beginnen sich selbst umzubringen. Das Massensterben breitet sich über die ganze Ostküste aus. Ist es ein Terroranschlag mit Giftgas? Oder hat das Grauen eine natürliche Ursache? Shyamalan begleitet den jungen Biologielehrer Elliot (Mark Wahlberg) und seine Familie auf der Flucht vor der unbekannten Gefahr. (Natürlich musste es eine Lehrkraft für Biologie sein. Es ist so schön, dass es im Film für jede Katastrophe und jede Bedrohung Spezialisten gibt, die das Drehbuch zur gegebenen Zeit an den richtigen Ort bestellt.)
Es wird auch bei
The Happening genug Kritiker geben, die nicht zufrieden sein werden. Im Deutschlandradio Kultur war zu vernehmen, der Film sei nichtig und speziell die Performance von Mark Wahlberg uninspiriert.
Ja Herr Gott, es ist Mark Wahlberg. Wahlberg ist ein Kevin Bacon. Oder ein Michael Keaton. Eine Talentimplosion, die weder genial sein, noch wirklich viel falsch machen kann. Eine Plus-Minus-Null-Lösung. Es war ein langer Weg vom rappenden MTV-Hoppelhäschen in Unterhose zum Schauspieler, dem man seine zerknirschte Ernsthaftigkeit auch wirklich abkaufen kann. (So wie in seinem letzten Film
Helden der Nacht, 2008). Und ganz ehrlich: so viel trockenen Witz mit Understatement hat man ihn schon länger nicht mehr machen sehen wie hier. Zooey Deschanel spielt seine Frau Alma mit einer ebenso spröden Eleganz. Und die kleine Ashlyn Sanchez als ihre Nichte Jess hat gute Chancen, als neuer süßer Knuddelspatz Hollywoods Karriere zu machen. Und Betty Buckley, die Sportlehrerin aus Brian De Palmas Stephen King-Verfilmung
Carrie (1976), hat einen Auftritt als bekloppte, alte Lady.
Die Preisfrage: Was ist denn nun von diesem Film zu halten? Zuerst einmal wäre da die Botschaft. Die funkt Shyamalan spät, aber dann umso unzweideutiger in die Kinosäle: die Natur rächt sich. Der Mensch hat es übertrieben, den Planeten ausgebeutet, und nun gibt´s von Mutter Natur die Quittung. Da helfen auch keine Klimagipfel mehr. Es stimmt, dass so ein Topos nicht im Entferntesten als originell zu bezeichnen wäre. Missionarische Verbissenheit kann ja so viel kaputt machen.
Aber
The Happening hat auch Qualitäten, die goldwert sind und nicht genug geschätzt werden können, schaute man sich im selben Atemzug nur einmal an, in welchem Jammertal sich das Genre des übernatürlichen Thrillers zurzeit befindet. Spannung, also richtige, tolle, anspruchsvolle, wahre Spannung, entsteht durch Andeuten und Assoziieren. Nicht durch tumbe Zeigehandlungen. Doch genau das ist der Schaden, den sardonische Dreckfilme wie
Saw (2-4) und
Hostel in diesem Metier angerichtet haben. Wo so viel Kunstblut fließt, dass es für einen ganzen Stausee reichen könnte, da ist die Subtilität nicht zu Hause.
Shyamalan spielt die Stärken aus, die er im Schlaf beherrscht. Spannung erzeugen durch das, was man nicht sehen kann. Oder das, was nur angedeutet wird. Dialoge in gespannter (Un-)Ruhe. Atmosphärische Bilder, mit tonnenschweren, sinistren Geigen unterlegt. Und natürlich: eine Erzählidee, die nicht schon unzählige Male verfilmt und uninspiriert wiedergekäut wurde.
The Happening sollte für all diejenigen eine Kinokarte wert sein, die diese wahre Spannung zu schätzen wissen. Die es leid sind, absurde und sadistische Leinwandschlachtfeste als marktführende Referenzgrößen des Genres unter die Nase gehalten zu bekommen.
Wie gesagt, es sind alles Erkennungsmerkmale, die beim Starregisseur oft auftauchen, die nicht neu sind. Aber das funktioniert auch. Wenn man das anerkennt, kann man sich auch auf den eigentümlichen Humor einlassen - von dem nicht sicher ist, ob er wirklich beabsichtigt war oder ein Zufallsprodukt Shyamalan´scher Eigentümlichkeit bleibt. (Stichwort: Hustensaft-Dialog)
Ach ja, noch was: das obligatorische überraschende Ende hat er sich, genau wie in seinem letzten Film, gespart. Wenigstens in diesem Punkt ist der Mann ein Rebell.