„Ein Mann trifft eine Frau in Paris“ hat Luc Besson den Inhalt seines Films auf den Punkt gebracht. Der Mann ist ein armer Schlucker, ein gescheiterter Glücksritter, noch dazu kleinwüchsig, schwarzhaarig und einsam. André (Jamal Debbouze) versucht das Beste daraus zu machen, steckt seine Misserfolge mit unschlagbarem Sarkasmus ein und versucht weiterzumachen. Aber er hat Gläubiger auf dem Hals und gewalttätige und kompromisslose noch dazu, vor allem den coolen Ganoven Franck (Gilbert Melki). Und irgendwann steht auch der zähe André auf einer Brücke und schaut hinunter in die Seine. Plötzlich taucht von irgendwoher eine großgewachsene, blonde, blauäugige Frau (Rie Rasmussen) auf, sie wechseln Blicke, dann springt sie. Er wirft sich ihr hinterher, fischt sie aus den Fluten und kann es nicht verstehen, dass eine so schöne Frau etwas derartiges nötig hat. Sie dankt ihrem Retter und stellt sich ihm als Angela vor. Sie stehe ihm zu Diensten, was immer er verlange, sie würde es tun. André, an solche Liebesbeweise nicht gewöhnt, glaubt an einen schlechten Scherz. „Küss mich“ sagt er und denkt, dies sei Abschreckung genug, doch weit gefehlt, sie meint es ernst. Wir erleben einen Kuss der Kategorie „sehr erotisch“ und „sehr unterhaltsam“.
Angela weicht fortan nicht von seiner Seite, folgt ihm engelgleich überall hin. Als er zu Franck bestellt wird, sitzt Angela am Fenster und zeigt sich von ihrer besten Seite. Franck bietet André ein Geschäft
an: ich darf mir deine Freundin ausleihen und du kannst die Schulden vergessen. André beschwört sie es nicht zu tun, aber sie zuckt mit den Schultern, beruhigt ihn und verschwindet. Als selben Abend in einer Bar beginnt das gleiche Spiel: Angela geht auf die Tanzfläche, macht einige lässige Bewegungen, spricht neben ihr tanzende Kavaliere an und die willigen selbstverständlich sofort ein. Bevor sie ihr folgen, wird brav bei André gezahlt. Als hätte André nicht schon Schwierigkeiten genug: zuletzt verliebt er sich in das engelartige Geschöpf.
Was sich vielleicht noch passabel anhören mag, wirkt auf der Leinwand etwas zwiespältig: zum einen unnötig übertrieben, und zum anderen leider nur gewollt komisch. Das Problem des Films ist seine über weite Abschnitte offensichtliche Uninspiriertheit und sein Auf-der-Stelle-Treten. Etwa eine Viertelstunde nach Angelas Erscheinen im Film ist alles Interessante schon geschehen. Ihre allmähliche Entpuppung als das, was sie wirklich ist, ist weder besonders originell gemacht noch dem Filmgeschehen zuträglich, denn ab diesem Zeitpunkt entwickelt sich die leichte, ironische Komödie zu einer schwer verdaulichen Mischung aus Selbstfindungsdrama, Liebesgeschichte und Krimifragment. Da stehen dann André und Angela vor dem Spiegel und André soll als Teil seiner Prüfung zu einem besseren Menschen mit Überzeugung sagen: „Ich liebe dich, André“. Zu allem Überfluss weiß die Seelenhelferin wiederum selbst nicht, wer sie ist. Bei Besson verlieren Engel nämlich alle Erinnerung an ihr Erdenleben, sobald sie in den Himmel hochberufen werden. Angela kann nicht anders, immer von ihrem eigenen Ich fortzulaufen und offenbart ihrem Gegenüber ihre Qualen. Ein Sujet aber, in dem sowohl der, der erlöst werden soll, als auch der, der die Erlösung zu bewirken hat, jeweils an Selbstzweifeln leidet und dies dem Zuschauer ausgiebig darbietet, wirkt wie die Dokumentation einer Therapiesitzung, ohne dass der sonst so ideenreiche Regisseur ihr besondere Momente abgewinnen könnte.
Der Tiefpunkt des Films ist aber sein Schluss. Technisch unbeholfen und von einem inzwischen scheinbar vollkommen resignierten Drehbuch gezogen, ist man froh, dass jetzt zumindest nichts Schlimmeres mehr kommen kann. Es endet mit einem Happy End, einer Komödie gemäß, die der Film trotz allem genannt werden darf. Bei Komödien ist das Ende selten wirklich überzeugend. Aber die guten unter ihnen machen dies mit Ideen und Spritzigkeit wett. „Angel-A“ setzt einen neuen Maßstab und verzichtet über weite Strecken auf derartiges.
Was den Film für den Zuschauer rettet, lässt sich in vier Sätzen sagen: 1) Der wunderschöne Hintergrund der Geschichte - die Stadt Paris mit ihren Brücken, reizenden Häuserfassaden und Interieurs 2) Die interessanten filmhistorischen Verweise, z.B. auf Capras „Ist das Leben nicht schön?“, auf Bessons eigenes Werk, u.a. „Léon – der Profi“ und die einschlägigen Gangsterstreifen 3) Das herrlich aufgedrehte, fast Woody-Allen-ähnliche Spiel von Jamal Debbouze, der gegenwärtig einer der besten komischen Darsteller Frankreichs ist. 4) Und nicht zuletzt der Anblick von Rie Rasmussen, Model, Schauspielerin und Regisseurin („Thinning the Herd“, „Il Vestino“) in einem, die eine unwahrscheinlich einnehmende Leinwandpräsenz hat.
Die erste Hälfte des Films würde auch eine Fahrt in ein 200 km entferntes Kino lohnen, während der zweiten Hälfte könnte der Vorführer ruhig den Ton ausschalten und nur die zarten schwarz-weißen Bilder durch den Projektor laufen lassen. Gehen würde man als Zuschauer wohl trotzdem nicht.