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von Michele Massimo Tarantini




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Stirb langsam 4.0

Stirb langsam 4.0

Ein Film von Len Wiseman

(USA, 2007)



Jesus, is the circus in town?



Als John McClane zum ersten Mal einen echt miesen Tag hatte, schrieb man das Jahr 1988. Da musste er Gangster in einem Hochhaus zur Strecke bringen. Zwei Jahre darauf war es ein Flughafen, fünf Jahre danach schon ganz New York City. Bruce Willis verkörperte einen moderaten Gegenentwurf zu den protzigen Muskelpaketen, die in der Ronald Reagan-Ära die Leinwand ausfüllten und den Vietnamkrieg und andere Höllenschlachten im Alleingang gewannen. John McClane sollte ein normaler Typ sein. Verletzlich und verschroben, aber auch mit allem körperlichem Kapital ausgestattet, um eine zweistündige Auseinandersetzung mit professionellen Schurken überstehen zu können. Die Handlung wurde zum lieb gewonnenen Ritual. Am Anfang ist John nur ein normaler Cop, der bevorzugt an christlichen Feiertagen in den Schlamassel gerät. Dann treten die Bösewichter auf den Plan, stets glänzend organisierte und technisch hochgerüstete Terror-Teams, übernehmen die Gewalt über die Lokalität, legen falsche Fährten für die Polizei, um dann still und heimlich Banktresore zu plündern.

McClane macht das, was ein Kerl in so einer Situation verdammt noch mal tun muss. Er kämpft. Bleibt zunächst für seine Gegner nur ein Schatten, muss sich mit unfähigen und begriffsstutzigen Einsatzleitern rumärgern, die nicht begreifen, was gespielt wird. Und arbeitet sich dann Stück f
ür Stück an den Oberbösewicht heran.

Die besten von ihnen sprachen Deutsch. Im ersten Teil war es Hans Gruber, alias Alan Rickman, der selbst noch Rohrkrepierern wie „Robin Hood – König der Diebe“ zu etwas Glanz verhelfen konnte. Smart und böse, äußerlich ein Gentlemangangster, vom Benehmen her ein Psychopath mit Schnodderschnauze. Vielleicht einer der grandiosesten Bad Guys seit Gerd Fröbe als Goldfinger.

Im dritten Teil war es dann sinnigerweise Grubers Bruder, der DDR-Offizier Peter Krieg, gespielt von Jeremy Irons. Er hatte nicht die triebhafte Bösartigkeit von Rickman, dafür glänzte er mit lakonischem Understatement.

Alle „Stirb langsam“-Filme waren erstklassiges Popcorn-Blockbusterkino. Furios, spektakulär, animalisch. Was sie auch für diejenigen interessant machte, die Action-DVD´s nur mit spitzen Fingern anfassen, war nicht nur ihre außerordentliche Qualität. Im Vergleich zu den chauvinistisch-kraftmeierischen Vergleichsgrößen des Genres, verstanden sie es, ihren Patriotismus geschickt als martialisches Auge-um-Auge zu tarnen. Zum Schluss ging es nicht mehr darum, angekratztes Kollektivselbstbewusstsein wieder herzustellen, oder zu beweisen, wer hier Weltmacht ist. Zum Schluss ging es nur um das nackte Überleben, du oder ich. Natürlich kann man das politisch analogisieren. Man kann es aber auch bleiben lassen.

Stirb langsam 4.0Stirb langsam 4.0Stirb langsam 4.0
„Stirb langsam 4.0“ ist ein Film für Eingeweihte geworden, die mehr Spaß haben werden als die Jüngeren. Es ist rührend zu sehen, wie ehrfürchtig Regisseur Len Wiseman sich an die narrativen Spielregeln hält und dem Publikum ein durch und durch habitualisiertes Sehvergnügen schenkt. Dabei ist John McClane immer noch Cop, der sich mit seiner pubertierenden Tochter Lucy (Mary Elizabeth Winstead) herumschlagen muss. Die überhaupt nichts von ihrem Daddy hält, der sich so lange nicht um sie gekümmert hat, aber nun blöde Vorschriften macht. (Da sieht man es: dreimal schon Held gewesen, und nicht mal der eigene Nachwuchs respektiert einen.) John erhält den natürlich harmlos klingenden Auftrag, den jungen Hacker Matt Farrell (Justin Long) zu einem FBI-Verhör in Washington D.C. zu eskortieren. Dabei dauert es keine zwanzig Minuten, und McClane gerät unter Dauerbeschuss, denn ein Profikillerkommando trachtet Matt nach dem Leben. Warum, ist eine sehr gute Frage, die er sich noch nicht beantworten kann. Und John McClane hat wieder einmal einen miesen Tag.

Die Bösewichter in „Stirb langsam 4.0“ sind ebenfalls Hacker, die sich sämtlicher Datensicherungs- und Steuerungssysteme bemächtigen und die Infrastrukturen des Landes lahm legen. Es beginnt mit einer herbeigeführten Karambolage, mitten in der Hauptstadt. Wiseman präsentiert Chaosszenarien apokalyptischen Ausmaßes. Sie zeigen ein destabilisiertes System und die hilflosen Menschen in diesem System, denen man die Steuerungsgewalt über ihr Leben entrissen hat. Dieser „Stirb langsam“ hat, es überrascht wenig, eine gehörige Portion 9/11 abbekommen. In Amerika findet der Ausnahmezustand seit sechs Jahren ja auch mehr auf der Leinwand statt als im Leben. Diese latente Hysterie, permanent „under attac“ zu sein, kulminiert nun ersatzweise im Kino.

Neokonservative Konnotationen gibt es in „Stirb langsam 4.0“ also genug. Auch der Originaltitel „Live Free or Die Hard“ klingt wie ein Schlachtruf aus einer Bush-Rede. Trotzdem redet dieser Film plumpen Ideologismen nicht das Wort, dazu geht er doch zu sparsam mit nationaler Holzhammersymbolik um.

Kenner amüsieren sich trotzdem köstlich. Bruce Willis macht das, was die Leute erwarten und sehen wollen. Schießen, Kloppen, Heimat retten. Ein Retrovergnügen. Daran ändert auch die technizistische Visualität nichts, die sich sehr auf die kalte Ästhetik des Computerzeitalters konzentriert. Das soll vermutlich signalisieren, dass „Stirb langsam“ gut im Hier und Jetzt angekommen sei. Man könnte fast meinen, nicht Willis sei der Star, sondern die Computer und Laptops, auf denen es unaufhörlich blinkt und flimmert, auf denen ständig irgend etwas gedownloaded oder upgegraded wird. Aber dieser Firlefanz ist überflüssig. Die Qualitäten sind ganz im Klassizismus verortet, dessen Motto lautet: Keine Experimente. Sie halten sogar einen eher durchschnittlichen Oberschurken aus. Timothy Olyphant kann schön irre gucken, bis ihm fast die Augen aus den Höhlen quellen. Aber gegen Rickman und Irons bleibt er eine blasse Nummer. Interessanter ist da die heiße Asiatenlady Mai (Maggie Q), die sich mit Willis politisch unkorrekte Prügelorgien liefert.

Stirb langsam 4.0Stirb langsam 4.0Stirb langsam 4.0
„Stirb langsam 4.0“ befriedigt all die, die Sehnsucht haben. Nach einer kleinen Dosis guter alter Zeit. Und es ist zu drollig, dass Generationenfragen selbst Teil der Erzählung geworden sind. Es scheint fast so, als hätte man Justin Long Bruce Willis nicht nur als markttechnisches Korrektiv, dass jüngeres Publikum ansprechen soll, sondern auch als Diskurspartner zur Seite gestellt. Als McClane das Autoradio anmacht, spielen sie „Fortunate Son“ von Creedence Clearwater Revival. Classic Rock! Schon mal gehört? Nein, Matt kennt diese Dinosaurierbands nicht. Er kennt Pearl Jam, die in seiner Altersklasse schon als Altmeister durchgehen. Aber die gibt es erst seit fünfzehn Jahren. Für Menschen in McClanes Altersklasse heißt das: gefühlt gestern. Aber wer braucht die Segnungen der Moderne, wenn es die alten Tugenden genauso bringen. Das ist das Prinzip. Die Verbrecher von heute mögen sich mit diesem schrecklich-neumodischem Handy-PC-Internetgedöns auskennen. John McClane schießt einen Hubschrauber mit seinem über eine Rampe gejagten Auto ab, wenn die Kugeln alle sind. So einfach ist das. John McClane hört nicht nur Classic Rock, John McClane ist Classic Rock. Der beste Stoff, nach wie vor. Und wenn John einen miesen Tag hat, fühlen sich die nicht ganz so Jungen zu Hause. „Stirb langsam 4.0“ ist Classic Rock für die Augen, auch wenn der Titel es anders verkaufen will.

Zum Schluss rettet John die Heimat und seine Tochter, die wieder Daddy zu ihm sagen wird. Wir sagen einfach: Held, wir wünschen dir alle ein paar ruhigere Tage.

Eine Rezension von Gordon Gernand
(24. Juni 2007)
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Daten zum Film
Stirb langsam 4.0 USA 2007
(Live Free Or Die Hard)
Regie Len Wiseman Drehbuch Mark Bomback
Produktion 20th Century Fox Kamera simon duggan
Darsteller Bruce Willis, Justin Long, Timothy Olyphant, Maggie Q, Cliff Curtis, Mary Elizabeth Winstead, Kevin Smith
Länge 129 Min. FSK ab 16
http://www.stirblangsam4-derfilm.de
Filmmusik Marco Beltrami
Kinostart: 27. Juni
Kommentare zu dieser Kritik
Anj TEAM sagte am 01.07.2007 um 08:24 Uhr

So, ich habe den Film gestern abend gesehen und bin mit der Punkteverteilung etwas unsicher. Wenn ich ihm losgelöst von anderen Filmen Sternchen geben sollte, würde er vier kriegen, aber wenn ich das mit anderen Filmbewertungen von mir vergleiche, ist das wieder komisch, weil ich ja auch z.B. Ghost Rider vier gegeben habe und ich fand "4.0" schon besser als Ghost Rider. Ach ja, und außerdem hat ja Stirb langsam 2 von mir nur vier Sterne gekriegt und den vierten Teil fand ich besser, also kriegt er fünf Sterne. So viel zu eminer Sternchenbegründung.

Die Story war wirklich mau. Vor allem die Nebengeschichte mit der Vater-Tochter-Beziehung. Das war nichts halbes und nichts ganzes, echt blöd. Überhaupt keine Entwicklung, Begründung, Hinetrgründe, total oberflächlich. Und auch andere Sachen weisen Lücken auf. Warum z.B. verkleidet sich die Mai als FBI-Tante, wenn sie sowieso jeden niederschießt, der sich ihr in den Weg stellt?
Die Action aber war sehr toll. Meine Lieblingsszene ist die, wo im Tunnel ein auto angeflogen kommt und John und Matt sich zwischen zwei Autos ducken - sehr cool!
Es gab mal wieder ein paar lustige Sprüche - auch schön!
Auf jeden Fall sehenswert, wenn auch ein bisschen sinnlos... irgendwie fehlt dem Film das letzte Körnchen liebevolle Machart...
schlaubi TEAM sagte am 02.07.2007 um 22:54 Uhr

Ein super Ding. Spannende erste Hälfte, wo sich das Ganze entfaltet und ab dann laut, hirnverbrannt und ein Heidenspass.
Sogar politische Bildung mit John McClane. Wo ihm der Junge in der Seitenstraße erklärt, dass er auch mal dachte, es wäre cool einen "Firesale" zu machen, einfach den Reset-Knopf zu drücken, die ganze dekadente, korrupte Welt in die Steinzeit zu schicken und das Spiel noch mal von vorne beginnen zu lassen. McClane erklärt ihm dann, dass es kein Spiel sei sondern Menschen, die verängstigt zuhause sitzen.
Soll heißen: Das System vollends umzukrempeln ist nicht gut und zerstört mehr als es hilft. Die Menschen wollen keine Revolution, die Menschen wollen Reformen.
Sehr gute Lehrstunde!
Genzel TEAM sagte am 02.07.2007 um 22:54 Uhr

Bruce Willis schwitzt, blutet und keucht sich von einem Krawall zum nächsten und hat immer einen augenzwinkernden Spruch parat. Timothy Olyphant hat den Wahnsinn im Auge und glaubt irgendwann nicht mehr, daß dieser irre Polizist immer noch nicht tot ist. Maggie Q ist ein völlig ausdrucksstarres Fetischobjekt und klettert durch einen im Fahrstuhlschacht hängenden Jeep. Das gesammelte FBI kommt immer fünf Minuten zu spät, ihr Chef hat außer der expositorischen Funktion keinerlei Aufgabe außer hektischen Herumkommandieren. Autos fliegen in Helikopter. Laster fahren vor zusammenbrechenden Brücken davon. Und irgendwann schafft es Bruce Willis mit schierer Willenskraft, einen Dreißigtonner vor dem Umkippen zu bewahren und springt dann auf eine außer Kontrolle geratene F15, bevor er sich locker über den Brückenschutt abrollt. Seine sechzehnjährige Tochter zeigt den Terroristen die Zähne. Und zum Schluß schießt Willis durch seine eigene Schulter durch, um den Fiesling zur Strecke zu bringen. Will sagen: Was für ein grandioses, atemberaubendes, hemmungslos haarsträubendes und abgefahren-adrenalinförderndes Spektakel! Maximale Wertung für maximale Energie.
Anj TEAM sagte am 03.07.2007 um 12:01 Uhr

Die Tochter soll erst 16 ein??? Manno, ich hasse diese Castings, die nach dem Dawson-Creek-Prinzip laufen: Suche Darstellerin für 16jährige McClane-Tochter, Bewerber sollten nicht älter als 35 sein...
Steff sagte am 14.07.2007 um 09:57 Uhr

Also ich hab mir den Film gesten Abend angeguckt und muss sagen. Absolute Spitze. Hatte ja die Befürchtung das der vierte Gegensatz zu den anderen abfällt, was ich jedoch nicht bestätigt hat! Von Anfang bis Ende nur actiongeladen. Klasse! Hab die ganze Zeit auf meine Liblingsbeleidigung von McClane an die Bösewichte gewartet, die nach langem warten endlich noch zum Einsatz kam "Schweinebacke". Gehört einfch zu einem "Stirb Langsam-Film" dazu. Also das nicht so viel über die Beziehung mit der Tochter gezeigt wurde ist doch irrelevant. Schließlich waren die in den anderen Filmen auch nicht gut auf einander zu sprechen. Teenager halt. Hauptsache es fliegen die Fetzen. Was reichlich der Fall war. Für mich ein gelungener Actionfilm.
Anj TEAM sagte am 14.07.2007 um 10:09 Uhr

Ich finde, wenn man so einen Nebenhandlungsstrang schon anfängt zu erzählen, sollte man ihn auch zu Ende bringen. Ich will ja auch nicht, dass da eine große Sache draus gemacht wird, aber so, wie die Story dargestellt wurde, war es einfach nur oberflächlich und Lückenfüller. Das hätte nicht sein müssen.
Im zweiten Teil sagt John übrigens "Schweinenase" statt -backe... blöd, oder?
Steff sagte am 16.07.2007 um 08:57 Uhr

Ja das stimmt. Dabei ist doch "backe" viel besser "nase".
Anj TEAM sagte am 16.07.2007 um 16:03 Uhr

Allerdings!

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