Nach zehn Jahren Job als „Dumpfbacke“, strohdumme große Schwester und männernaschende Vorzeigeblondine in dem schrägsten Familienhaushalt, den der poor white trash der neunziger Jahre zu bieten hatte, und zwei Staffeln um eine alleinerziehende Mutter im Dirndl und wahlstummen Bruder spielt Christina Applegate erneut die Hauptrolle in einer US-amerikanischen Comedyserie und ist fortan Samantha… „Samantha Who?“
Genau, Samantha weiß ihren Namen nicht, denn an den kann sie sich genauso wenig erinnern wie an ihren Geburtstag oder die Namen ihrer Freunde. Nachdem Sam von einem Unbekannten angefahren wird, der anschließend Fahrerflucht begeht, liegt sie eine Woche im Koma und erwacht schließlich ohne jegliches Erinnerungsvermögen - Diagnose: Amnesie. Während die blondgelockte Mittdreißigerin nun völlig überfordert zurück in ihren Alltag stolpert, sammelt sie Schritt für Schritt immer mehr Anhaltspunkte darüber, wer sie ist – oder besser: wer sie einmal war. Auf ihrem Selbstfindungstrip der etwas anderen Art wird sie immer häufiger damit konfrontiert, dass sie eine ziemlich egozentrische, arrogante Teufelin war, die mehr Feinde als Freunde hat, keinen Kontakt zu ihren Eltern pflegt und ihre Sekretärin so viel Ehrfurcht einflößt, dass diese vor Angst zittert, während sie ihrer Chefin den morgendlichen Apfel „anbeißt“. Sam ist schockiert darüber, was für eine Person sie zu scheint und beschließt, die Amnesie als Chance zu betrachten
, wieder bei Null anzufangen und ein ganz anderer Mensch zu werden: die gute Sam.
Amnesie – immer wieder eine gute Idee und eigentlich mittlerweile doch ziemlich ausgelutscht für spannenden Lesestoff oder Kino- und TV-Thriller. Die verlorene Erinnerung aber als Ausgangspunkt für eine Comedy-Serie zu nehmen ist neu; die Gags scheinen vorprogrammiert zu sein und lassen somit auf spritzige Unterhaltung hoffen, die man in diesem Format noch nicht allzu häufig gesehen haben wird. Die Geschichte hat also Potential und verspricht mit Christina Applegate an Bord mal wieder neuen Wind in die moderne Serienlandschaft zu bringen.
Von daher ist es schade, sich einzugestehen, dass die Serie etwas von ihrem großen Potential verpulvert, indem sie einfach zu viel auf einmal will und den Zuschauer quasi in ein quietschbuntes, daueralbernes Gewirr aus kurzen Szenen und vielen Infos stürzt. Comedy muss zwar zackig sein, sollte aber bei aller Gagschleuderei nicht vergessen, die Story gut zu verpacken und den Zuschauer nach und nach an diese heranzuführen. Die erste Folge ist von daher leider immer etwas schneller als man selbst und man muss sich beeilen, alles richtig mitzubekommen. Wie fast jede Serie ist es aber auch bei „Samantha Who?“ der Fall, dass sie im Laufe mehrerer Folgen besser wird, sich auf das Tempo des Zuschauers einstellt und dennoch nichts an Witz und Spritzigkeit verliert.
Die Hauptfiguren sind hier an anderthalb Händen abzählbar und bilden ein Gespann, das zusammen in jeder Folge auftaucht. Da ist zum einen Samanthas ehemalige Schulfreundin Dena (Melissa McCarthy, bekannt aus „
Gilmore Girls“), die seit zwanzig Jahren eigentlich keinen Kontakt mehr zu Sam hat, aber die Krankenhaus-Situation nutzt, um ihre alte Kameradin wiederzusehen und ihr dann zunächst vorlügt, noch immer ihre beste Freundin zu sein. Die pummelige, immer positive Besitzerin von zwei riesigen Hunden gesteht der gedächtnislosen Sam zwar schnell die Wahrheit, bleibt aber dennoch ihre Freundin. Ganz im Gegensatz zu Andrea, denn die war schon vor dem Unfall Sams beste (und einzige) Freundin. Andrea scheint hierbei die einzige zu sein, die Samanthas „böses Ich“ zurückhaben möchte und es ganz und gar nicht versteht, warum sich diese so sehr ändern will.
Samanthas Eltern Regina (Jean Smart) und Howard (Kevin Dunn) behandeln ihre Tochter nach dem Unfall wie ein kleines Kind, lassen sie bei sich einziehen und gehen ihr mit ihrer durchgeknallten, spinnerigen Art immer wieder gern auf die Nerven. Während Sam also in ihrem alten Kinderzimmer nächtigt, wohnt Exfreund Todd (ein hinreißender Barry Watson) weiterhin in ihrem Appartement und lässt sich von der Neuversion seiner ehemaligen Partnerin ganz schön den Kopf verdrehen. Absoluter Sympathieträger und Gaglieferant ist Frank, der Türsteher in dem Gebäude, wo sich Sams Wohnung befindet. Frank ist sarkastisch und zurückhaltend und von daher zunächst nicht gerade begeistert davon, dass die sonst so eingebildete Sam, die ihn immer ignoriert hat, auf einmal anfängt, mit ihm zu reden und ihn in ihre Erlebnisse einzubeziehen. Frank hat zwar immer wieder einen lockeren Spruch auf den Lippen, aber sträubt sich aber, sich in irgendeiner Form mit Sam anzufreunden. Dass er mit diesem Vorsatz im Laufe der Serie aber immer weniger Erfolg hat, freut die Zuschauer umso mehr.
„Samantha Who?“ hat die Lacher definitiv auf ihrer Seite. Es ist wunderbar komisch zu beobachten, wie Sam auf der Suche nach ihrer Identität in ein Fettnäpfchen nach dem anderen tritt. Da sie so sehr darauf bedacht ist, herauszufinden, er überhaupt ihre Bekannten sind, kann sie nicht einmal mehr gelassen auf den einfallslosen Flirtspruch „Kennen wir uns nicht von irgendwoher?“ reagieren. Folge um Folge lernt sie neues von sich kennen und wenn sich dabei nur um ihre Lieblingseis- oder Kuchensorte handelt. Flashbacks aus ihrer Vergangenheit helfen ihr dabei manchmal auf die Sprünge, konfrontieren sie aber auch mit der „bösen Sam“, die sie ja eigentlich nicht mehr sein will. Zwar konzentriert darauf bedacht, nur noch die „gute Sam“ zu sein kann sie es dennoch nicht verhindern, dass bei ihr dann und wann mal ihr altes Ich wieder zum Vorschein kommt. Es ist immer wieder niedlich mit anzusehen, wie geschockt sie darüber ist, wenn sie etwas Neues aus ihrem früheren Leben erfährt. Und sei es nur der Moment, in dem sie ein schwarzes Minikleidchen aus ihrem Schrank hervorzieht und sagt „Oh mein Gott, ich habe eine Tochter?“.
Die Serie ist im Großen und Ganzen sehr alberne Comedy und daher nur etwas für die ganz, ganz leichte, kurzeilige Unterhaltung. Die aber versüßt sie einem mit übersprudelndem Witz, sympathischen Darstellern und netten Ideen. Es macht einfach Spaß, Christina Applegate dabei zuzusehen, wie sie mal in die unsichere, liebenswerte Engel-Sam schküpft, dann aber wieder die toughe, gebiererische Teufel-Sam spielt. Somit kann man sich bei „Samantha Who?“ wunderbar zurücklehnen und bei Bedarf immer mal wieder eine 20-minütige Lachmuskelauflockerung einschieben.