Durch einen Blitzschlag erwacht der totgeglaubte Vampir Graf Sinistre in einem Dorf in der Bretagne erneut zum Leben und nimmt sogleich Tania als Dienerin in Beschlag. Gegenwart: Schriftsteller Paul Baxter macht in eben jenem Dorf zusammen mit Freunden Urlaub, doch der Graf treibt weiter sein Unwesen und tötet sogleich ein paar Leute. Baxter gelangt jedoch in Besitz des mächtigen Medaillons des Grafen, und steht nun ebenfalls auf der Abschussliste. Und dieser schart immer mehr Diener um sich...
Der Film entstand 1965, und das sieht man ihm auch irgendwie an. Horrorfilme haben ja oft gewisse Qualitäten, indem sie durch ungewöhnliche Figurenkonstellationen, eine gewisse Unmoral (manchmal) und überraschende Wendungen für eine Auflösung der gängigen Filmkonventionen sorgen, da sie sich oft nicht um Gewinnmaximierung kümmern müssen. Allerdings muss man dem vorliegenden Film ankreiden, dass er überraschend bieder und konservativ daher kommt. Es gibt weder wirklich starke Frauenfiguren, noch erfüllen die vorhandenen einen anderen Zweck als dem Helden Motivation, dem Bösewicht Druckmittel und dem Zuschauer Augenfutter zu sein. Die wichtigen Rollen übernehmen hier die Männer, und alle Männer ausserhalb Englands (d.h. die Franzosen in diesem Film) taugen sowieso keinen Schuss Pulver. Dementsprechend bieder läuft auch die Storykonstruktion ab. Exposition erfolgt durch einen befreundeten Tierarzt (der wirklich nur diese Rolle der Information erfüllt, und
konsequenterweise nachdem er die notwendigen Infos mitgeteilt hat sogleich beseitigt wird), und den Rest findet unser Held durch - tatsächlich - das intensive Studium von Büchern in der örtlichen Bibliothek heraus. Das ist nicht innovativ und spannend, sondern irgendwie einfach bieder. Unter anderem auch weil unser Held einfach die Bücher holt, ohne großartig erstmal recherchieren zu müssen.
Trotzdem verbreitet der Film irgendwie eine coole Stimmung, aber mir erscheint es unmöglich in Worte zu fassen, was daran so cool ist. Richtige Spannung kommt eigentlich nicht auf, auch ist die Handlung nicht mitreißend (dazu gleich mehr), ebenso verbreitet der Film nicht den Stil der swinging Sixtys, der ja auch immer gern gesehen ist. Aber es macht trotzdem irgendwie Spaß dem Geschehen zu Folgen, was mit Sicherheit auch an dem starken Leading Man Paul Baxter liegt. Nicht dass William Sylvester ein besonders guter Schauspieler wäre, oder dass das Verhalten von Baxter für den Zuschauer nachvollziehbar wäre - das ist es bestimmt nicht. Aber Baxter respektive Sylvester geht mit einer Leichtigkeit, Lässigkeit und Ungezwungenheit durch den Film, dass es die reinste Freude (wenn auch eine trashige) ist. Seine Freunde sterben unter mysteriösen Umständen? Da wird nur mal kurz traurig geschaut. Seine Wohnung wird verwüstet und durchsucht? Da wird nur kurz mal grimmig geschaut. Am Ende wird Manpower gebraucht? Da packt der Schriftsteller die Faust aus, was dann an Bud Spencer, Old Shatterhand und James Bond irgendwie erinnert. Das passt zwar irgendwie überhaupt nicht zu dem Charakter eines Schriftstellers, aber Spaß macht die ganze Chose irgendwie trotzdem.
Schwer ankreiden kann man dem Film aber seine Handlung; man kann das allerdings auch als Pluspunkt sehen. Denn gelinde gesagt ergibt die Handlung schlicht und ergreifend überhaupt keinen Sinn. Selten habe ich einen Film erlebt, der derart beliebig verläuft, ohne dass der Zuschauer auch nur minimale Informationen bekommt, warum jetzt welche Figur welche Handlung unternimmt (oder ich habe den Film nicht ansatzweise verstanden). Diese Probleme ziehen sich durch den ganzen Film: Warum erwacht Sinistre überhaupt? Was hat er vor? Warum folgen ihm die vielen Anhänger (die nicht alle Vampire sind!)? Was ist das besondere an dem Anhänger? Warum ist Sinistre so dahinter her? Warum kann er das Ritual am Ende trotzdem beginnen, ohne den Anhänger zu haben? Was bringt dieses Ritual? Was ist ein Vampir in dem Film (sie beißen, haben kein Spiegelbild, aber das Sonnenlicht kann ihnen auch nichts anhaben)? Sinistre ist ein Devil of Darkness - gibt es Devils of Light (was natürlich keinen Sinn geben würde)? Warum versucht Sinistre nie auf direkte und brutale Weise an das Amulett zu kommen? Ich glaube tatsächlich hatte ich nach einem Film noch nie so viele offene Fragen, und das war tatsächlich nur ein Auszug. Dem Film gelingt es einfach nicht, ein Grundverständnis für die Zusammenhänge zu erschaffen, so dass einen die Handlung irgendwann nicht mehr wirklich interessiert, sondern man sich viel mehr von dem Geschehen berieseln lässt. Allerdings bietet das Ganze natürlich auch enorme Drinking-Game-Qualitäten.
Leading Man William Sylvester ist sicherlich den meisten Zuschauer aus Stanley Kubricks 2001 bekannt, dort verkörperte er Dr. Heywood R. Floyd. Ansonsten spielte er unter anderem in dem Monsterklassiker Gorgo mit. Hubert Noel, der den Grafen verkörperte, spielte unter anderem in der Mini-Serie Belphégor. Er macht seine Sache eigentlich ganz gut, aber schafft es nicht, wirkliche Präsenz aufzubauen, so dass das Böse in dem Film keine rechte Bedrohung darstellen kann.
Auf DVD ist der Film wieder bei e-m-s erschienen, natürlich in der Reihe "Der phantastische Film". Eigentlich kann ich hier den Text der anderen Veröffentlichungen übernehmen: Bild geht in Ordnung, Ton auch (auch wenn am Anfang in der deutschen Sprachfassung ein Satzteil scheinbar verschluckt wird), Extras gibt es nicht wirklich. Dafür gibt es natürlich wieder einen schönen Schuber und ein Booklet. Erneut vielen Dank für das Rezensionsexemplar!
Fazit: "Die Gruft der toten Frauen" ist schon ein seltsames Stück Film. Die Story ist konfus, unverständlich und eigentlich nicht vorhanden. Spannend ist es auch nicht, nachvollziehbar erst recht nicht. Aber Spaß macht das ganze aus unerfindlichen Gründen doch irgendwie. Daher spreche ich mal durchaus eine Empfehlung aus, auch wenn man dem Trash nicht ganz abgeneigt sein sollte.